Mit seinem Modellprojekt „Früh übt sich, wer nachfolgen will“ unterstützt der Baugewerbe-Verband Sachsen-Anhalt vor allem mittelständische Familienunternehmen bei der Nachfolgesuche. Besonders junge Menschen in Sachsen-Anhalt möchten sie für eine Nachfolge begeistern. Evelin Bock (Baugewerbe-Verband Sachsen-Anhalt) berichtet.
Welche Bedarfe hat die Baubranche bei Nachfolgenden und Übergebenden in Ihrer Region?
Generell fehlen in unserer Region Sachsen-Anhalt Nachfolgende. 40% aller Schülerinnen und Schüler gehen auf das Gymnasium, der Realschulabschluss wird als unattraktiv angesehen. In der Folge erscheint auch eine Ausbildung in einem handwerklichen Beruf leider weniger erstrebenswert.
Unser Projekt spricht in erster Linie Unternehmen der Baubranche an. In vielen Unternehmen sind die Übergebenden 50 Jahre alt und älter. Dies stellt ein großes Problem dar, da rechtzeitig ein geeigneter Nachfolger bzw. eine Nachfolgerin gefunden werden muss.
Wie können junge Menschen für das Thema Unternehmensnachfolge begeistert werden?
Schülerinnen und Schüler können durch die Teilnahme an Bewerbertagen in den Schulen für eine Nachfolge im Handwerk sensibilisiert werden. Außerdem sind Praktika in Unternehmen der Region und die Girls- und Boys-Days eine gute Möglichkeit, Einblicke in Beruf und Arbeitsalltag in der Baubranche zu erlangen. Auch alte Rollenklischees können durch solche Aktionstage abgebaut werden.
Für Auszubildende ist es zunächst wichtig, dass eine Ausbildung und das Handwerk als Karriereweg attraktiver werden. Die Erhöhung des Mindestlehrlingsentgeltes wäre hier hilfreich. Außerdem können Landeswettbewerbe wie „Profis leisten was“ motivieren. Das Ziel ist dabei, einen Zuschuss zur Finanzierung der Meisterqualifizierung zu erhalten.
Studierende haben gute Möglichkeiten, durch ein duales Studium einen Bachelorabschlusses zu erlangen und Personen in Meisterklassen bzw. Jungmeisterinnen bzw. Jungmeister profitieren vom Meisterstipendium bzw. von einem zinsgünstigen Darlehn in Verbindung mit Beratungsleistungen der Handwerkskammern.
Wie können Übergebende und Übernehmende im Nachfolgeprozess erfolgreich begleitet werden?
Übergebende und Übernehmende stehen vor großen Veränderungen. Auf der einen Seite die Übergabe eines Lebenswerkes mit dem Wunsch nach einer langfristigen Perspektive für das Unternehmen und der Arbeitsplatzsicherung. Auf der anderen Seite die Übernahme eines Unternehmens mit der Herausforderung, die Finanzierung abzusichern und steuerliche bzw. rechtliche Situationen richtig einzuschätzen. Beide Parteien benötigen Hilfe und Unterstützung in diesem Übergabeprozess. Das kann zum Beispiel durch Experten in den Rechtsanwalts-, Notar- und Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungseinrichtungen erfolgen, oder durch Banken, Fachverbände, Kammern und Beratungsnetzwerke.
Welche Formate und Angebote haben sich im Modellprojekt bewährt?
Unsere Baufirmen sind in den meisten Fällen mittelständische Familienunternehmen. Wir kommen am besten durch persönliche Kontaktaufnahme und telefonische Absprachen in Verbindung. Uns ist vor allem der persönliche Kontakt, z. B. zu Schülerinnnen und Schülern an Klassenmeetings und den Bewerbertagen an Schulen, wichtig. Auch Meisterschülerinnen und -schüler der Handwerkskammer Magdeburg treffen wir persönlich. Außerdem machen wir in unseren Veröffentlichungen in der BauInfo und im BauBlitz (Zeitschriften des Baugewerbeverbandes) auf unser Projekt und die Nachfolge-Thematik im Baugewerbe aufmerksam. Darüber hinaus werden Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Baubranche in Mentoren-Funktion eingesetzt. Sie sind sehr gut ansprechbar zur Nachfolge-Thematik. Die Unternehmerinnen und Unternehmer berichten praxisnah und anschaulich, wie sich der Prozess der Übernahme gestaltet. Speziell für nachfolgeinteressierte Frauen haben wir außerdem die Gruppe „Business-Lady“ gegründet.
"Früh übt sich, wer nachfolgen will" ist ein Modellprojekt der Initiative „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Insgesamt entwickeln bundesweit 30 Modellprojekte innovative Lösungen, um den Fortbestand und die Weiterentwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland zu sichern. Sie sensibilisieren und qualifizieren zum Thema Nachfolge, sprechen neue Zielgruppen an und bauen (regionale) Netzwerke auf. Einen Überblick über alle geförderten Modellprojekte erlangen Sie hier.
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