Pierre Hanitsch ist Projektmanager bei der Wirtschaftsförderung Brandenburg.
Herr Hanitsch, wie ist Ihr Eindruck: Welche Einstellungen bezüglich des Unternehmertums haben die Menschen in Ihrer Region?
Immer mehr Gründerinnen und Gründer gründen nicht aus der Not heraus, sondern wählen bewusst den Weg der Selbstständigkeit. Sie gründen aus der persönlichen Motivation heraus und wollen sich und ihre Idee verwirklichen. Die Selbstständigkeit wird als Alternative zum Angestelltenverhältnis wahrgenommen. Gründerinnen und Gründer von Startups gelten weniger als verrückt, sondern als hip und cool. Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung in Schule oder Studium, aber auch durch Formate wie „Höhle der Löwen“ ist das Thema Gründung längst im Alltag angekommen.
Immer mehr an Bedeutung gewinnt das nachhaltige Unternehmertum und Social Entrepreneurship. Dies ist vor allem bei der jüngeren Generation zu sehen, die immer mehr Wert auf die Einheit von ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten ihrer Unternehmenstätigkeit sowie neue Arbeits- und Unternehmensformen legt.
Neugegründete Unternehmen sind einerseits als Wettbewerbsmotor zu verstehen, da sie bestehende Unternehmen mit ihren Innovationen herausfordern und die Wirtschaft erneuern. Andererseits sind sie auch ein wichtiger Kooperations- und Transferakteur für etablierte Unternehmen, die von der Dynamik und Innovationskraft junger Unternehmen profitieren können.
Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um Gründungseinstellungen von Personen positiv zu beeinflussen? Welchen Beitrag leistet Ihre Einrichtung dazu?
Es bedarf einer möglichst frühzeitigen Sensibilisierung (in Schulen und Hochschulen) und der Vermittlung von unternehmerischen Kompetenzen, damit die Selbständigkeit als alternative Erwerbsform zu abhängiger Beschäftigung stärker wahrgenommen wird. Dabei gilt es alle Akteurinnen und Akteure – also Schülerinnen und Schüler, Studierende, Lehrkräfte – für das Thema zu begeistern. Die Darstellung erfolgreicher Gründungsbeispiele sowie -persönlichkeiten spielen ebenso wie öffentliche Informationsveranstaltungen, Gründungstage oder -messen eine wichtige Rolle, um das Thema an eine breite Bevölkerungsschicht positiv heranzutragen. Wir als WFBB setzen uns u.a. als Geschäftsstelle der „Initiative Gründen in Brandenburg“ gemeinsam mit allen Partnerinnen und Partnern dafür ein, die Öffentlichkeitsarbeit und die Informationen über Gründungen in Brandenburg zielgruppengerecht zu bündeln.
Männer haben etwas positivere Gründungseinstellungen als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
Frauen wägen die Chancen und Risiken einer Gründung stärker ab als Männer. Die mit der Gründungsplanung einhergehenden Herausforderungen gehen Frauen äußerst strukturiert und reflektiert an. Dabei haben Frauen, mehr noch als die Männer, auch das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Blick. Diese Risikobewusstheit spiegelt sich auch im Global Entrepreneurship Monitor 2020/2021 wieder, der konstatiert, dass „Die Angst vor dem Scheitern als Hinderungsgrund für eine Gründung in Deutschland bei Frauen (42 %) stärker ausgeprägt ist als bei Männern (35 %).“ Der KfW Gründungsmonitor stellt fest, dass die Gründeranzahl in Pandemiezeiten stark sank, während die Gründerinnenzahl fast gleichblieb. Weibliche Gründungsinteressierte scheinen sich laut Gründungsmonitor schneller auf die neuen Bedingungen eingestellt und ihre Gründungspläne häufiger doch realisiert zu haben als Männer.
Was muss zukünftig passieren, damit sich die Gründungseinstellungen in der Gesellschaft verbessern?
Gründerinnen und Gründer leisten mit ihrem Mut und Pioniergeist einen wichtigen Beitrag zum Unternehmertum in Deutschland. Dieses persönliche Engagement der Gründenden gilt es noch stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken und so die Gründungseinstellungen in der Gesellschaft insgesamt zu verbessern.
Gründungsinteressierten muss frühzeitig das Unterstützungsspektrum bewusst gemacht werden, um ihnen so die Angst vorm Scheitern zu nehmen und sie von der Idee bis zum Markteintritt und Wachstum zu unterstützen. Eine Kultur des Scheiterns muss etabliert werden, um Gründerinnen und Gründer nicht vorzeitig vor dem Schritt in die Selbstständigkeit abzuschrecken. Auch muss die Risikobereitschaft bei den Finanzierungspartnern erhöht werden, um Gründerinnen und Gründern beim Aufbau ihres Unternehmens besser unterstützen zu können.
Ein Aspekt um insbesondere Frauen zu bestärken, den Weg der Selbstständigkeit zu gehen, ist auch eine frühzeitige Vermeidung von Stereotypen und die Bestärkung der Leistungsfähigkeit von Frauen.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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