Von Kansas nach Istanbul
Kansas City, Dubai, Shanghai, Liverpool, Rio de Janeiro, Moskau, Mailand, Medellín, Johannesburg, Istanbul. Seit 2009 treffen sich Förderer des Unternehmertums, Wissenschaftler, Unternehmer, Investoren und viele mehr in jährlich wechselnden Städten zum Global Entrepreneurship Congress (GEC). Jedes Jahr stehen dabei unterschiedliche Themen im Fokus und fließen in die Keynotes, Panels und Diskussionsrunden mit ein. 2018 waren dies Entrepreneurship Learning, Women Entrepreneurship, Social Entrepreneurship, Empowering Emerging Ecosystems, Scaling up, Mobilizing Capital und Industry Disuption. Das Besondere in diesem Jahr: Alle Programmpunkte wurden aufgezeichnet und werden in nächster Zeit online zur Verfügung gestellt. Um die gegenseitige Vernetzung zu unterstützen waren bereits im Vorfeld sämtliche Speaker und Delegierte in der Teilnehmer-Datenbank der Webseite des Kongresses zu sehen.
Happy Birthday!
Der GEC in Istanbul markierte zugleich das zehnjährige Bestehen des weltweiten Zusammenschlusses. Gestartet mit wenigen Ländern in 2009 hat sich aus der ursprünglich einwöchigen Kampagne Global Entrepreneurship Week (GEW), die damals von der amerikanischen Ewing Marion Kauffman Foundation ins Leben gerufen wurde, das Global Entrepreneurship Network (GEN) entwickelt. In Deutschland ist die GEW unter dem Namen Gründerwoche bekannt und wird seit 2010 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gesteuert.
Mit Repräsentanten in 170 Ländern bündelt das Netzwerk inzwischen ganzjährig eine Vielzahl von Initiativen, Plattformen und Wettbewerben für die Stärkung des Unternehmertums und des Gründerökosystems. Ein Blick auf die Statistik der GEW zeigt dabei, dass das Netzwerk mittlerweile eine beeindruckende Größe erreicht hat und das Gründergeschehen in den jeweiligen Ländern maßgeblich beeinflusst: Gemeinsam mit 20.000 Partnern weltweit werden jährlich zur GEW über 35.000 Events mit ca. 10 Millionen Teilnehmern durchgeführt.
Im Rahmen der feierlichen Verleihung der Compass Awards am ersten Abend des GEC war Deutschland eins der zehn Länder, die anlässlich dieses Jubiläums der Kauffman Foundation und Jonathan Ortmans als Präsident des Global Entrepreneurship Networks (GEN) ihren Dank aussprachen – in ihrer jeweiligen Landessprache.
Besondere Freude herrschte an dem Abend bei der Delegation aus Südafrika: Das Land, in dem vor wenigen Monaten mit dem Hub “22 on Sloane” der größte afrikanische Startup Campus (und zugleich der erste unter der Flagge von GEN) unter Anwesenheit von Richard Branson eröffnet wurde, erhielt die Auszeichnung als “Country of the Year”. Den Preis nahm unter anderem die südafrikanische Ministerin für die Entwicklung Kleiner Unternehmern (Small Business Development), Lindiwe Zulu, entgegen.
Europa wächst zusammen
Nach einem ersten mehrtägigen Treffen in Belgien und Holland 2015 sowie einem zweitägigen Wiedersehen in Berlin im November 2017 wurde es nun amtlich: Im Rahmen von GEN gibt es ab sofort die Ländergruppe “GEN Europe”. Ziel ist es, die Vernetzung der europäischen Länder zu forcieren, gemeinsame Projekte anzustoßen und Interessen zu bündeln. Der gute Kontakt zur Europäischen Kommission in Brüssel ist hierbei von großem Vorteil. Der Zusammenschluss, zu dessen weiteren Kreis über 50 Institutionen und Partner in ganz Europa gehören, wird von einem Gremium aus 10 Ländern gesteuert, zu dem auch Deutschland zählt. Eine der ersten Maßnahmen wird die Erstellung einer gemeinsamen Ecosystem Map sein, die das Gründungsgeschehen in den beteiligten Ländern abbildet.
Qualität statt Quantität
Neue Kontakte, Informationen zu Förderprogrammen anderer Länder und Einblicke in Studien und Entrepreneurship Forschung – beim GEC hat man vier Tage lang Zeit, sich ausgiebig mit diesen Dingen zu befassen.
Ein interessanter Input kam in diesem Jahr beispielsweise von dem amerikanischen Wissenschaftler Daniel Isenberg, Direktor des Babson Entrepreneurship Ecosystem Project am Babson College in Massachusetts. Ausgehend von der These, dass “gute” Jobs von wachsenden statt von neu gegründeten Unternehmen geschaffen werden, strebt das von ihm präsentierte “Scale up Movement” die Unterstützung von Unternehmen mit Wachstumspotential an und bietet damit eine interessante Alternative zu manchen anderen Initiativen, die eher das Ziel steigender Gründungszahlen propagieren. Müsste sich Daniel Isenberg zwischen Startups und Scale ups entscheiden, wäre seine Wahl eindeutig: “Ich sehe immer mehr Beweise (und logische Erklärungen) dafür, dass die Aufwendung von Ressourcen für das Wachstum von Unternehmen – wenn es richtig gemacht wird – mehr kurz- und langfristige sozioökonomische Auswirkungen hat als jede andere wirtschaftliche Entwicklungsstrategie auf regionaler Ebene…”. Dabei spielt es seiner Ansicht nach keine entscheidende Rolle, ob das Unternehmen gerade erst gegründet oder bereits länger am Markt ist, ebenso wenig der Innovationsgrad der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen. Studien ausgewählter Regionen zeigten, dass erst die Entwicklung von großen Unternehmen zu der Entwicklung eines erfolgreichen Gründerökosystems geführt habe – und nicht andersherum. Weiterhin befänden sich die durch Startups geschaffenen Jobs häufig auf einem niedrigen Einkommensniveau und seien nur von kurzer Lebensdauer. Wichtig war ihm allerdings die Feststellung, dass Startups auch seiner Einschätzung nach wichtig für eine gut funktionierende regionale Wirtschaft sind – aber eben nicht maßgeblich für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und eine positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
“The choice to innovate or to become irrelevant”
Muhtar Kent kann auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken: Seit insgesamt 40 Jahren ist er Teil der Coca Cola Company, war 10 Jahre lang CEO und hat nun die Position des Chair inne. In seiner Keynote berichtete er über das soziale und gesellschaftliche Engagement des Unternehmens, unter anderem über die Initiative “5 by 20”, die das Ziel verfolgt, bis zum Jahr 2020 bis zu 5 Millionen Menschen, insbesondere Frauen, bei einer Gründung zu unterstützen. Mit seiner Familienstiftung unterstützt Kent außerdem Schüler aus der Türkei und den USA durch Stipendien bei ihrer Ausbildung. Besonders bemerkenswert allerdings waren der innovative und visionäre Geist des 65jährigen und seine Aussagen, die man sonst eher von einem erfahrenen Seriengründer erwartet hätte. Damit unterstreicht er zwei Dinge: Erstens, dass die Arbeit in einem großen Unternehmen keinesfalls die Notwendigkeit für unternehmerisches Denken ausschließt. Umso wichtiger ist es heutzutage, Schülern und Studenten mit Entrepreneurship Education Schlüsselqualifikationen mit auf zu den Weg zu geben, die sie in der sich verändernden Arbeitswelt benötigen – gleich ob als Angestellte oder Selbständige. Denn auch für Konzerne ist es wichtig, agil, innovativ und nah am Markt bzw. den Bedürfnissen des Kunden zu bleiben. Und zweitens: Alter spielt keine Rolle. Neugier, Aufgeschlossenheit und Interesse für Innovationen kennen keine Altersgrenze, ebenso wenig wie der Gründergeist und die Lust daran, eigene Ideen umzusetzen und selbständig zu arbeiten. Wer mehr darüber wissen möchte kann sich hier über unser Projekt Senior Entrepreneurship informieren.
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