Prof. Dr. Kai Thürbach ist Inhaber der Professur für Unternehmensführung und Entrepreneurship an der TH Köln. Neben der Forschung und Lehre im Bereich Entrepreneurship beschäftigt er sich unter anderem in verschiedenen Drittmittelprojekten zusammen mit einem großen Team aus den unterschiedlichen Hochschulen in der Region mit der Entwicklung eines starken Entrepreneurship Clusters in Köln und NRW.
Herr Thürbach, welche Rolle spielen Hochschulen, oder speziell Ihre Hochschule, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Hochschulen können bei der Entwicklung regionaler Entrepreneurship-Cluster eine wichtige Rolle spielen. Erfolgreiche Gründungs-Cluster sehen wir z.B. im Silicon Valley, in Boston oder auch in Israel. Der Grundstein für deren gedeihliche Entwicklung wurde durch Hochschulen gelegt und Erfolgsgeschichten haben sich im Laufe der Zeit um die Hochschulen herum entwickelt. Das passierte nicht von heute auf morgen, sondern war ein Prozess von vielen Jahrzehnten. Nach wie vor sind Hochschulen wesentliche Treiber in der Entwicklung. Ihre Kernaufgaben sind Innovation durch Wissenschaft und die Ausbildung von jungen Talenten. Durch Entrepreneurship Education an den Hochschulen kann Gründergeist geschaffen werden, der dazu führt, dass Talente ihre Fähigkeiten auch unternehmerisch einsetzen. Hochschulen können auch Aufgaben in der Moderation und Vernetzung von für das Gründungsgeschehen relevanten Akteuren übernehmen. Gleichzeitig machen sie sich Gedanken über die gesellschaftlichen Implikationen und bereiten so die Grundlage für Soziale Innovation.
Bei der Motivation von Gründungsinteressierten spielt aus unserer Sicht Entrepreneurship Education an den Hochschulen eine zentrale Rolle: Wir versuchen, schon früh mehr Gründergeist zu vermitteln. Es geht um positive Einstellungen und ein „Entrepreneurial Mind Set“ – dieses Mind Set und entsprechende Kompetenzen kann man übrigens nicht nur zum Gründen, sondern auch in anderen Bereichen sinnvoll einsetzen. Alle Studierenden sollten sich im Verlauf ihres Studiums mindestens einmal mit dem Thema Entrepreneurship auseinandergesetzt haben – egal, aus welchem Fachbereich sie kommen. Wichtig ist, dass sie die Option, unternehmerisch tätig zu werden, kennen gelernt haben und diese Perspektive für ihren weiteren Lebensweg als Möglichkeit im Kopf behalten.
Unternehmerische Vorbilder, sogenannte „Role Models“, können hier unterstützen. Es gibt nicht den einen, richtigen Weg, erfolgreich zu gründen. Daher versuchen wir, viele Kontaktpunkte zum Thema Entrepreneurship zu schaffen, unterschiedliche Sichtweisen zu präsentieren und verschiedene Aspekte sichtbar zu machen.
All das haben wir in unserer „Strategie Entrepreneurship Education und Existenzgründungen der TH Köln“ formuliert und setzen es gemeinsam mit anderen Kölner Hochschulen in der Region um.
Wie tragen Sie dazu bei, das Gründungsgeschehen zu beleben?
Wir möchten, dass im Rheinland und speziell in Köln eine neue Gründerzeit anbricht! Dazu unterstützen wir junge Gründerinnen und Gründer aus den Hochschulen und arbeiten unter dem Stichwort »Fit for Invest« mit unseren Partnern zusammen daran, die Region zu einem der führenden Entrepreneurship Cluster in Europa zu machen.
»Fit for Invest« ist eine gemeinsame Initiative der TH Köln, Universität zu Köln, der Deutschen Sporthochschule und der Rheinischen Fachhochschule zusammen mit dem Gateway Gründungsnetz e. V. Damit vertreten wir in Köln insgesamt fast 100.000 Studierende und Menschen aus dem Wissenschaftssystem. Die Initiative wird durch das Förderprogramm EXIST-Potentiale des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert.
Zusätzlich zu »Fit for Invest« haben wir gemeinsam weitere Initiativen an den Kölner Hochschulen auf den Weg gebracht wie insbesondere das Gateway Exzellenz Start-up Center der Universität zu Köln, das StartUpLab@TH Köln mit seinen Maker- und Co-Working Spaces, das 5G CoCreation Lab und vieles mehr. Unsere Gründungsservices kooperieren eng und firmieren nun unter einer gemeinsamen Marke „Gateway“.
Welche Ansatzpunkte sind am sinnvollsten, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben?
Mit »Fit for Invest« haben wir uns zusammengeschlossen, um an dem großen ambitionierten Ziel zu arbeiten, die Region zu einem Entrepreneurship Cluster mit überregionaler Strahlkraft für wachstumsstarke Gründungen und erfolgreiche Investments zu machen. Köln und das Rheinland sollen eine der Top-Regionen für Gründung und Start-ups werden. Daraus erwachsen ist die Zusammenführung unserer Gründungsservices unter der gemeinsamen Marke Gateway und es gibt die zuvor beschriebenen weiteren gemeinsamen Initiativen. Eine wichtige Aufgabe dabei ist es, für Vernetzung zu sorgen. Deswegen arbeiten wir mit unseren Partnern aus der Gründer- und Investorenszene, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammen, um das Thema gemeinsam, konzertiert und mit Priorität in der Region zu verankern.
Das ist unser Beitrag, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben und an den Zielen lassen wir uns messen. Der Erfolg lässt sich am Ende nicht allein in harten Zahlen messen. Wir möchten die Einstellungen verändern und mehr Gründergeist in die Region bringen. Das geschieht nicht von heute auf morgen – es ist ein Marathon. Aber wir sind gut gestartet.
Was macht Ihre Region als Gründungsstandort einzigartig?
Köln hat eine lange unternehmerische Tradition. Handelszentrum seit Römerzeiten, schon im Mittelalter eine der größten europäischen Städte und seit der sogenannten „Gründerzeit“ im 19. Jahrhundert wesentlicher Industrie- und Innovationsstandort. Nicht von ungefähr sprechen wir vom „rheinischen Kapitalismus“, wenn wir an die Erfolgsgeschichte unserer Sozialen Marktwirtschaft denken. Die TH Köln hat historische Wurzeln in der unternehmerischen Tradition der alten Handelshochschule Köln, wenn man diesen Bezug herstellen möchte.
Köln und das Rheinland sind nach wie vor ein wesentliches europäisches Zentrum für Wirtschaft, Wissenschaft und Innovation – und damit für Entrepreneurship. Das Wirtschaftsministerium spricht gern vom „Rheinland Valley“, in Anlehnung an das erfolgreiche Vorbild. Oberbürgermeisterin Henriette Reker weiß, dass Gründerinnen und Gründer „wichtige Akteure der digitalen Transformation und aktive Gestalter der Wirtschaft von morgen sind“. Deswegen unterstützen beide unsere Entrepreneurship-Aktivitäten.
Heute sind neue Geschäftsmodelle in vielen Bereichen gefragt. Nicht mehr nur E-Commerce- und Business-to-Consumer-, sondern verstärkt auch Business-to-Business-Modelle und Technologie-Anwendungen, die für unsere bestehende industrielle Basis von Bedeutung sind. Hier punktet die Region mit einer starken Wirtschaft. Köln und Region sind stark in den Bereichen Medien und Kreativwirtschaft, Life Sciences und Gesundheitswirtschaft, aber auch in eher klassischen Branchen wie z.B. Chemie, Pharma, Handel, Versicherungswesen und Industrie. Dazu kommt der Wissenschaftsbereich. Köln ist einer der größten Hochschul- und Forschungsstandorte in Deutschland. Damit besteht ein guter Mix aus Kreativität, Innovation und der nötigen wirtschaftlichen Substanz. Im Bereich Entrepreneurship kann also konkret an bestehende Branchen-Cluster angedockt werden, gleichzeitig ist das Feld offen für alle Arten von Gründungen.
Innovative Talente mögen zudem eine kreative, offene und sympathische Atmosphäre. Dazu gehört auch das kulturelle Umfeld und alle Annehmlichkeiten, die eine weltoffene Großstadt zu bieten hat. Köln ist in dieser Hinsicht gut aufgestellt.
Was muss zukünftig passieren, damit die Gründungsquoten in Deutschland steigen?
Der Staat sollte gründungsfreundliche Rahmenbedingungen für die Wirtschaft schaffen. Es gibt in manchen Feldern unangenehme bürokratische Hemmnisse. Hier besteht Verbesserungspotential, das zu heben ist, aber daran scheitert aus meiner Sicht keine Gründung. Die Einstellungen zu Gründung und Unternehmertum könnten aber noch deutlich verbessert werden. Hier kann man ansetzen. Schön wäre es, wenn schon früher, in der Schule, mehr über Wirtschaft und unternehmerisches Denken und Handeln gesprochen würde. Schließlich ist Zugang zu Kapital und der passenden Finanzierung für erfolgreiche Gründungen zentral, weswegen wir uns diesem Thema mit »Fit for Invest« auch besonders widmen.
Vielen Dank für die Einblicke!
- © loveguli; Aleksandr Kharitonov - Kai Thürbach / iStock.com – Köln_Artikelbild.jpg