Migranten gründen häufiger
Die Ergebnisse aus dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM) zeigen, dass Migranten in Deutschland, die als „nicht in Deutschland geborene Person“ definiert werden, eine höhere Gründungsneigung haben als Nicht-Migranten.
Die TEA-Quote (der Anteil der 18 bis 64-Jährigen, die ein Unternehmen während der letzten 3,5 Jahren gegründet haben und/oder dabei sind ein Unternehmen zu gründen) von Migranten betrug 2017 knapp über 6 Prozent. Im Vergleich dazu lag die TEA-Quote von Nicht-Migranten auf einem Niveau von 5,3 Prozent. Insbesondere in den ersten sieben Jahren nach ihrer Ankunft in Deutschland weisen die Migranten eine überdurchschnittliche Gründerquote auf. Danach sinkt die TEA-Quote bei Migranten und nach der Aufenthaltsdauer von zwölf bis fünfzehn Jahren gleicht sie sich an die TEA-Quote der einheimischen Bevölkerung an. Zu bemerken ist auch der starke Anstieg der TEA-Quote bei Migranten (7,2 Prozent), die länger als 23 Jahre in Deutschland leben.
Viele Migranten sind Chancengründer
Ein anderer wichtiger Indikator im GEM-Bericht bezieht sich auf die Motivation der Gründer. Die Opportunity-TEA-Quote umfasst den Prozentanteil der 18 bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind ein Unternehmen zu gründen, um eine Geschäftsidee auszunutzen. Neccessity-Gründungen dagegen entstehen aufgrund eines Mangels an Erwerbsalternativen.
Vergleicht man das Verhältnis zwischen Opportunity- und Necessity-Gründungen von Migranten und Nicht-Migranten, so zeigt sich zwar, dass Migranten einen höheren Anteil an Gründungen aus Mangel an Erwerbsalternativen aufweisen, allerdings ist dieser Anteil längst nicht so ausgeprägt wie häufig angenommen. Drei Viertel der Migranten gründen, weil sie Marktchancen ausnutzen möchten und nicht aus Mangel an Erwerbsalternativen. Darüber hinaus kann der „Import“ von Ideen aus dem Heimatland zu einem Wissenstransfer beitragen. Insgesamt tragen Migranten somit nicht nur durch ihre überdurchschnittliche Gründungshäufigkeit, sondern auch über die Qualität ihrer Gründungen zur deutschen Wirtschaft bei.
Der Unterschied in der Gründungshäufigkeit zwischen Frauen und Männern ist weniger stark ausgeprägt als bei gebürtigen deutschen Gründerinnen und Gründern.
Gründungsbezogene Rahmenbedingungen für Migranten
54 Experten haben Fragen zu gründungsbezogenen Rahmenbedingungen für Personen mit Migrationshintergrund beantwortet. Von Seiten der Experten wird Migranten eine hohe Relevanz für die deutsche Wirtschaft beigemessen. Erfreulich ist, dass zumindest auf der Ebene der Regelungen und Gesetze keine großen Benachteiligungen im Hinblick auf die Realisierung einer Selbstständigkeit zu sehen seien. Zudem gibt über die Hälfte der Befragten an, dass in Deutschland Beratungskonzepte und Instrumente, die speziell auf die Unternehmensgründung durch Migranten ausgerichtet sind, existieren. Die Frage ob diese Angebote tatsächlich von den Migranten genutzt werden, kann anhand der GEM-Ergebnisse nicht beantwortet werden. Eine Studie vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim weist darauf hin, dass Migranten seltener als andere Gründer öffentliche Informationsquellen und Beratungsdienste in Anspruch nehmen. Viele informieren sich ausschließlich bei Freunden darüber, was sie beachten müssen, wenn sie sich selbständig machen.
Problematisch scheint für Migranten der Zugang zu finanziellen Mitteln zu sein. Diese Meinung vertreten insgesamt circa 60 Prozent der befragten Experten. Im Vergleich zu einheimischen Gründern besteht beispielsweise häufig noch keine langjährige Beziehung zu einer Hausbank. Fehlende Sicherheiten können ebenfalls ein Grund sein, die Bereitstellung von Kapital durch Finanzinstitute abzulehnen. Auf eine weitere Besonderheit bei der Gründungsfinanzierung weißt der KfW-Gründungsmonitor 2017 hin. Zwar nutzen Migranten gleich häufig und in gleichem Umfang externe Mittel wie alle anderen Gründer, doch das Geld stammt aus anderen Quellen: Migranten finanzieren ihr Projekt seltener mit Bankdarlehen, dafür häufiger mit Überziehungskrediten und mithilfe von Freunden und Verwandten. Der Grund, warum Migranten für die Gründung teure Überziehungskredite in Anspruch nehmen, kann unter anderem darin liegen, dass sie nur über einen beschränkten Zugang zu Krediten verfügen. Zudem können die Verhandlungen aufgrund von Sprachdefiziten erschwert werden. Weitere Barrieren bei Gründungen durch Migranten können in der Nichtanerkennung beruflicher Qualifikationen liegen.
Finanzierungsangebote für Migranten müssen sich daher ein Stück weit von konventionellen Kriterien zur Beurteilung der Finanzierungswürdigkeit von Gründungsvorhaben lösen. Weiterhin muss die Gründungsdynamik der Zuwanderer durch Förder- bzw. Bildungsmaßnahmen verstärkt werden.
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