Prof. Jörg Freiling ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittelstand, Existenzgründung und Entrepreneurship (LEMEX) der Universität Bremen.
Herr Prof. Freiling, wie messen oder analysieren Sie Gründungseinstellungen?
Das Machen wir nur am Rande, wir würden wohl qualitativ vorgehen. Die Einstellung zum Thema Gründen ist nicht schwarz-weiß, sondern meistens im Graubereich. Die wenigsten sind komplett ablehnend oder blind euphorisch. Bei unserer Einschätzung steht die unternehmerische Intention im Vordergrund, der wir uns über Coachings und Gespräche sowie Tiefeninterviews mit Studierenden in Rahmen von Forschung nähern.
Welche Rolle spielen die Gründungseinstellungen von Personen bei der Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen?
Eine positive Gründungseinstellung spielt eine wesentliche Rolle, um das Gründungsvorhaben anzustoßen. Alles, was danach kommt, ist ein Prozess, der mit vielen Höhen und Tiefen behaftet ist. Eine gewisse Selbstdisziplin und Überzeugung von sich selbst/dem Team und des Produktes ist notwendig, um nicht mittendrin abzubrechen.
Männer haben etwas positivere Gründungseinstellungen als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
Dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze:
- Die noch vorherrschende traditionelle Rollenverteilung und Erwartungshaltungen von außen
- ggf. spielt die Risikopräferenz eine Rolle
- zu wenige weibliche Role Models
- Investoren bevorzugen männliche Gründende und Gründerinnen werden manchmal diskriminiert (Hierzu gibt es viele Stories, die das Thema für Frauen nicht sonderlich schmackhaft machen)
Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um die Gründungseinstellung von Personen positiv zu beeinflussen? Welchen Beitrag leisten Sie hier bzw. Ihre Hochschule?
Wichtig ist, dass eine Unternehmensgründung zumindest als eine mögliche berufliche Perspektive nach dem Studium wahrgenommen wird und dass Studierende in der Lage sind, Vor- und Nachteile bzw. Chancen und Herausforderungen richtig einschätzen zu können. Zudem ist es nicht unwichtig, dass die potenziellen Gründende ihre eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen können. Dies wird von uns mit einem umfangreichen Lehrangebot unterstützt. Zudem werden Gründungsinteressierte weitergehend beraten.
Was muss zukünftig passieren, damit sich Gründungseinstellungen in der Gesellschaft in Deutschland verbessern?
- Die Gründungskultur muss stärker in der Gesellschaft etabliert werden
- Die Angst vor dem Scheitern muss abnehmen – wir brauchen eine „Failure Culture“
- Es muss mehr Wagniskapital zur Verfügung stehen
- Schüler müssen frühzeitig mit dem Thema Entrepreneurship in Kontakt kommen (early entrepreneurship education)
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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