Prof. Jörg Freiling ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der Universität Bremen. Dort ist es für Gründungsforschung, -lehre und -transfer zuständig.
Herr Prof. Freiling, welche Rolle spielen Hochschulen, oder speziell Ihre Hochschule, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Hochschulen können eine große Rolle bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten spielen, wenn ein ganzheitlicher Ansatz von Lehre und Gründungsförderung in der Breite der Universität verankert werden. Die Lehre kann das Interesse wecken und die Studierenden in erste Gründungsprojekte bringen, anhand derer das „Handwerkszeug“ praxisnah vermittelt wird. Die anschließende Gründungsförderung hilft Studierenden dabei, das in der Lehre gewonnene Momentum beizubehalten.
Welche Rolle nehmen die Medien in Deutschland bei dem Berichten über erfolgreiche neue Unternehmen ein?
Schon eine wesentliche Rolle: Je mehr darüber berichtet wird, desto näher ist das Thema am Alltag und desto mehr setzt man sich mit dem Thema auseinander. Es ist wichtig, auch über nicht so erfolgreiche Unternehmen zu berichten.
Was muss sich in Deutschland dringend ändern, damit mehr (junge) Menschen künftig den Schritt in die Selbständigkeit wagen?
- Es muss mehr Anlaufstellen an den Universitäten zur Gründungsberatung geben.
- Diese sollten vor allem frühzeitige Unterstützung bieten.
- Eine Gründungskultur sollte sich langfristig an der Universität etablieren, auch fachbereichsübergreifend.
Welche Lernansätze an Hochschulen können den Gründungsgeist stärken?
- Grundsätzlich ist innovative, praxisnahe und projektbasierte Lehre wichtig. Dabei können Methoden wie „flipped classrooms“ hilfreich sein.
- Außerdem sollte Entrepreneurship Education als Methode begriffen werden: man lernt nicht über, sondern durch Entrepreneurship.
- Auch fachbereichsübergreifende Projekte sind sinnvoll, um interdisziplinäre Teams zu ermöglichen.
Was muss künftig passieren, damit „Gründung“ als attraktive berufliche Perspektive in der Gesellschaft in Deutschland angesehen wird?
Ein Kulturwandel ist nicht einfach. Wichtig sind auf jeden Fall greifbare Vorbilder und die Möglichkeit, Risiken zu minimieren. Der schnelle, durch die Digitalisierung getriebene Wandel in vielen Branchen wird einen positiven Effekt haben, da Kompetenzen von Gründenden auch in etablierten Unternehmen immer mehr gefragt sind. Das wiederum reduziert die Gefahren, nach einer gescheiterten Gründung keinen Zugang mehr zum Arbeitsmarkt zu erhalten.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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