Sven Rispas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Die Hochschule betreibt neben der Entrepreneurship-Lehre ein Gründungszentrum, den Startup Incubator Berlin, sowie Forschung zu unternehmerischem Denken und Handeln.
Herr Prof. Ripsas, welche Rolle spielen Hochschulen, oder speziell Ihre Hochschule, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Ziel der Entrepreneurship-Aktivitäten an der HWR ist die Stärkung der individuellen unternehmerischen Handlungsbereitschaft der Studierenden und der erfolgreichen Begleitung von Ausgründungen. In zahlreichen Studiengängen gibt es spezialisierte Lehrveranstaltungen zu Entrepreneurship, die Gründung, Unternehmensnachfolge und unternehmerisches Handeln in Unternehmen behandeln.
Wir glauben nicht, dass man Entrepreneurship im klassischen Sinne ausbilden oder lehren kann. Es kommt sehr viel auf die Haltung der einzelnen Person und seine/ihre Vorerfahrungen, Sozialisierung und erlebte Handlungsfähigkeit. Hier können wir an der Hochschule Impulse setzen und Vorurteile abbauen. Wenn Studierende nicht während des Studiums gründen, dann vielleicht 5 oder 10 Jahre später.
Wie tragen Sie dazu bei, das Gründungsgeschehen zu beleben?
In allen Entrepreneurship-Kursen werden die Studierenden entlang ihrer Interessen und Kompetenzen entsprechend der Lean-Startup-, Design Thinking- und Effectuation-Methoden ermutigt, kundenorientierte Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Pädagogisch basiert die Entrepreneurship-Lehre auf einem interdisziplinären Konzept, das Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Bildungsforschung vereint. Studierenden erleben Selbständigkeit als berufliche Alternative zur Angestelltenkarriere - mit allen Vor- und Nachteilen (Unsicherheit, Verdienstmöglichkeiten etc.). Dabei wird die selbständige ökonomische Teilhabe als machbar („perceived feasibility“ gemäß der „Theory of Planned Behaviour“) vermittelt. Zudem werden innovative Startups (Startup Entrepreneurship) und Innovationsvorhaben in Unternehmen (Corporate Entrepreneurship) gleichberechtigt behandelt und immer wieder werden Gründende als Rollenvorbilder eingebunden.
Welche Ansatzpunkte sind am sinnvollsten, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben?
Berlin ist einer der attraktivsten Gründungsstandorte in Europa, wenn nicht sogar der attraktivste. Gründerinnen und Gründer finden eine Vielzahl an Netzwerken, Infrastruktur-Angeboten und Fördermöglichkeiten vor, die alle auf unterschiedliche Lebensphasen und Branchen von Startups abzielen. In diesem Umfeld ist es für jedes Angebot wichtig, dass es sich spezialisiert und ein klares Alleinstellungsmerkmal besitzt.
Was macht Ihre Hochschule als Gründungsstandort einzigartig?
Gründungsinteressierte Studierende der HWR Berlin haben zahlreiche Möglichkeiten, ihre Vorhaben am hochschuleigenen Inkubator, dem Startup Incubator Berlin, zu testen und Pilotkunden zu gewinnen. International ist der Bereich Entrepreneurship der HWR sowohl bei der Education wie auch der Incubation aktiv mit Partnern aus der EU, Israel und des USA verbunden. Die Lehrenden arbeiten außerdem eng mit dem Inkubator zusammen, um einen aktiven Austausch zwischen Gründenden und Studierenden zu fördern.
Was muss zukünftig passieren, damit die Gründungsquoten in Deutschland steigen?
Ich denke es ist ein gesellschaftliches Umdenken nötig. Wir sollten Gründungen nicht als exotisch oder egoistisch abtun, sondern als zu Angestellten gleichwertigen Karriereweg und wichtigen Wirtschaftsmotor. Entrepreneure generieren Werte für unsere Gesellschaft, machen das Beste aus begrenzten Ressourcen und schaffen Arbeitsplätze. Ohne Entrepreneure wäre der Wohlstand von heute erst gar nicht entstanden.
Zu häufig jedoch wird Entrepreneurship missverstanden, beispielsweise als Männerdomäne, und es entstehen Vorurteile. Private Initiativen, NGOs und engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer arbeiten täglich daran, das zu ändern.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
Seit 20 Jahren schon verfügt die HWR Berlin über Schwerpunktprofessuren im Bereich Gründung und Nachfolge. Seit 15 Jahren bietet die HWR Berlin für Bachelor-Studierende den Studiengang „Unternehmensgründung und -nachfolge“ an. In Master/MBA-Studiengängen gibt es Schwerpunkte im Bereich des International Entrepreneurship, digitale Geschäftsmodelle und Venture Capital. Gezielt wird die unternehmerische Selbständigkeit mit den Alternativen „Startup-Gründung“, „Corporate Entrepreneurship“ oder „Übernahme eines vorhandenen Unternehmens“ vermittelt.
Die Forschung auf dem Gebiet des Entrepreneurship wird im EMF-Institut (Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen gebündelt.
Die Arbeit der Hochschule und die tollen Gründenden, die aus der HWR hervorgegangen sind, werden in einer digitalen Broschüre vorgestellt, die hier heruntergeladen werden kann.
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