Institut für Bauforschung e. V.

Kompetenz ist definitiv keine Frage des Geschlechts

Heike Böhmer ist seit 2008 Leiterin des Instituts für Bauforschung e. V. in Hannover. Angefangen hat sie dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin, stieg zur Abteilungsleiterin auf und übernahm dann die Leitung der Einrichtung. Im seit 1946 bestehenden Institut werden europäische, bundes- und landesweite, aber auch private Forschungsund Praxisprojekte bearbeitet. Trotzdem geht es familiär zu.

Motiviert durch ihren familiären Hintergrund väterlicherseits ist Heike Böhmer mit dem Bau aufgewachsen. Das Bauen war zu Hause schon immer Thema, und so wurde ihr technisches Interesse bereits in der Kindheit geweckt. Etwas anderes als sich mit technischen Themen zu beschäftigen, kam für sie nie in Frage. Für das Ingenieurwesen hat sie sich besonders interessiert. Bauingenieurwesen umfasst für sie viele Interessen, kombiniert Theorie und Praxis und was es im Detail und im Alltag bedeutet, kannte sie ja von klein auf.

Die Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten ergaben sich dann eher zufällig, im Studium durch ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft an einem Forschungslehrstuhl an der Bauhaus-Uni in Weimar und einem Praxissemester an der Materialprüfanstalt für das Bauwesen und Produktionstechnik (MPA) der Universität Hannover. Die beruflichen Möglichkeiten boten sich vor allem durch die Entwicklung des Instituts. Genutzt hat sie alle Angebote und Chancen, um „im Kopf nicht stehenzubleiben“. Auch als sie zwei Jahre in Elternzeit war, pflegte sie engen Kontakt zum Institut, das ihr anschließend viele Freiheiten und Unterstützung gab, um Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Ohne zu zögern hat sie dann später auch das Angebot angenommen, das Institut zu leiten.

In ihrer jetzigen Führungsposition hat Heike Böhmer eigentlich nur gute Erfahrungen gemacht, wobei sie das selbst als ganz normal bezeichnen würde. Wenn jemand erstaunt darüber ist, dass sie als Frau eine solche Position innehat, fragt sie sich: „Warum eigentlich?“

Karrierehemmnisse gab es für Frau Böhmer nicht. Die Menschen in ihrem Umfeld sind eher neutral dem Thema Frauen und Männer gegenüber eingestellt. „Ganz ehrlich, ich bin niemand, der Unterschiede zwischen Frauen und Männern sieht. Kompetenz ist definitiv keine Frage des Geschlechts“, sagt sie. Wenn überhaupt, sieht sie in der sozialen Kompetenz einen kleinen Vorteil von Frauen, aber auch das verschwimmt ihrer Meinung nach zunehmend. „Die Zahl der Männer, die einem vermeintlich klassischen Rollenbild entspricht, wird immer kleiner. Wichtige Eigenschaften sind für mich vor allem fachliche und soziale Kompetenz, Teamfähigkeit und Eigenverantwortung, die brauchen sowohl Männer als auch Frauen.“

Heike Böhmer denkt, dass Frauen in der Unternehmensführung oder gemischte Führungsteams von Bauunternehmen zukünftig eine größere Rolle spielen werden. Aber dies liege sicher nicht an einer verordneten Frauenquote. Sie sieht die Gründe vielmehr in höheren und komplexeren Anforderungen der Baubranche, die die Aktivierung und Zusammenarbeit aller kompetenten Fachkräfte erfordert, um national und global nicht „auf der Strecke zu bleiben“. Allein die Digitalisierung der Baubranche wird noch einmal mehr die Anforderungen verändern.

„Ich bin gerne Institutsleiterin, weil ich innerhalb gewisser Rahmenbedingungen sehr viele Möglichkeiten habe, zu gestalten und zu entwickeln. Gleichzeitig lerne ich auch selbst immer dazu. Das ist eine gute Kombination zwischen Freiheit und Verantwortung“, so Heike Böhmer.

Jungen Frauen, aber eigentlich allen Schulabgängern, die gerade in der Berufsorientierung sind, möchte sie auf den Weg geben, dass sie versuchen sollten, möglichst früh, ihre Interessen und Talente zu entdecken und diese zu nutzen. „Lasst Euch nicht von uralten oder vermeintlich üblichen Berufs- oder Rollenbildern davon abhalten, etwas zu lernen oder zu studieren, was Euch interessiert. Im Berufsalltag spielt es kaum noch eine Rolle, wer oder was man ist, sondern was man kann, und wie man seine Aufgaben erfüllt. Ihr könnt gut sein und viel erreichen, wenn Ihr es wollt und vor allem Spaß am qualitätsvollen Planen und Bauen habt!“

Aber auch den Unternehmen möchte sie Mut machen. „Auch als kleines Unternehmen kann man fern von monetären Anreizen bei seinen (potentiellen) Fachkräften punkten, in dem man offen ist, eine familiäre Unternehmenskultur pflegt und bietet, wie zum Beispiel flexible Arbeitszeiten.“