Dies ist die vierte Ausgabe unserer Interviewreihe „#lernenausderkrise – Stimmen aus dem Mittelstand“. Olaf Knieriem, Geschäftsführer von expoworks und langjähriger Kunde des RKW Hessen, teilt seine Erfahrungen aus der Corona-Krise mit uns und berichtet, wie sein Messebau-Unternehmen in dieser schwer getroffenen Branche überleben konnte. Eine solide Ausgangsbasis in einer weniger beeinflussten Nische, viel Erfahrung, Gestaltungskraft und sein Gespür für innovative Geschäftsmodelle haben dabei eine wesentliche Rolle gespielt.

Wir haben in der Messebau-Branche überlebt,
weil wir ein Händchen für die richtigen Nischen haben
und dort für unternehmerische Verantwortung, Weitsicht und innovative Lösungen stehen.

RKW: Lieber Herr Knieriem, wie haben Sie mit expoworks die Corona-Krise bisher erlebt?

Olaf Knieriem: Die Zeit war und ist sehr anstrengend. Jeder Tag birgt eine neue Herausforderung und wir treffen trotz unserer langjährigen Erfahrung viele Entscheidungen ohne passende Erfahrungswerte. So eine Krise gab es in dieser fundamentalen Form in unserer Branche ja noch nie.

Wir sind sehr gut in das Jahr 2020 gestartet: die Auftragsbücher waren voll, viele Messestände waren fertig entwickelt und zur Verladung bereit – und dann hagelte es plötzlich Absagen. Material und Produktion standen ab März erstmal komplett still und auch wir waren in einer Art Schockstarre. Gut, dass es die Corona-Hilfen gab, die wir gänzlich, und aufgrund unserer soliden kaufmännischen Basis auch unkompliziert, in Anspruch nehmen konnten. Maximale Liquidität war das Gebot der Stunde und natürlich: sparen, sparen, sparen. Wir haben Kosten gesenkt, wo es nur ging und mussten uns in dem Zuge leider auch personell reduzieren.

Auf der anderen Seite haben wir uns ziemlich schnell auf die Suche nach Marktpotenzialen gemacht und uns dabei auf unsere Kernkompetenz – das Gestalten von Räumen, insbesondere für die Pharmaindustrie und Medizintechnik – besonnen:

  • Zum Beispiel haben wir Kundinnen und Kunden spontan vorgeschlagen, ihre bereits fertigen Messestände in einem Container-Modul auf den Hof zu stellen, damit sie dort ihre (potenzielle) Kundschaft empfangen können. Leider war diese selbst in Angst und Starre und somit auch nicht auf das Firmengelände zu kriegen.
  • Die Corona-Ereignisse eskalierten weiter und vor den Krankenhäusern in Italien gab es erstmals lange Schlangen. Das brachte uns auf die Idee, dafür eine spezielle Schleuse zu entwickeln: unser Triagate. Wir waren so überzeugt von dem Produkt, dass wir mit den ersten beiden Prototypen schon Ostern 2020 fertig waren: eine medizintechnische Komplettlösung in einem transportablen Container zur Miete. Als wir das Konzept auf verschiedenen gesundheitspolitischen Ebenen präsentieren wollten, blieben unsere Versuche aber leider ohne Resonanz. Wahrscheinlich waren wir damit zu früh dran.
  • Ein positiver Nebeneffekt der Idee mit der Schleuse war, die Stimmung und Motivation bei unseren Produktionspartnern wieder zu pushen. So gab es gemeinsam mit einem kirchlichen Träger die Idee, für wohnungslose Menschen Minihäuser zu entwickeln. Mit dem Projekt sind wir weit gekommen, aber wieder an den Mühlen der Bürokratie gescheitert. Nichtsdestotrotz bauen unsere Partner nun erfolgreich Tiny Houses im Rahmen der Modulhaus GmbH.
  • Auch kurzfristig Messestände für hybride und digitale Events anzubieten, war für uns schwierig, weil Wettbewerb und Vorsprung von Plattformanbietern für digitale Konferenzen zu groß waren. Das konnten wir auf die Schnelle nicht aufholen. Einen Messestand digital zu visualisieren, reicht dafür ja längst nicht mehr aus, es geht vielmehr um ganze virtuelle Lebenswelten. 
  • Aber unsere hohe 3D-Visualisierungs-Kompetenz war uns in einem anderen Kontext von Nutzen: Ein Bekannter aus einem Industrieunternehmen, der uns gern unterstützen wollte, berichtete von den dort schmerzlich vermissten Präsenz-Produktschulungen für technische Geräte. Also schlugen wir ihm eine digitale Lösung vor und bekamen tatsächlich den Zuschlag für ein Pilotprojekt. Hier bauen wir die Maschinen in 3D nach und verknüpfen diese Modelle dann mit Tutorials und weiteren redaktionellen Inhalten. Dafür lassen wir sogar eine eigene Software schreiben: unser iManual – klein, schlank, bezahlbar. Das bedeutet für uns natürlich ein relativ hohes Investment, aber ich glaube an das Projekt und sehe es auch als wichtigen Schritt in unsere digitale Zukunft. 

Wir haben also viel ausprobiert – manches hat geklappt, manches nicht. Unser Glück war letztlich unsere Nische: Pharmaindustrie und Medizintechnik haben von Corona teilweise sogar profitiert und 2021 ihre großen, jährlichen Fachkongresse wieder aufgegriffen. Das ist in anderen Branchen völlig anders: große Industriemessen, sogar die Leipziger Buchmesse wurden abgesagt, sterben vielleicht sogar völlig. Meine Überzeugung ist: Die Zukunft des Messebaus liegt in inhaltlich spitz zugeschnittenen Fachkongressen und da sind wir glücklicherweise schon sehr gut positioniert. Wir verkaufen ja nicht nur den Messebau, sondern auch das Consulting drumherum, bieten komplette Kommunikationskonzepte an. Und die sind aktuell gut nachgefragt – gerade in Kombination mit digitalen Elementen. Gut, dass wir schon vor dieser Krise mit dem RKW Hessen an unserer Nischen- und Digitalisierungsstrategie gearbeitet haben, sonst wären wir jetzt bestimmt nicht mehr hier.
 

Das hört sich gut an. Wie machen Sie denn jetzt weiter?

Weitermachen trifft es gut, denn kurz vor der Corona-Krise hatten wir eigentlich die Nachfolge in trockenen Tüchern, die verständlicherweise erstmal auf Eis gelegt wurde. Nun habe ich mich entschlossen, doch nochmal drei Jahre Gas zu geben und das Unternehmen wieder zu stärken in diesem schwierigen Markt. Aktuell sieht es danach aus, dass wir die Live-Seite an unseren langjährigen Produktionspartner verkaufen und die digitale Seite in Kooperation mit einem hiesigen Start-up weiter ausbauen werden. In beiden Fällen habe ich junge Menschen an meiner Seite, mit denen ich gemeinsam Perspektiven entwickle und Türen öffne. Durchgehen müssen sie dann allein, aber da bin ich zuversichtlich.

Es wird noch einige Herausforderungen geben. Zum Beispiel haben wir ja gerade wieder eine gute Nachfrage nach Live-Veranstaltungen im Bereich Fachkongresse – jedoch mit der Schwierigkeit, Lieferversprechen einzuhalten und auskömmliche Preise zu erzielen. Auch sind viele Fachkräfte abgewandert und zum Beispiel im Fertighaus-Bau mit Kusshand genommen worden – kein Wunder, Messebauer sind absolute Allrounder. Solche Nachwirkungen werden uns noch eine Weile begleiten, brauchen innovative Lösungen und viel Erfahrung.  
 

Apropos Erfahrung: Was haben Sie aus dieser turbulenten Zeit gelernt?

Mich hat überrascht, wie nah die Köpfe der Branche zusammengerückt sind. Das gab es vorher so nicht und hat viele in unserem engeren Kreis überleben lassen. Das kaufmännische Wort galt wieder, die „alten Tugenden“ haben sich bewährt: wie ich meine Mitarbeitenden, Lieferanten und Kooperationspartner behandle, wie die Beziehung zu meiner Bank ist. Berechenbarkeit, Augenhöhe, Fairness und ein Miteinander mit Herz sind die Werte, die Corona überlebt haben und sich jetzt sogar in Rahmenverträgen mit unseren Kundinnen und Kunden widerspiegeln.

Außerdem: Im Messegeschäft musst Du schnell sein, in einer Krise wie dieser noch viel schneller. Um bei all dem Trubel einen kühlen Kopf zu behalten, brauche ich einen gesunden, ausgeglichenen Lebenswandel und eins, zwei überschaubare Herzensprojekte.
 

Lieber Herr Knieriem, vielen Dank für diese spannenden Einblicke und viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg in diesem turbulenten Markt! 

Wir begleiten Sie gerne auf Ihrem Weg. Rufen Sie uns an!

Kathrin Großheim Digitalisierung & Innovation / Referentin

06196 495-2813
Kathrin Großheim

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