1 Einleitung: Digitalisierung im Kontext der Regulierung einer Unternehmensgründung

1 Einleitung: Digitalisierung im Kontext der Regulierung einer Unternehmensgründung

Die Gründung eines Unternehmens ist mit einer Vielzahl von Arbeiten verbunden. Hierzu gehören neben dem Erstellen eines Businessplans, der Beantragung einer Finanzierung, der Erarbeitung einer Marketingstrategie oder den Verhandlungen mit potenziellen Lieferanten auch die gesetzlichen Anforderungen zur Anzeige der Unternehmensgründung, Erstattung von Meldungen, Einholung von eventuell erforderlichen Erlaubnissen sowie gegebenenfalls Eintragung in das Handels- oder Partnerschaftsregister. Während Marketing, Produktion und Finanzierung als Teil der unternehmerischen Tätigkeiten wahrgenommen werden, empfinden viele Gründerinnen und Gründer1 den Aufwand zur Erfüllung der regulatorischen Anforderungen als Hemmnis. So geben in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Bitkom 59 % der Gründer an, dass der bürokratische Aufwand sehr hoch gewesen sei. Allerdings zeigt die gleiche Umfrage auch, dass dieser Aufwand wohl niemanden davon abhält, ein Unternehmen zu gründen. Lediglich 4 % der befragten Gründer würden den Schritt in die Selbstständigkeit nicht mehr gehen. Inwieweit dies jedoch in der Regulierung begründet ist, ist aus der Umfrage nicht zu entnehmen.

1 Im folgenden Text wird aufgrund der besseren Lesbarkeit keine Unterscheidung zwischen Gründerinnen und Gründern getroffen und stattdessen auf das generische Maskulinum, womit ausdrücklich alle Geschlechteridentitäten angesprochen werden, zurückgegriffen.

Zu einer ähnlichen Erkenntnis kommen die Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitor. Auf der einen Seite sehen zwar 68 % der befragten Expertinnen und Experten in der staatlichen Bürokratie und Regulierung eine große Belastung für neue und wachsende Unternehmen, auf der anderen Seite jedoch spielen bürokratische Hürden oder Steuerbestimmungen lediglich bei 6 % der Aufgaben neuer Unternehmen eine Rolle (Sternberg et al. 2018).

Das Bild, das diese Erhebungen zeichnen, hat sich im Laufe der Zeit kaum verändert. Bereits vor knapp zwei Jahrzehnten stellte eine Studie im Auftrag des BMWi fest, dass die Verfahren zur Unternehmensgründung zwar einen mehr oder weniger großen Aufwand bedeuten, insgesamt jedoch für die Gründung kein Hindernis darstellen (Friedrich et al. 2000, S. 117). Auch für die folgenden Jahre kommen vergleichbare Studien zu ähnlichen Ergebnissen, wie die Metastudie von Block et al. (2008, S. 16) zeigt.

Selbst wenn dieser Befund weniger dramatisch erscheint, als das in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild vermuten lässt, kann die gegenwärtige Situation doch nicht befriedigend sein, was sich in der Einschätzung der für den Global Entrepreneurship Monitor befragten Experten niederschlägt. Noch nicht einmal die Hälfte der Befragten erachtet das Engagement der Politik als ausreichend (Sternberg et al. 2018, S. 34). Daher ist es geboten, zumindest den Aufwand für eine Unternehmensgründung auf das Minimum zu reduzieren, womit sich die Frage nach den Ursachen vermeidbaren Aufwands stellt.

In der Literatur finden sich im Zusammenhang mit der Unternehmensgründung dazu vor allem zwei Problemfelder: Zum einen sehen viele Gründer in der Informationsbeschaffung immer noch ein großes Potential zur Entlastung (BMWi 2014, S. 41). Allerdings trifft dies vermutlich nicht für alle Gründungen zu. So hat eine umfangreiche Erhebung im Emsland zu den verschiedenen Formen von Belastungen unterschieden nach Rechtsbereichen anhand einer multivariaten Auswertung ergeben, dass der Erhalt von Informationen nur im Baurecht signifikant für zusätzlichen Aufwand oder Verzögerungen ursächlich ist (Schorn und Eichfelder 2012, S. 99). Diese über alle Unternehmen hinweg gewonnenen Ergebnisse lassen sich in Bezug auf Gründungen dahingehend interpretieren, dass komplexere Vorhaben, wie zum Beispiel die Eröffnung einer Gaststätte, besonders von leicht verfügbaren Informationen profitieren.

Zum anderen verursacht vor allem die Beteiligung mehrerer Behörden nicht nur deutlich längere Verfahren, sondern auch einen signifikant höheren Aufwand. So zeigt die Analyse von Schorn und Eichfelder (2012, S. 94), dass in dem für Gründer besonders relevanten Bereich des Gewerberechts die Wahrscheinlichkeit eines besonders hohen zeitlichen Aufwands mit der Beteiligung weiterer Behörden um über das fünffache zunimmt. Dementsprechend verwundert es nicht, wenn in den von der Bundesregierung zusammengetragenen Vorschlägen die Vernetzung der Behörden immer noch eine herausgehobene Rolle spielt (BMWi 2014, S. 42), obwohl erstens mit der Gewerbemeldestelle auf Grundlage von § 14 GewO bereits seit langem eine zentrale Annahmestelle für die wichtigsten Meldungen zur Unternehmensgründung existiert, zweitens viele Kommunen selbst seit über zwei Jahrzehnten mit One-Stop-Shops den Gründer in der Erledigung der Anforderungen verschiedener Stellen unterstützen und drittens mit der EU-Dienstleistungsrichtline von 2006 das zusätzliche Angebot des Einheitlichen Ansprechpartners (EA) geschaffen wurde.

Hier liegt eine der Hoffnungen, die mit der Digitalisierung verbunden ist. Der Gründer soll die Verwaltungsverfahren vollständig – von der ersten Information bis hin zur Übergabe an weitere Stellen – elektronisch erledigen können. Die Möglichkeiten dazu sind bereits vorhanden, wie beispielsweise das Strategiepapier zur digitalen Verwaltung der Stadt Hamburg oder die Fallbeispiele der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister betonen (Freie und Hansestadt Hamburg 2015, S. 3; Siegfried und Schumacher 2016, S. 8–9). Allerdings werden diese Möglichkeiten bislang nicht ausgeschöpft. Die Gründe dafür liegen oftmals weniger in den technischen Gegebenheiten als vielmehr in den analogen Voraussetzungen. Nicht immer lassen sich Verfahren ohne Weiteres in der digitalen Welt abbilden. Daher setzt der Schritt zu einer digitalisierten Verwaltung mehr denn je eine Aufgabenkritik – sowohl in Form einer Zweckkritik, aber vor allem einer Vollzugskritik – voraus (vgl. z.B. Heuermann et al. 2018, S. 248–249; Freie und Hansestadt Hamburg 2015, S. 5).

Dass Digitalisierung allein noch nicht zu einer Entlastung von Bürokratiekosten führt, lässt sich empirisch an der Einführung elektronischer Steuermeldungen zeigen. So konnten Eichfelder und Schorn (2012, S. 73) keine Entlastungen der Unternehmen infolge der Nutzung eines elektronischen Datenaustauschs mit den Finanzbehörden feststellen. Ein weiteres zu überwindendes Hindernis liegt in der Verteilung der Zuständigkeiten auf verschiedene Gebietskörperschaften. So sind für einige Gründungen nicht nur Behörden der Gemeinde, sondern auch des Kreises, des Landes und des Bundes relevant. Selbst eine engagierte Gemeinde hat somit nur einen begrenzten Einfluss auf den Aufwand einer Unternehmensgründung.

Wie schwer sich Behörden mit der Schaffung der Voraussetzungen effektiver Digitalisierung tun, zeigt der Bericht der Bundesregierung zur Verzichtbarkeit der Schriftform und des persönlichen Erscheinens, wonach nur ein Bruchteil der bisherigen Anforderungen entweder entfallen oder zugunsten einer elektronischen Lösung geändert werden können (BMI 2016, S. 1). Selbst wenn Heuermann (2018, S. 311) die von den Behörden vorgetragenen Gründe in dem Bericht zum Teil für zweifelhaft hält, so zeigt der Bericht letztlich doch nur, dass die jeweils betroffenen Behörden sich in erster Linie an der Erfüllung ihres Auftrags orientieren (vgl. zur Bedeutung der Mission einer Behörde Schorn 2012, S. 138) und damit verbunden der Rechtssicherheit einen hohen Stellenwert beimessen. In diesem Zusammenhang steht nicht zuletzt das Problem der Identifikation. Tatsächlich scheiterte die elektronische Übermittlung der Gewerbeanmeldung lange Zeit an einem verhältnismäßigen und rechtlich zulässigen Ersatz der händischen Unterschrift (vgl. z.B. Schorn et al. 2009, S. 60). Zwar besteht mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr seit 2001 die Möglichkeit einer Unterschrift mittels qualifizierter elektronischer Signatur, deren Gebrauch allerdings bei nur gelegentlicher Nutzung einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeutet. Selbst in den kommunalen Verwaltungen kommt die qualifizierte elektronische Signatur nur selten zum Einsatz (Fromm et al. 2015, S. 40). Diesen Flaschenhals hat das BMWi jedoch 2014 mit der Gewerbeanzeigeverordnung beseitigt, indem nun nicht mehr die aufwändigere qualifizierte elektronische Signatur, sondern einfachere Verfahren zur Anwendung kommen, wozu neben dem elektronischen Identitätsnachweis auch das PIN/TAN-Verfahren und die De-Mail gehören. Sollten die technischen Voraussetzungen selbst dazu nicht erfüllt sein, so genügt sogar eine Erklärung über die Identität oder der Scan des Personalausweises oder Reisepasses. So bietet denn auch zum Beispiel die Stadt Hamburg die Online-Gewerbeanzeige mittels elektronischer Ausweiskopie an.

Obwohl mit der Gewerbeanzeigeverordnung der elektronischen Übermittlung zumindest der Gewerbeanmeldung nichts mehr im Wege steht, bieten längst noch nicht alle Kommunen die digitale Option an. Opiela et al. (2019, S. 30) stellen fest, dass zwar der Anteil zwischen 2016 und 2018 gestiegen ist, bis letztes Jahr aber immer noch nur etwas mehr als ein Drittel der 301 untersuchten Kommunen die Gewerbeanmeldung online anbietet. Auch wenn dies gegenüber den Jahren davor ein Fortschritt ist, so erscheint dieser Anteil angesichts einer Vielzahl von Strategiepapieren der Kommunen zur Digitalisierung noch ausbaufähig zu sein. Hier zeigt sich, dass die vollständige und durchgängige Digitalisierung von Verwaltungsprozessen in einer Kommune – wie oben schon erläutert – schnell an Grenzen stoßen kann. So beschränken sich sogar Mustergemeinden der Digitalisierung auf rechtlich weniger kritische Angebote.

Bei aller Skepsis ist aber dennoch ein deutlicher Anstieg online gegründeter Unternehmen durch die Initiativen der Länder zu erwarten. So stellt zum Beispiel Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Juli 2018 über die Plattform Gewerbe.NRW zentral für alle Kommunen des Landes Gründern die Möglichkeit zur Verfügung, die Gewerbeanzeige online zu erstatten. Das Portal soll um weitere Funktionalitäten – hier sind vor allem die gewerberechtlichen Erlaubnisse zu nennen – erweitert werden (Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen 2018). Das Land Nordrhein-Westfalen entwickelt zudem gemeinsam mit dem BMWi und den Ländern Bremen und Hamburg im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) eine Musterlösung zum „Unternehmensstart“, die neben der Gewerbeanmeldung weitere damit zusammenhängende Verwaltungsleistungen einschließen soll.