Das Konzept aus Ausbildungsmesse und Tag der offenen Tür in verschiedenen ansässigen Unternehmen kam bei den Jugendlichen an: Im Besonderen die Ausbildungsmesse war gut besucht.

Eine gute Idee

Die Idee hat etwas für sich: Man nehme eine Ausbildungsmesse, führe diese direkt an einer Schule durch, um sich der Zielgruppe zu versichern, und binde die Unternehmen aus dem Ort sowohl bei der Messe als auch darüber hinaus ein. Das Ergebnis war am 6. März in Oberursel (Taunus) zu bestaunen. Die dritte Oberurseler Ausbildungstour war Ausbildungsmesse und Aktionstag der ausbildenden Unternehmen in einem. Im Zeitraum von viereinhalb Stunden pendelten auf zwei Routen im Viertelstundentakt Shuttlebusse zwischen dem Bahnhof, der Hochtaunusschule, wo die Messe stattfand, und den teilnehmenden Unternehmen hin und her. Jeder, der wollte, konnte so kostenlos und rasch dahin gelangen, wohin ihn sein Interesse führte.

Rund 50 Unternehmen aus Oberursel und Umgebung stellten sich vor, knapp 15 Betriebe öffneten ihre Türen und luden die Jugendlichen zu sich ein, Informationen über das Unternehmen und die Ausbildungsberufe zu sammeln. Von einer kleinen inhabergeführten Buchhandlung über ein Automobil- sowie ein Touristikunternehmen bis zu Supermarktketten war den Jugendlichen viel geboten. Aktionen und weiterführende Informationen zu den Ausbildungsberufen sollten den Schülern dort vor Ort die Möglichkeiten, die sich ihnen bieten würden, aufzeigen.

Im Gespräch

Besonders die kleinen und kleinsten Betriebe haben es schwer, wenn es um das Besetzen von Ausbildungsstellen geht – der Trend ist dahingehend eindeutig, unabhängig von Branche und Region. Beim Aktionstag in Oberursel war die Gelegenheit günstig, darüber mit Beteiligten ins Gespräch zu kommen.

Die Buchhandlung Libra liegt nahe des Oberurseler Zentrums und der Fußgängerzone. Helga Heinicke-Krabbe und ihr Team nahmen zum ersten Mal an der Oberurseler Ausbildungstour teil – auch in der Absicht, in diesem Jahr auszubilden. Es ist der zweite Versuch, denn vor vier Jahren hatte die Inhaberin schon einmal vor, einen Azubi aufzunehmen. Der Vertrag war bereits unterschrieben, jedoch fing der Auszubildende niemals an. Leider keine Seltenheit und ein Phänomen, das zunimmt: Mehr und mehr Auszubildende unterschreiben gleich mehrere Verträge und suchen sich daraufhin den ihrer Meinung nach geeignetsten Ausbildungsplatz aus – und manche sagen nicht mal den anderen Ausbildungsbetrieben ab.

Zwei gute Gründe gab es für das Gespräch mit Frau Heinicke-Krabbe: Zum einen ist die Buchhandlung ein gutes Beispiel der Oberurseler Ausbildungstour, zum anderen ist das Gespräch aufschlussreich für das neue Projekt des RKW Kompetenzzentrums "Ausbildungsmarketing für Klein- und Kleinstbetriebe". Auf die Frage, wie sie diesen Aktionstag bewerte, antwortete die Inhaberin positiv: Es habe sich gelohnt – schon alleine deshalb, weil Bewerbungen abgegeben wurden. Vorher habe es keine gegeben.

Ich erkundigte mich über die Bewerbergruppen, die infrage kämen, und erfuhr, dass das Suchraster weit gefasst sei. Vom Studienabbrecher bis hin zum Realschüler – alle seien potenzielle Kandidaten. Und alle Bewerber müssten auch zur Probe arbeiten.

Die längere Unterhaltung mit der Inhaberin war nicht im Sinne eines Interviews geführt, sondern eher eines Hintergrundgesprächs. Das Gehörte bestätigt den Trend: Ausbildung wird als Maßnahme erster Wahl gesehen, wenn es um Fachkräftegewinnung für die Zukunft geht. Aber die Ausbildungsstellen zu besetzen wird nicht einfacher. Ebenso ist es schwieriger geworden, den richtigen (Kommunikations-)Weg zu wählen, um die Jugendlichen zu erreichen. Ein Fingerzeig, dass Ergebnisse aus Projekten wie das zum Azubimarketing für kleinere Betriebe hilfreich sein können, die aktive Bewerbersuche erfolgreicher zu gestalten.

Aus Verbandssicht

Es waren nicht nur Unternehmen auf der Ausbildungsmesse vertreten. Neben den Partnern der Veranstaltung wie der IHK Frankfurt, der Agentur für Arbeit Bad Homburg oder aber die beiden Schulen gab es unter den Ausstellern auch Organisationen, die als Interessenvertreter ihrer Mitglieder präsent waren. Vom Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen (Hessenmetall Bezirksgruppe Rhein-Main-Taunus) beispielsweise war Dr. Birgit Ledüc am Stand. Mit ihr unterhielt ich mich über Verbandsarbeit rund um das Thema Ausbildung.

Erfahrungen sind gemischt

Ausbildungsmessen sind als Maßnahme gängige Praxis, um Schüler als potenzielle Azubikandidaten zu erreichen. Aber Ausbildungsmesse sei nicht gleich Ausbildungsmesse, so Frau Ledüc. Ob eine Ausbildungsmesse erfolgreich sei, die Schüler entsprechend erreiche, hänge sehr vom Engagement Einzelner ab: der Lehrer, der Unternehmen selbst sowie teilweise auch der Eltern (mehr in einem Interview im April).

Und wie fällt das eigene Resümee aus? Schwierig, sich da festzulegen. Die Ausbildungsmesse war gut organisiert, gut besucht und auch innovativ in ihren Aktionen. So viel ist sicher.

Über lange Wege und Einsichten

Aber aus dem Blickwinkel unseres Projektauftrags betrachtet:

Eine hohe Beteiligung ist nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit entsprechendem Erfolg. Das ist aber nicht der Veranstaltung – als Maßnahme zur Berufsorientierung und des unternehmerseitigen Azubimarketings – geschuldet, sondern begründet sich durch die Komplexität und die Dauer dieses Prozesses, den die Jugendlichen durchlaufen müssen. Von der Notwendigkeit der Schüler, sich beruflich zu orientieren, über die eigene Einschätzung und Informationssammlung hin zur Bildung von Präferenzen und einer Entscheidung ist es ein langer Weg. In den seltensten Fällen stellt sich ein Unternehmen vor und überzeugt den Jugendlichen, dass jenes Unternehmen das richtige für die Ausbildung sei – und auch die Schüler entscheiden normalerweise nicht aus dem Bauch heraus. Und das ist gut so, denn so schnell getroffene Entscheidungen führen häufig zu falschen, da wenig realistischen Vorstellungen und letztlich immer wieder zu abgebrochenen Ausbildungen. Hier gilt es für die Unternehmen, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Was heißt das also? Unternehmen müssen sich klar darüber werden, dass die Besetzung von Ausbildungsstellen kein Selbstläufer mehr ist, sondern zusätzliches Engagement braucht – und Azubimarketing. Maßnahmen wie die Teilnahme bei einer solchen Ausbildungsmesse sind notwendig, aber nicht hinreichend. Vor allen Dingen nicht einzelne Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip.

Es ist ein wenig wie mit dem Zitat von Laotse: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt, in dem Fall beispielsweise mit einer Ausbildungsmesse. Dieser Metaphorik darf man sich ruhigen Gewissens bedienen: Dieser lange Weg, den gehen die Jugendlichen und die Unternehmen gleichermaßen, oder sollten ihn gehen, ehe sie zusammenfinden. Aber je länger sie ihn vorher gemeinsam gehen, desto länger werden sie ihn in Zukunft auch zusammen beschreiten können. Was das genau bedeutet, warum zum Beispiel Praktika vor einer Ausbildung elementar sind und Unternehmen und Praktikanten dazwischen Kontakt halten sollten, auf welche Weise Unternehmen ihre Bewerbersuche noch angehen können und wie wichtig Arbeitgeberattraktivität ist usw. – all das wird Teil des neuen Projekts "Ausbildungsmarketing für Klein- und Kleinstbetriebe" sein. Begleiten Sie uns hier auf diesem Blog ebenfalls auf unserem langen Weg zu den Projektergebnissen. Die Möglichkeit werden wir Ihnen jedenfalls bieten …

Das Projekt "Ausbildungsmarketing für Klein- und Kleinstbetriebe" läuft bis Ende 2015. Zentrale Ergebnisse dieses Projekts werden in einem Faktenblatt und vier Leitfäden veröffentlicht, die im Herbst gebündelt in einer Mappe erscheinen werden. Thematisiert werden die folgenden Inhalte: 

  • Ausbildungsmarketing – was bringt es?
  • Attraktiver Ausbildungsbetrieb: Was gehört dazu und wie wird man es?
  • Aktive Bewerbersuche: Wie und wo Jugendliche richtig ansprechen?
  • Schülerpraktika – die Praktikanten von heute sind die Azubis von morgen
  • Beispiele abseits des Mainstreams