Prof. Magdalena Mißler-Behr ist Lehrstuhlinhaberin des Lehrstuhls ABWL, insbesondere Planung, Innovation und Gründung der BTU Cottbus-Senftenberg. Am Lehrstuhl angesiedelt sind die beiden Projekte Gründungsservice der BTU Cottbus-Senftenberg und der Lausitzer NachfolgeBus.
Frau Prof. Mißler-Behr, welche Rolle spielen Hochschulen, bzw. speziell die BTU Cottbus-Senftenberg, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Die Rolle der Hochschulen in Deutschland ist für die Motivation und Ausbildung der Gründungsinteressierten sehr bedeutsam. Die BTU Cottbus-Senftenberg weist dabei im Vergleich zu vielen anderen Hochschulen in Deutschland die Besonderheit auf, dass sie in einer strukturschwachen Region angesiedelt ist, die den derzeitigen Strukturwandel begleitet und maßgeblich beeinflusst. Durch die Motivation von potentiellen Gründerinnen und Gründern zur Existenzgründung oder Unternehmensnachfolge und die Ausbildung und Qualifizierung von Gründerinnen und Gründern wird die Attraktivität der Region gesteigert. Als wesentliche Zielgruppen der Hochschule zur Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten sind vorrangig akademische Mitarbeitende, Studierende aber auch Alumni der BTU Cottbus-Senftenberg zu nennen.
Wie tragen Sie dazu bei, das Gründungsgeschehen zu beleben?
Im Rahmen der universitären Ausbildung von Studierenden werden beispielsweise die Grundlagen für unternehmerisches Denken und Handeln geschaffen und die Persönlichkeitsentwicklung während des Studiums vorangetrieben. Das Themenfeld der Unternehmensneugründung und Nachfolge wird am Lehrstuhl Planung, Innovation und Gründung systematisch in allen Lehrveranstaltungen integriert und in gründungsspezifischen Veranstaltungen vertieft. Beispielhaft ist die Betreuung von Abschluss- und Seminararbeiten oder Studienprojekten sowie Vorlesungen, Übungen und Seminare anzuführen.
Neben der Ausbildung und Qualifizierung, unter anderem in den Bereichen der Unternehmensgründung, Entrepreneurshipforschung und Unternehmensführung, stellt die Vernetzung im Gründerökosystem eine wichtige Säule der Gründungsförderung an der BTU Cottbus-Senftenberg dar. Diese bezieht sich sowohl auf die fachliche und inhaltliche Vernetzung von Personen als auch auf das Matching von Investorinnen und Investoren. Das Matching zu Investorinnen und Investoren wird dabei beispielsweise durch Sensibilisierungsveranstaltungen, Pitch-Events aber auch durch die Unterstützung bei der Teilnahme an Businessplanwettbewerben realisiert.
Welche Ansatzpunkte sind am sinnvollsten, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben?
Zur Belebung des Gründungsgeschehens bildet die systematische Verbesserung der Bedeutung des Themenfeldes Gründung/Nachfolge eine entscheidende Rolle. Niedrigschwellige Angebote sowie inhaltlich anspruchsvolle Angebote aus dem Themenfeld der Unternehmensneugründung und -nachfolge sind dabei essentiell. Kernelement ist unter anderem die gezielte und frühzeitige sowie stetige Sensibilisierung für gründungsrelevante Themenbereiche. Neben der inhaltlichen Begleitung nimmt auch die Vernetzung unter den Gründungsakteuren in der Region einen besonderen Stellenwert ein. Ein Ziel sollte dabei beispielsweise die Erhöhung der Qualität der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gründungsakteure sein. Unabhängig von der Unterstützung durch die regionalen Gründungsakteure, ist die Steigerung der Attraktivität des Standortes zu nennen. Konstatiert werden kann, dass sich das Gründungsklima verbessert und die Gründungen qualitativ und quantitativ, von infrastrukturellen Gegebenheiten sowie gründungsfreundlichen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise harten und weichen Standortfaktoren, abhängen.
Was macht Cottbus und Region als Gründungsstandort einzigartig?
Die Region ist geprägt durch den Strukturwandel und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel. Die Lausitz ist eine Förderregion, die von starken Umbrüchen gekennzeichnet ist. Historisch bedingte Gegebenheiten prägen die Gründerszene nach wie vor. Die besondere Situation der Region Lausitz und die Universitätsstandorte in Cottbus und Senftenberg sind gekennzeichnet durch die Randlage zu Polen. Darüber hinaus ergeben sich Chancen, aber auch Herausforderungen für die Gründungsinteressierten durch die Nähe zu den Großstädten Berlin, Dresden und Leipzig. Eine der Besonderheiten der Lausitz ist die Verschmelzung von Bundeslandgrenzen. In Brandenburg und Sachsen unterscheidet sich die Gründungslandschaft stark voneinander. Förderbanken, Förderangebote und öffentliche Institutionen sind sehr unterschiedlich und geben den potentiellen Gründenden zahlreiche Möglichkeiten. Eine weitere Besonderheit der Region stellt die kulturelle Vielfalt dar. Neben einem hohen Anteil an internationalen Studierenden aus mehr als einhundert unterschiedlichen Nationen an der Universität bereichern auch Minderheiten wie Wenden oder Sorben die kulturelle Vielfalt und machen den Gründungsstandort einzigartig.
Inwiefern hat die Corona-Pandemie das Gründungsgeschehen in Ihrer Region beeinflusst?
Die pandemische Lage hat das Gründungsgeschehen in Deutschland generell verändert und vor besondere Herausforderungen gestellt. In der Region hat sich die Präsenz der Studierenden an der Hochschule verringert und digitale Veranstaltungen und Aktivitäten haben sich etabliert. Durch die Durchführung von virtuellen Veranstaltungs- und Bildungsformaten konnten Entfernungsbarrieren überwunden werden. Gründerinnen und Gründer aus der Region konnten dadurch beispielsweise an nationalen und internationalen Veranstaltungen mit Gründungsbezug ohne hohen Aufwand teilnehmen. Hier könnte ein Potential für die überregionale Vernetzung von Gründungsakteuren liegen. Durch die veränderten Bedingungen hat sich ein Wandel in den Geschäftsmodellen angedeutet und sich verstärkt digitale Ideen durchgesetzt. Die Gründungsquoten hingegen haben sich pandemiebedingt kaum verändert und unterliegen den üblichen jährlichen Schwankungen.
Was muss zukünftig passieren, damit die Gründungsquoten in Deutschland steigen?
Die Steigerung der Gründungsquoten in Deutschland und auch in der Region ist ein wesentliches Ansinnen aus Politik und Wirtschaft. Zur Erhöhung der Gründungsquote können verschiedene Werk-zeuge und Ansätze Verwendung finden. Eine Möglichkeit liegt in der generellen Ausweitung von An-geboten im Gründungsbereich. Neben niederschwelligen Sensibilisierungsveranstaltungen und hochwertigen Qualifizierungsmaßnahmen sollte die Vernetzung der Gründungsakteure in den Regionen vorangetrieben werden. Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge als Karriereweg sollten attraktiver gestaltet und breit kommuniziert werden. Dies kann beispielsweise erreicht werden, indem die intrinsische Motivation von potentiellen Gründungswilligen gestärkt wird und aktiv und öffentlich für das Unternehmertum geworben wird. Frühzeitige Förderung von Eigenständigkeit und selbstständigem Handeln sollten darüber hinaus angestrebt werden. Eine Änderung des Mindsets, hin zu einem Abbau von Risikoaversionen und dem negativen Image vom Scheitern der unternehmerischen Tätigkeit, werden die Rahmenbedingungen nachhaltig gründungsfreundlicher machen. Ein Ziel kann dabei sein, sich vom Angestellten- zum Macherland zu entwickeln. Unterschiedlichste Werkzeuge, wie die Förderung von Schülerfirmen oder Gründungswettbewerbe könnten dazu beitragen, einen Gründungsspirit zu verbreiten.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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