Herr Dr. Johannes von Bloh arbeitet bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hildesheim Region (HI-REG) mbH.
Herr Dr. von Bloh, was macht die Region Hildesheim als Gründungsstandort einzigartig?
Die Region Hildesheim hat ein hervorragend funktionierendes institutionelles Netzwerk. In der Gemeinschaftsinitiative „Wirtschaft in der Region“ bündeln sich koordiniert und arbeitsteilig die verschiedenen Angebote für Gründerinnen und Gründer, Start-ups und Mittelstand. Hierbei ist stets das unkomplizierte und unternehmerinnen- und unternehmerfreundliche Miteinander der Institutionen, der regionalen Banken, Hochschulen und Verwaltungen positiv hervorzustellen.
Die diversifizierte Wirtschaftsstruktur mit für Deutschland typischer Geschäftsgrößenverteilung, in der KMU dominieren, ist ein guter Nährboden für verschiedenste Gründungsvorhaben. Diese erstrecken sich von benötigten Existenzgründungen zur Deckung des Lebensunterhalts bis hin zu Innovationen auf weltweit höchstem Niveau.
Die Region Hildesheim mit ihrer Gemeinschaftsinitiative WiR, wurde bereits 2017 als ein Best-Practice-Beispiel des RKW Kompetenzzentrums im Leitfaden „Gründungsnetzwerke aufbauen“ genannt. Das Netzwerk wurde seitdem weiter ausgebaut und um überregionale wichtige Partnerinnen und Partner wie die NBank erweitert.
Wie entwickeln sich die Gründungszahlen in den letzten 5 Jahren in der Region Hildesheim?
Hier muss zwischen den Anfragen für Gründungsunterstützung und amtlichen Statistiken des tatsächlichen Gründungsgeschehens differenziert werden. Ersteres ist seit einigen Jahren annähernd auf gleich hohem Niveau. Einen marginalen Rückgang gab es hierbei in den letzten zwei Jahren durch die Corona-Pandemie. Die öffentlich einsehbaren Statistiken zeigen für den Landkreis Hildesheim etwa für den Indikator der Selbstständigenquote von 2016 auf 2019 ein Rückgang von 8,93 auf 8,61 Prozent (vgl. Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung: INKAR 2021). Dieser Rückgang ist weniger stark, als der für ganz Niedersachsen und lässt sich insbesondere mit Arbeitsmarkttrends erklären.
Wo kann man ansetzen, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben?
Das Sichtbarmachen von jungen Unternehmen schafft beispielsweise Vorbilder und baut Hemmungen ab, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Früh mit der Thematik Selbstständigkeit als echte Alternative zur abhängigen Beschäftigung konfrontiert zu werden, hilft ebenfalls, den Grundstein für ein reges regionales Gründungsgeschehen zu legen. Für diejenigen, die bereits eine Gründungsneigung haben, muss die Entscheidung und Umsetzung im Rahmen der notwendigen formalen Voraussetzungen möglichst unbürokratisch und frei von Hindernissen sein. Die Sichtbarkeit von Gründungen in der Region Hildesheim wurde im November 2021 auch in einem Beitrag des ZDF-Morgenmagazins über die Gründungsszene in Hildesheim deutlich. Neben der quantitativen Belebung ist aber insbesondere die Qualität der Vorhaben für einen nachhaltiges Überleben und die damit verbundene strukturelle Erneuerung der regionalen Wirtschaft maßgeblich. Hier gilt es, die Gründungspersonen bestmöglich bei der Erlangung von Gründungsbefähigung bzw. entrepreneurial Skills zu unterstützen. In der Region Hildesheim ist dies durch das im Rahmen der Gemeinschaftsinitative WiR veranstalteten Seminarprogramms gewährleistet.
Wie kann man (vor allem junge) Gründungsinteressierte dabei unterstützen, Ihre Gründungsidee in die Tat umzusetzen? Haben Sie spezielle Unterstützungsangebote für Frauen und Migranten?
Frühe Sensibilisierung und Vermittlung von Wirtschaftswissen legt eine solide Basis. Neben Motivation und Idee benötigt es insbesondere das richtige Handwerkszeug. Dies kann schon früh durch geeignete Programme der Entrepreneurship Education vermittelt werden. Beispielsweise geschieht dies durch Partizipation an Programmen wie den JUNIOR Schülerfirmen des IW Köln. Hildesheim ist hier beim Landeswettbewerb Niedersachsen traditionell stark vertreten. Auch regionale Initiativen wie business4school Hildesheim leisten hier einen wertvollen Beitrag.
Hildesheim ist eine Universitätsstadt. Dies wirkt sich in Sachen Kreativität und Neugier auf die ganze Region aus. Immer wieder setzen Studierende und Absolventinnen und Absolventen der regionalen Hochschulen ihre erlernten Studieninhalte für die Gründung eines eigenen Unternehmens ein. Daher ist die Kooperation regionaler Institutionen und Unternehmen mit den regionalen Hochschulen ein wichtiger Baustein im Gründungsökosystem. Die Hochschulen verfügen über eine ausgeprägte und motivierte Gründungsunterstützung, die unter anderem bereits in vielen Gründungsstipendien mündete.
Spezifische Unterstützungsangebote für Frauen bietet die Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft für die Region Hildesheim an. In Kooperation mit der Wirtschaftsförderung finden auch regelmäßig Veranstaltungen zu Unternehmensgründungen und Selbstständigkeit statt.
Für ausländische Fachkräfte und gründungswillige Migrantinnen und Migranten, die sich in der Region niederlassen wollen, gibt es, eingebunden in die Dachmarke Hi Zukunft, das Welcome Center. Hier helfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allen Fragen rund um das „Ankommen“, von Genehmigungen über Behördengänge bis hin zu Unterkunft.
Inwiefern hat die Corona-Pandemie das Gründungsgeschehen in Ihrer Region beeinflusst?
Durch die Corona-Pandemie hat sich insbesondere die Art der Vorhaben leicht verschoben. Während etwa personennahe Dienstleistungen und Gründungen im Gastronomiebereich verständlicherweise zurückgingen, stieg die Zahl der digital basierten Vorhaben und solche mit Bezug zum Gesundheits- und Sozialbereich an. Insgesamt sind etwas mehr Nebenerwerbsgründungen zu verzeichnen und weniger Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. Dies ist jedoch seit einigen Jahren auch ein bundesweiter Trend, der auf einen guten Arbeitsmarkt und den Fachkräftemangel zurückzuführen ist. Durch die notwendigen Maßnahmen zur Einschränkungen von Kontakten kommen in der Corona-Pandemie insbesondere Präsenzveranstaltungen deutlich zu kurz. Der Charakter von persönlicher Vernetzung oder das Gespräch am Rande eines Seminars lassen sich durch Online-Formate nur bedingt ersetzen.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
- © loveguli; Aleksandr Kharitonov; Johannes von Bloh / iStock.com – Hildesheim_Artikelbild.jpg