Dr. Petra Beermann (Leiterin der Geschäftsstelle und Direktorin für Transfer und Innovation), Prof. Dr. Matthias Baum (Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship & digitale Geschäftsmodelle und Direktor für Entrepreneurship) und Prof. Dr. Rodrigo Isidor (Inhaber des Lehrstuhls für HRM & Intrapreneurship und Direktor für Intrapreneurship) leiten das im Jahr 2020 neu gegründete Institut für Entrepreneurship & Innovation an der Universität Bayreuth.
Frau Dr. Beermann, Herr Prof. Baum, Herr Prof. Isidor - welche Rolle spielen Hochschulen, bzw. speziell die Universität Bayreuth, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Die Universität Bayreuth und insbesondere das Institut für Entrepreneurship & Innovation haben sich in den letzten Jahren als attraktiver Gründungsstandort in der Region Oberfranken, aber auch für ganz Bayern etablieren können. Wir unterstützen gründungsinteressierte Studierende durch ein breites Angebot an interaktiven Lehr- und Weiterbildungsformaten. Dabei fokussieren wir drei Schwerpunkte. (1) Zunächst versuchen wir durch unsere interdisziplinäres Lehrangebot, Studierende aus allen Fachbereichen über verschiedene Gründungsmöglichkeiten zu informieren. Das bedeutet, dass wir unser Lehr- und Weiterbildungsangebot insbesondere auch in Fachbereichen anbieten, in welchen Gründungen oder Gründungsvorhaben bisher weniger häufig thematisiert wurden. Wir stoßen hierbei auf sehr positive Rückmeldungen und konnten vielfältige Gründungsprojekte bereits im Gründungsprozess begleiten und unterstützen. Mit dem Zusatzstudium Entrepreneurship & Innovation ermöglichen wir es seit Wintersemester 2021 allen Studierenden an der Universität Bayreuth, neben ihrem Hauptstudium, gründungs- und innovationsrelevantes Wissen zu erwerben und sich die erlernten Kompetenzen für ihre berufliche Entwicklung zertifizieren zu lassen. (2) Wir streben eine starke regionale, aber auch überregionale Verankerung unseres Lehrangebots bei verschiedenen Partnern aus Wirtschaft und Politik an. Ziel ist es, Gründungsinteressierte über die theoretischen Möglichkeiten auch aktiv bei der praktischen Umsetzung ihrer Ideen tatkräftig zu unterstützen. Dabei geht es sowohl um eine hervorragende finanzielle Unterstützung durch Fördermaßnahmen als auch praxisorientiertes Mentoring, um den entstehenden Herausforderungen bestmöglich begegnen zu können. (3) Wir bieten spezielle Studiengänge und Weiterbildungsangebote an, welche besonders auf die Bedürfnisse und Anforderungen gründungsinteressierter Studierende zugeschnitten sind. So haben wir beispielsweise zum Wintersemester 2021 den neuen Masterstudiengang „Digitalisierung & Entrepreneurship“ eingeführt.
Über das reine universitäre Lehrangebot für die Studierenden hinausgehend, engagieren wir uns auch in regionalen Netzwerken rund um das Thema Unternehmertum und Gründung, denn Gründungen können schließlich nicht nur an der Universität umgesetzt werden. Beispiele hierfür sind die von uns angebotenen „Radical Innovation Sprints“. Wir sehen uns dabei in einer starken regionalen Verantwortlichkeit und freuen uns, dass unsere Lehr- und Weiterbildungsangebote so gut angenommen werden.
Welche Rolle nehmen die Medien in Deutschland bei Berichten über erfolgreiche neue Unternehmen ein?
Insgesamt gibt es bereits eine gute standortbezogene Berichterstattung mit einzelnen regionalen Schwerpunkten. Das bezieht sich zum einen auf erfolgreiche Gründungsvorhaben, Preisverleihungen und Start-up Events. So wurde zuletzt über die Gründerinnen Akademien im Bayerischen Rundfunk berichtet. Auch mit dem „Bayreuth Games Accelerator“ konnten wir überregionale mediale Aufmerksamkeit erlangen. Zum anderen fokussiert das Institut für Entrepreneurship & Innovation den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in praxisorientierte Formate, um so relevante wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiteren Basis außerhalb des universitären Kontexts zugänglich zu machen. Hier haben wir verschiedene Weiterbildungsangebote entwickelt, die die Mitarbeitenden der (über-)regionalen Unternehmen dazu befähigen, neue Innovationspotenziale für sich zu erschließen und umzusetzen.
Ganz allgemein würden wir uns natürlich wünschen, wenn sich die mediale Berichterstattung über erfolgreiche neue Unternehmen im überregionalen Kontext verstärken würde. Eine positive mediale Berichterstattung ist ein starker Multiplikator, um das Gründungsgeschehen in Deutschland einer möglichst breiten Masse zugänglich zu machen und für die Thematik zu sensibilisieren. So könnten die hervorragende Leistung von Gründerinnen und Gründern stärker hervorgehoben und für die Etablierung positiver Rollenbilder genutzt werden. Als Gesamtheit können wir von den Ideen unser Gründerinnen und Gründer zur Lösung gesellschaftlicher und sozialer Probleme profitieren. Die mediale Berichterstattung spielt dabei also eine zentrale Rolle, sowohl in der Kommunikation von Erfolgen, aber auch in der Analyse von Fehlschlägen und wie aus diesen gelernt werden kann. Daher hoffen wir, dass unsere Bestrebungen in diesen Bereichen zu einer breiteren medialen Berichterstattung führen und die Erfolgsgeschichten als Inspirationen für Andere dienen können.
Was muss sich in Deutschland dringend ändern, damit mehr (junge) Menschen künftig den Schritt in die Selbständigkeit wagen?
Dass sich die deutsche Gründungsmentalität ändern muss, ist kein Geheimnis. Im Gegensatz zu anderen gründungsfreudigereren Ländern, gibt es in Deutschland immer noch eine starke und reale Angst vor dem Scheitern. Dabei handelt es sich nicht nur um das Mindset der Gründerinnen und Gründer, sondern bezieht sich auch auf die strukturellen Voraussetzungen und organisatorischen Hindernisse, welche im Gründungsprozess genommen und gemeistert werden müssen.
Erfreulicherweise scheint sich hier jedoch in den letzten Jahren ein Wandel abzuzeichnen. Die Universität Bayreuth und insbesondere das Institut für Entrepreneurship und Innovation sind bestrebt, diesen Wandel weiter voranzutreiben und den Gründerinnen und Gründern die notwendigen Hilfsmittel und Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Gleichzeitig würden wir uns aber wünschen, wenn die Potentiale, aber auch die Notwendigkeit zu Ausgründungen die notwendige gesellschaftliche und politische Anerkennung erfahren würden, derer es bedarf. Es gilt also, diesen erfolgversprechenden Weg weiter zu verfolgen und Deutschland somit im internationalen Vergleich als Gründungsstandort zu etablieren.
Welche Lernansätze an Hochschulen können Entrepreneurship Education in Deutschland steigern?
Am Institut für Entrepreneurship und Innovation der Universität Bayreuth hat sich die Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse in der praxisorientierten Anwendung als besonders erfolgsversprechend erwiesen. Dabei stützt sich ein Teil unseres modularen Lehrangebots auf die klassischen universitären Inhalte in den Bereichen Entrepreneurship, Intrapreneurship und Digitalisierung. Darüber hinaus ergänzen wir unser Lehrangebot durch Praxisbeiträge, sowohl von Start-ups als auch von etablierten Organisationen, welche mit eigenen Intrapreneurship-Initiativen den dynamischen Gründungsansatz in einem organisationalen Rahmen nutzen. Dadurch erhalten die Studierenden sowohl eine theoretisch sehr fundierte Ausbildung und sind gleichzeitig in der Lage, die Anwendung der Lerninhalte direkt in der Praxis zu beobachten. Darüber hinaus können die Studierenden ihr gewonnenes Wissen auch direkt in verschiedenen Lehrangeboten des Instituts für Entrepreneurship und Innovation anwenden, beispielweise im Rahmen eines 5€ Wettbewerbs oder Startup Praxis. Insgesamt ist es diese Balance zwischen hervorragender theoretischer Ausbildung im klassischen universitären Kontext sowie die Verbindung von praktischen Anwendungsmöglichkeiten, welche die Entrepreneurship Education an der Universität Bayreuth so besonders macht.
Was muss künftig passieren, damit „Gründung“ als attraktive berufliche Perspektive in der Gesellschaft in Deutschland angesehen wird?
Neben dem bereits erwähnten notwendigen stärkeren Fokus auf exzellente Entrepreneurship Education, wie sie vom Institut für Entrepreneurship und Innovation angeboten wird, bedarf es vor allem zweier grundsätzlicher Veränderungen. Zum einen sollte Gründung schon frühzeitig als später möglicher Berufsweg vermittelt werden. Wieso sollte der Gründungsgedanke oder die Idee sich mit einer innovativen Lösung zu befassen nicht schon in den Schulen vermittelt werden? Glücklicherweise haben sich in den letzten Jahren bereits erste entsprechende Formate an verschiedenen Bildungseinrichtungen etablieren können. Zu Gründen muss dabei genauso eine selbstverständliche berufliche Perspektive werden wie andere klassischen Berufe.
Zweitens bedarf es eines gesellschaftlichen Perspektivwechsels. Gründungen und junge Start-ups bieten heute Lösungen für dringende gesellschaftliche und soziale Probleme. Lösungen, die eben nicht von den etablierten Firmen kommen oder aber auch kommen können. Die Leistungsbereitschaft und das innovative Potential junger Gründerinnen verdient eine entsprechende gesellschaftliche Anerkennung. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Ressourcen, sondern auch ganz konkret darum, die strukturellen und motivationalen Voraussetzungen zu schaffen. Engagierte und innovative Menschen sind eine wichtige Ressource, um den künftigeren Herausforderungen begegnen zu können und wir sind gut beraten, dies anzuerkennen.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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