Strategie in Unternehmen: 3. Beispiel

“Mehr Strategie” verordnen Management-Gurus kleinen und mittleren Unternehmen. Und was heißt das in der Praxis? Wir haben Mittelständler bei Strategieprozessen begleitet und stellen Erkenntnisse daraus hier vor. Ein Dienstleister und zwei Industrieunternehmen, alle drei vergleichbar groß (ca. 26 – 52 Mitarbeiter), wachsen und planen strategisch ihre weitere Expansion. Im Mittelpunkt stehen daher die vier prioritären strategischen Schlüsselgrößen: Marktpositionierung, Produktivität, Innovation und Attraktivität für das passende Personal. Das 3. Unternehmensbeispiel ist ein Industrieunternehmen: 

Wachstum im Spagat als Preis- und Qualitätsanbieter

Das Unternehmen mit 52 Mitarbeitern wächst in vier Produkt-/Marktkombinationen mit dem Markt, in einigen stärker als der Markt, und damit wächst auch sein Marktanteil.
Die größte Produkt-/Marktkombination (Hauptsegment) mit 40 % Umsatzanteil  ist auch die profitabelste. Sie trägt deutlich überdurchschnittlich zum Umsatz und zur Gesamtprofitabilität des Unternehmens bei. Möglicherweise bestehen interne Quersubventionierungen.

Ein weiteres überproportionales Wachstums des Hauptsegmentes birgt das Risiko einer Vergrößerung der Abhängigkeit des Unternehmens von nur wenigen großen Kunden. Einerseits ist also dessen Wachstum unverzichtbar, andererseits darf dessen Umsatzanteil die 40%-Marke nicht nennenswert übersteigen.

Aus diesem strategischen Dilemma bieten sich zwei (strategische) Auswege an:

  1. das Unternehmen muss insgesamt profitabler werden, nicht nur im Hauptsegment – das heißt vor allem, dessen gute Kostenstrukturen noch konsequenter auf die gesamte Produktion zu übertragen
  2. Neupositionierung auf einem weiteren Markt mit (ebenfalls) stabilen Abnehmerstrukturen, der auch vergleichbar gute Margen verspricht. Ein solcher Markt ist ‚in Sicht’, allerdings mit nur einem großen Kunden mit professionellem strategischen Einkauf und mit neuen Wettbewerbern – eine erhebliche strategische Herausforderung.

Auf dem Weg vom Lohnfertiger zum Anbieter komplexer Bauteile hatte das Unternehmen bisher bereits seine Fertigungstiefe durch Erweiterung des Spektrums seiner Bearbeitungstechnologien und entsprechend seines Maschinenparks deutlich vergrößert. Der Preis dafür ist zunächst eine (zu) geringe Auslastung teurer Anlagen und entsprechend suboptimale Kostenstrukturen in der Produktion. Als Ausweg bietet sich an, weiterhin in begrenztem Rahmen Lohnfertigerjobs auszuführen, die den Auslastungsgrad der teuren Anlagen (und damit die Produktivität) verbessern. Dies ist (für eine gewisse Übergangszeit) auch strategisch geboten, weil die Kostenstrukturen in der Produktion für die ambitionierten Wachstumsziele den hauptsächlichen Schwachpunkt bilden.
Damit hätte das Unternehmen auch in Zukunft mehrere, und vor allem unterschiedliche Märkte  zu bedienen und zu bearbeiten: Sowohl Qualitätsmärkte, als auch Preismärkte.

Entweder – oder

Ein und dieselbe Produktion auf beides – Qualitäts- und Preismärkte – auszurichten, ist eine anspruchsvolle Herausforderung und führt in der Praxis immer wieder zu Reibungen. Es kann eine wichtige strategische Option sein, mittelfristig das Unternehmen entweder als Anbieter auf einem Qualitätsmarkt, oder als Anbieter auf einem Preismarkt zu positionieren. Da letzteres nicht (mehr) in Frage kommt, bleibt (nach einer Übergangszeit) nur ersteres.

Intern erfordert die Umsetzung der Wachstumsziele die organisatorische Ausdifferenzierung von Funktionen, die zukünftig nicht mehr nebenher erledigt werden können. Dies gilt besonders für die Produktionsplanung und -steuerung, evtl. in Form der Einrichtung einer Arbeitsvorbereitungs-Abteilung, und/oder durch operative Entlastung und Weiterqualifizierung der Meister sowie für Teile der Personalarbeit (Personalrekrutierung, -entwicklung und Ausbildung).

Lesen Sie auch das Beispiel eines Strategieprozesses in einem Dienstleistungs- und einem weiteren Industrieunternehmen.