5.3.1 Horizontale Verfahrensintegration

5.3.1 Horizontale Verfahrensintegration

Die für einen Gründer relevanten Behörden – das Ordnungsamt der Gemeinde zur Gewerbeanmeldung, das Finanzamt als Landesbehörde, die Berufsgenossenschaft und die jeweils zuständige Kammer als Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie die gegebenenfalls zuständige Erlaubnisbehörde der Gemeinde, des Kreises, des Landes oder des Bundes – bewegen sich auf unterschiedlichen gebietskörperschaftlichen Ebenen. Dennoch muss der Gründer alle Meldungen und Anträge voneinander unabhängig zu Beginn seiner Tätigkeit diesen Behörden übermitteln, selbst wenn die Gewerbemeldestelle dem Finanzamt, der Berufsgenossenschaft, der Kammer und gegebenenfalls einer Erlaubnisbehörde die Gewerbeanmeldung anzeigt. Mit Ausnahme des Falls, dass das Ordnungsamt einer Gemeinde neben der Gewerbeanmeldung auch die betreffende Erlaubnis bearbeitet, ist die Gemeinde nur für die Inhalte der Gewerbeanmeldung zuständig und entscheidet, inwieweit andere Verfahren auf den eigenen Seiten integriert werden sollen (s.a. Kapitel 5.1.2). Wie aus Abbildung 36 hervorgeht, integriert der überwiegende Teil der Gemeinden keine weiteren Verfahren, für die sie nicht zuständig sind, selbst wenn diese in unmittelbarem Zusammenhang zur Gewerbeanmeldung stehen.

Obwohl kreisfreie Städte einen größeren Umfang an Zuständigkeiten besitzen, weisen die in der Stichprobe erfassten im Vergleich zu den anderen Gemeinden den geringsten Integrationsgrad auf. Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass die Fachbereiche in größeren Städten fokussierter sind als ihre Kollegen in kleinen Gemeinden, so darf dieser Befund doch angesichts von „nur“ 27 kreisfreien Städten und 34 Kleinstädten und Gemeindeverbänden nicht überbewertet werden.

Besonders kritisch ist der geringe Anteil der Gemeinden, die weder Informationen noch weiterführende Links zu den alle Unternehmen betreffenden Verfahren der steuerlichen Erfassung und Meldung bei der Berufsgenossenschaft in ihren Seiten zur Gewerbeanmeldung integriert haben. Denn gerade diese Seiten eignen sich besonders als Startpunkt, da die Gewerbeanmeldung für viele Gründer das initiale Verfahren darstellt. Zwar übermittelt die Gewerbemeldestelle die Gewerbeanzeige an das Finanzamt und die DGUV, ohne weitere Hinweise ist aber Gründern, die von selbst keine weiteren Informationen einholen, nicht immer bewusst, dass sie zur Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung beim Finanzamt und zur Meldung bei der für sie zuständigen Berufsgenossenschaft grundsätzlich selbst verantwortlich sind, auch wenn Finanzämter und Berufsgenossenschaften in der Praxis bei einem Versäumnis zunächst einmal den Gründer freundlich anmahnen (s.a. Kapitel 5.1.2).

In den Fällen, in denen die Mystery Shopper integrierte Hinweise gefunden haben, handelt es sich nicht um vollständige Ausführungen, sondern nur um kurze Hinweise, manchmal hinterlegt mit Links, zur Notwendigkeit und zuständigen Stelle. Einige Gemeinden nutzen zur Integration das Angebot des Landesportals und verknüpfen auf ihrer Seite direkt zur entsprechenden Seite des Portals, wie z.B. Karlsfeld und Sulzemoos den Gründer direkt zum BayernPortal für die Erlaubnis nach § 34c GewO leiten. Eine andere Variante der Integration haben einige Gemeinden in Schleswig-Holstein gewählt, die dem Gründer zur ausführlicheren Information einen Link zur IHK anbieten, wo sie dann tatsächlich die notwendigen Hinweise erhalten.

Wie in Kapitel 5.1.2 bereits erwähnt, haben einige Gemeinden keine gesonderte Seite zur Gewerbeanmeldung oder beschränken sich auf das Wesentlichste und verweisen für alles Weitere direkt auf das Portal. Daher könnten unter Umständen fehlende Informationen durch Hinweise im Portal ersetzt werden, was aber auch nur bedingt möglich ist, wie Abbildung 37 verdeutlicht:

Die wenigen Hinweise in den kommunalen Portalen verwundern nicht, da die Kommunen die betreffenden Hinweise, wenn sie denn vorhanden sind, auf den Seiten zuvor vermerkt haben. Allerdings finden auch die Gründer, die ihre Gewerbeanmeldung über ein Portal des Landes oder EA vornehmen, nur in rund einem Drittel der Fälle Hinweise auf die Meldungen beim Finanzamt und der Berufsgenossenschaft. Etwas häufiger erhalten Gründer in den Portalen Auskünfte zur Eintragung in die Handwerksrolle oder zur Maklererlaubnis. Der Grund dafür liegt darin, dass die betreffenden Portale diese Verwaltungsleistungen im Gegensatz zur steuerlichen Erfassung, berufsgenossenschaftlichen Anmeldung oder Apothekenbetriebserlaubnis anbieten.

Im Zuge seiner Unternehmensgründung können dem Gründer Hinweise auf die steuerliche Erfassung sowie die Meldung bei der Berufsgenossenschaft nicht nur auf der Seite bzw. dem Portal zur Gewerbeanmeldung, sondern auch noch an anderer Stelle begegnen. Daher sollten die Mystery Shopper alle Hinweise einbeziehen, die sie schließlich zu den beiden Verfahren führten. Das Ergebnis in Abbildung 38 ist denn auch ein wenig besser, kann jedoch immer noch nicht zufriedenstellen:

In rund der Hälfte aller Fälle mussten die Mystery Shopper die steuerliche Erfassung selbst recherchieren. So ist keinesfalls gewährleistet, dass alle Gründer der Anforderung des Finanzamts nachkommen. Zudem überraschte, dass in keinem einzigen Fall die Mystery Shopper eine Möglichkeit zur elektronischen steuerlichen Erfassung über das ELSTER-Portal fanden.

Ein ähnliches Bild ergibt sich in Abbildung 39 zu den Hinweisen auf die vorgeschriebene Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft. Erhält der Gründer nicht über eine Beratung oder Selbststudium Kenntnis von der Notwendigkeit dieser Meldung, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er eine Ordnungswidrigkeit begeht, selbst wenn die Berufsgenossenschaften diese in der Praxis nicht ahnden.

Der Befund der Mystery Shopper bedeutet nicht, dass die entsprechenden Informationen überhaupt nicht existieren, sondern nur, dass dem Gründer im Zuge der Gewerbeanmeldung keine Hinweise begegnen. Die weitere Recherche hat z.B. für das Landesportal in Sachsen oder die Stadt Schwerin gezeigt, dass dort die steuerliche Erfassung einschließlich eines Links auf das ELSTER-Portal ausgiebig erläutert wird, allerdings nicht im Rahmen der Gewerbeanmeldung zu finden war, sondern nur bei einer gezielten Suche nach der steuerlichen Erfassung. Ebenso findet ein Gründer, der im BayernPortal nach der Apothekenbetriebserlaubnis sucht, eine ausführliche Erläuterung zum Verfahren, über die der Mystery Shopper im Zuge der Gewerbeanmeldung aber eben nicht „gestolpert“ ist.

In Kapitel 5.1.1.3 wurde bereits die Herausforderung für den Gründer erläutert, die richtige Seite für die Beantragung einer Erlaubnis zu finden. Eine große Erleichterung ist dabei die integrierte Beantragung im Portal der Gewerbeanmeldung oder ein Link zur Erlaubnisbehörde. Beides jedoch ist den Mystery Shoppern nur selten begegnet:

Während Links zur Eintragung in die Handwerksrolle und Maklererlaubnis aufgrund der Häufigkeit respektive fachlichen Nähe zur Gewerbeanmeldung häufiger vermutet wurden, war das Ergebnis zur Apothekenbetriebserlaubnis durchaus erwartet. Dennoch haben einige Gemeinden in Baden-Württemberg in ihrem Verzeichnis der Verwaltungsleistungen auch einen Eintrag mit ausführlichen Erläuterungen zur Apothekenbetriebserlaubnis, obwohl das Regierungspräsidium dafür zuständig ist (s.a. Kapitel 5.1.1.3).

Die Ursache für den geringen Grad an Integration liegt nach den in den Interviews gewonnenen Anhaltspunkten vermutlich in der meistens alleinigen Zuständigkeit der einzelnen Fachbereiche für die Inhalte der Seiten und damit auch für das Einpflegen von Hinweisen und Links zu anderen Verwaltungsleistungen (s.a. Kapitel 5.1.2). Aufgrund der Spezialisierung sind den Mitarbeitern die Gegebenheiten zu anderen Verfahren wenig geläufig. Eine Hilfe könnte eine Art Checkliste sein, die die Verwaltungsleitung den Fachbereichen verbindlich zur Erleichterung der redaktionellen Betreuung an die Hand gibt. In den Gesprächen zeigte sich außerdem, dass die Kommunen den Hinweis auf eine bessere Integration dankend aufgenommen haben und dementsprechend Inhalte ergänzen oder eine bessere Integration in ihren Gremien thematisieren wollen.