Prof. Harald Pechlaner, Madlen Schwing und Julian Philipp arbeiten am Lehrstuhl Tourismus / Zentrum für Entrepreneurship an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Ihre Tätigkeit dreht sich in erster Linie um Lehre, Forschung und Publikationen in den Bereichen Tourismus, Destinationsmanagement, Entrepreneurship und Ecosystems.
Herr Prof. Pechlaner, Frau Schwing, Herr Philipp, wie tragen Sie dazu bei, das Gründungsgeschehen zu beleben?
Wir ermöglichen einen aktiven Austausch zwischen Studierenden und regionalen, nationalen und internationalen Unternehmerinnen und Unternehmern, Expertinnen und Experten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Im Sommer 2021 hatte eine Gruppe Studierender zum Beispiel die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse vor lokalen Unternehmerinnen und Unternehmern, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern und weiteren Aktiven zu präsentieren.
Zudem diskutieren wir in unseren Kursen sehr aktiv und interaktiv auch kritische Themen wie etwa die Angst vor dem Scheitern, den Umgang damit, und dessen Rolle im Erfolgsprozess.
Wie motiviert und qualifiziert das Zentrum für Entrepreneurship Studierende für eine Gründung?
In diversen Lehrveranstaltungen übermitteln wir unseren Studierenden die theoretischen Grundlagen des Entrepreneurships, zum Teil auch mit einem Bezug zum Tourismus. Zusätzlich zur Vermittlung der wissenschaftlichen Theorie, die eine der Hauptaufgaben der Universität darstellt, ist uns ein Praxisbezug wichtig, denn gerade Entrepreneurship ist eine angewandte Wissenschaft. Daher laden wir regelmäßig Unternehmensgründende – oft auch Absolventinnen und Absolventen der KU –, aber auch Gründungsexpertinnen und -experten, wie beispielsweise das Team des Global Entrepreneurship Monitor vom RKW Kompetenzzentrum, zu uns ein. In verschiedenen Formaten berichten diese Persönlichkeiten von ihren Erfahrungen – sowohl positiven als auch negativen –, geben Tipps und stehen unseren Studierenden für Q&A-Sessions zur Verfügung. Regelmäßig binden wir auch international bekannte Forschende in unsere Kurse ein, so zuletzt u.a. Erik Stam von der Utrecht University, einer der Pioniere der Entrepreneurial Ecosystem-Forschung, oder Lian Dumouchel von der Thompson Rivers University in Kanada, die, wie wir, an der Schnittstelle von Entrepreneurship und Tourismus forscht.
Die Studierenden müssen außerdem über das Semester verteilt verschiedene Arbeiten im Bereich Entrepreneurship erstellen, exemplarisch etwa:
- in Gruppenarbeit Geschäftsideen entwickeln und diese in einem Pitch vorstellen
- einen Businessplan schreiben
- bestehende Startups analysieren und Ideen zur Weiterentwicklung entwerfen
- theoretische und praktische Forschung zu Themen wie unternehmerischen Netzwerken oder Resilienz betreiben.
Durch die konkrete Anwendung der in der Vorlesung erlernten Theorie in Kombination mit dem Kennenlernen von und direktem Austausch mit Gründenden werden die Studierenden ermutigt, die Gründung eines eigenen Unternehmens als realistische Alternative zu einer Festanstellung in Betracht zu ziehen.
Welche Ansatzpunkte sind am sinnvollsten, um Gründungen regional zu stärken?
Ein regionales und digitales unternehmerisches Netzwerk, ein sogenanntes Entrepreneurial Ecosystem, aus großen etablierten Unternehmen und innovativen Startups, mit Universitäten, die die potenziellen späteren Mitarbeitenden ausbilden. Hierzu gehören eine moderne Technologie- und Kommunikationsinfrastruktur ebenso wie ein aktives Zusammenarbeiten aller Interessengruppen. Nicht zu unterschätzen ist auch eine breite und unkomplizierte finanzielle Unterstützung, die einer der Standortvorteile bspw. des Münchner Ökosystems ist.
Was macht Ihre Region als Gründungsstandort einzigartig? Inwiefern hat die Pandemie das Gründungsgeschehen in Ihrer Region beeinflusst?
Unsere Region zählt zum Großraum München. München gilt als wichtiges unternehmerisches Ökosystem und ist sehr populär bei Gründenden von Startups, vor allem im Bereich InsurTech. Zudem haben wir am Standort Ingolstadt mit Audi einen großen Automobilhersteller, was sich positiv auf Gründungen im Technologiebereich auswirken kann, wovon wiederum auch Audi profitiert. Es gibt viele junge Talente, die durch Universitäten, wie zum Beispiel die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt und die Technische Hochschule Ingolstadt, eine exzellente Ausbildung genießen und dem Arbeitsmarkt mit neuen innovativen Ideen zur Verfügung stehen. Nicht zuletzt sind auch die vom Freistaat Bayern geförderten Programme und die Infrastruktur zu erwähnen.
Der Automobilstandort Ingolstadt spürt in Zeiten der COVID-19-Pandemie globale Veränderungen sehr schnell. Diese lösen Transformationsprozesse auf regionaler Ebene aus und untermauern die Wichtigkeit von Innovation im Zusammenspiel von etablierten Unternehmen und Startups.
Was muss zukünftig passieren, damit die Gründungsquoten in Deutschland steigen?
Es müssen bereits in der Schule Grundlagen der Entrepreneurship-Ausbildung vermittelt werden, die dann in der Universität weiter ausgebaut werden.
Weibliche Gründerinnen benötigen mehr Sichtbarkeit und finanzielle Unterstützung, damit auch Frauen eine Unternehmensgründung viel häufiger als bisher in Betracht ziehen.
Ein genereller Mindset-Shift in Deutschland wäre hilfreich, der das Scheitern nicht verurteilt.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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