Prof. Simon Hensellek ist Juniorprofessor für Entrepreneurship und Digitalisierung an der Technischen Universität Dortmund. In dieser Position forscht und lehrt er zu Aspekten rund um entrepreneuriales Denken und Handeln, Wachstum von Startups sowie zu digitalen Geschäftsmodellen und Innovationen.
Herr Prof. Hensellek, im Rahmen des GEM wird die Gründungseinstellung von Personen unter anderem anhand der Wahrnehmung der eigenen Gründungschancen und -fähigkeiten und anhand der Angst vor dem Scheitern gemessen. Wie untersuchen Sie Gründungseinstellungen?
In einigen unserer Arbeiten haben wir dies relativ ähnlich gemessen und sowohl die wahrgenommenen Fähigkeiten und Chancen oder auch die Attraktivität einer Gründung sowie die daraus resultierende Intention zur Gründung gemessen. Auch die „Fear of Failure“ ist durchaus etabliert als negatives Maß der Gründungseinstellung. In der Zukunft erhoffe ich mir aber noch etwas weitergehende Einblicke, die über diese eher klassischen Messungen hinausgehen und noch detaillierter die Gründe für eine positive oder negative Gründungseinstellung analysieren können. Auch interessant wäre die genaue Untersuchung, welche Faktoren dann letztlich den entscheidenden Unterschied zwischen positiver Gründungseinstellung und tatsächlicher Gründung ausmachen. Dieser Übergang ist schließlich entscheidend für die Entstehung neuer Unternehmen, jedoch herrscht hier noch weitgehend Unklarheit, warum Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt diesen konkreten Schritt gehen.
In den letzten 2-3 Jahren ist dann mit dem Thema Social oder Transformational Entrepreneurship noch einmal ein ganz anderes Motiv aufgekommen, nämlich das dringende Bedürfnis, wichtige Probleme unserer Zeit mit Entrepreneurship zu adressieren und irgendwie zu lösen. Das ist gerade bei der jungen Generation ein ganz wichtiges Thema und bedarf insofern entsprechender Aufmerksamkeit mit Blick auf ihre Gründungseinstellung. Wenn sich dieser Trend weiter verstärkt, sehen wir hier eine ganz neue Dimension des „Necessity Entrepreneurship“ – oder nennen wir ihn lieber „Necessity-as-Opportunity Entrepreneurship“.
Welche Rolle spielen die Gründungseinstellungen von Personen bei der Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen?
Die sogenannten „Entrepreneurial Intentions“ sind schon lange ein wichtiger Forschungsgegenstand und sind bewiesenermaßen ein wichtiger Indikator für die tatsächliche Umsetzung einer Gründung. Insofern ist es selbstverständlich interessant, diese Einstellungen oder Intentionen gegenüber Unternehmensgründungen zu messen. Noch wichtiger ist jedoch, auch zu verstehen, wie diese Gründungseinstellungen zustande kommen und vielleicht auch positiv beeinflusst werden können. Da gibt es neben zahlreichen psychologischen Faktoren auch soziale Faktoren wie Vorbilder im Familien-/Freundeskreis oder der Gesellschaft. Insgesamt hat die Gründungseinstellung immer viel mit der eigenen subjektiven Wahrnehmung der Chancen und Risiken sowie der eigenen Fähigkeiten zu tun. Daran können wir ja zum Glück in Schulen und Universitäten arbeiten.
Männer haben etwas positivere Gründungseinstellungen als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, dies ist einfach ein langfristig strukturell gewachsenes Problem – ähnlich wie die (noch) geringen Frauenanteile in Vorständen oder auch MINT-Fächern. Gut ist, dass sich auch hier langsam, aber sicher etwas tut und der Anteil von Gründerinnen sich recht stetig erhöht. Ich persönlich befürworte zum Beispiel ganz klar Gründerteams, die sowohl in ihrer Expertise als auch ihrer Demographie heterogen sind und halte daher Frauen für sehr wichtige Teammitglieder bei Gründungen. Sie denken oft an Aspekte oder bringen Blickwinkel mit ein, die ansonsten nicht ausreichend berücksichtigt würden. Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass weibliche Teammitglieder zu einem „gesünderen“ Wachstum von Startups beitragen können.
Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um die Gründungseinstellung von Personen positiv zu beeinflussen? Welchen Beitrag leisten Sie hier bzw. Ihre Hochschule?
Wichtig sind für mich immer eine grundlegende Sensibilisierung und Sichtbarkeit für das Thema Gründung sowie ganz konkrete Unterstützungsangebote. Die TU Dortmund verfolgt hier ein klares Prinzip mit möglichst niederschwelligen Angeboten, welche für interessierte Studierende und Gründende einen einfachen und kostenlosen Einstieg in das Thema Gründung ermöglichen. Wenn jemand dann eine konkrete Gründungsidee hat und verfolgen möchte, gibt es ein ganzes Repertoire an Programmen, die vom Frühstadium bis hin zu den ersten Gründungsmonaten und dem Wachstum Unterstützung bieten. Die grundlegende Botschaft ist dabei: „Mach es, probiere es aus!“ Gerade Studierende sind in einer großartigen Position, um zu gründen und haben dabei relativ wenig zu verlieren.
Was muss zukünftig passieren, damit sich Gründungseinstellungen in der Gesellschaft in Deutschland verbessern?
Aktuell haben wir an vielen Stellen noch ein sogenanntes Self-Selection Bias, also das Problem, dass sich oftmals nur die Personen näher mit dem Thema Gründung und den vielfältigen Unterstützungsangeboten beschäftigen, die daran ohnehin bereits Interesse haben. Da müssen wir wie gesagt noch deutlich an der Sichtbarkeit und Attraktivität des Gründungsthemas arbeiten und noch weiter in der breiten Gesellschaft dafür sensibilisieren. Eine Unternehmensgründung muss langfristig ähnlich attraktiv werden wie das klassische Angestellten- oder Beamtentum.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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