4.3.1 Ein Ansatz aus der Strategieforschung zur Erarbeitung von Konstrukten und Konzepten

4.3.1 Ein Ansatz aus der Strategieforschung zur Erarbeitung von Konstrukten und Konzepten

Eine kommunale Digitalisierungsstrategie stellt keinen Selbstzweck dar. Vielmehr verbinden die Verfasser einer solchen Strategie die Erwartung, dass deren Umsetzung einen Beitrag zur Erfüllung ihrer kommunalpolitischen Aufgaben leistet. Die Frage lautet also: Was soll eine Kommune mit einer Digitalisierungsstrategie erreichen? Diese Frage wurde bereits im Rahmen der Diskussion des Zwecks dieser Untersuchung in Kapitel 2 behandelt, so dass an dieser Stelle auf die nochmalige Ausführung verzichtet wird. Zusammenfassend besteht der Zweck einer Digitalisierungsstrategie einer Kommune im Kontext zu den für eine Unternehmensgründung erforderlichen Verwaltungsleistungen in den folgenden Konstrukten:

  • Förderung einer Kultur der Selbstständigkeit
  • Optimierung der Verwaltungsleistungen (Prozesse, Service etc.)
  • Optimierte Anleitung für Gründer zur Vermeidung von Fehlern bei der Unternehmensgründung

Damit ist das Fundament für die weiteren Arbeiten gelegt. Mit den verfolgten Zwecken ist bereits ein Teil der Ziele einer Digitalisierungsstrategie beschrieben. Allerdings hängt der Erfolg einer Strategie immer auch von den beteiligten Gruppen oder anders ausgedrückt Stakeholdern ab. Zu dem, was im Rahmen einer Strategie unter Stakeholder zu verstehen ist, existiert eine umfangreiche Literatur, die bis in die frühen 1960er Jahre zurückgeht (Freeman 2010, S. 31). Mitchell et al. (1997, S. 865–868) haben auf Basis einer fachlich breit angelegten Literaturauswertung drei Merkmale herausgearbeitet: Macht, Legitimität und Dringlichkeit. Diese drei Merkmale knüpfen den Status eines Stakeholders an strenge Bedingungen, so dass für die hier betrachteten Digitalisierungsstrategien nur die an den Verfahren beteiligten Behörden und die Gründer selbst in Betracht kommen13. Die Einbeziehung der Stakeholder bedeutet allerdings nicht, dass mit der Strategie nun einfach den Wünschen dieser Gruppen entsprochen werden soll. Vielmehr gilt es aus Sicht der Kommune unter Berücksichtigung der zuvor formulierten Zwecke zu fragen, welches Verhalten von Behörden und Gründern zum Erfolg führt (Kenny 2012, S. 43). Zur Antwort wurden die nachstehend nach Behörden und Gründern getrennten Konstrukte erarbeitet:

  • Gründer
    - Breite Nutzung des digitalen Angebots
    - Mehr Verständnis für notwendige Verfahren
    - Weniger Fehler in Meldungen und Anträgen
  • Behörden
    - Unterstützung der digitalen Optionen
    - Verzicht auf nicht notwendige Anforderungen
    - Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben zum Schutz von Rechtsgütern

Nachdem nun die Ziele vollständig beschrieben sind, ist es erforderlich zu überlegen, welche Faktoren oder, anders ausgedrückt, Treiber einen Einfluss auf das Erreichen dieser Ziele haben. Denn nur, wenn die in der Erhebung zu erfassenden Ausprägungen einer Digitalisierungsstrategie an diesen Treibern ansetzen, hat die Strategie Aussicht auf Erfolg. Diese Vorgehensweise vermeidet das Problem von Scheinkorrelationen zwischen willkürlich gewählten Faktoren und einem vermeintlichen Erfolg, was die wirklichen Treiber verschleiern würde (March und Sutton 1997, S. 699; Mintzberg 1994, S. 92–93). Zu jedem der einzelnen Konstrukte gilt es daher, Treiber zu identifizieren, die die Erreichung der Zwecke und Ziele überhaupt erst ermöglichen. Im Einzelnen lieferten die Ausarbeitung und Diskussion die folgenden Treiber:

  • Die Behörde vermeidet den Eindruck, Gründer gehören kontrolliert und abgeschreckt.
  • Die Seiten und Formulare sind mehrsprachig.
  • Der Aufwand für die Gründer ist auf das Minimum begrenzt.
  • Das Angebot ist möglichst niederschwellig.
  • Angaben zu einer Gründung müssen nur einmal erfolgen.
  • Die Schnittstellen zwischen Gründer und Verwaltung sowie zwischen Behörden ermöglichen die digitale Übergabe der Informationen.
  • Die Behörde verzichtet auf gesetzlich nicht notwendige analoge Unterlagen.
  • Das Angebot der Kommune orientiert sich an der kognitiven Struktur der Gründer.
  • Angebote zu digitalen Verwaltungsleistungen sind einfach zu finden.
  • Die Verwaltungsleistung wird im Kontext zum Gesetz und zum gesamten Verfahren erklärt.
  • Das Angebot leitet den Gründer transparent durch das Verfahren.
  • Die Kommune verzichtet auf verwirrende alternative Verfahrenswege oder lässt diese zumindest nicht ohne Bezug auf die anderen Alternativen allein stehen.
  • Meldungen, Anzeigen, Anträge, Bescheinigungen und Erteilungen sind rechtssicher.
  • Mit der Digitalisierung der Verwaltungsleistung geht kein Kontrollverlust einher.

13 Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle die Stakeholder aus Sicht einer Kommune, die eine Digitalisierungsstrategie überlegt, gemeint sind und nicht die Stakeholder in dem Projekt.