Mehr Frauen in die Bauwirtschaft

Der deutsche Mittelstand braucht Fachkräfte! Insbesondere Bauunternehmen klagen immer häufiger, dass die Besetzung offener Stellen im Durchschnitt wesentlich länger dauert oder keine Nachwuchs- und Fachkräfte mehr zu finden seien. Damit ist der Fachkräftemangel in der Baubranche zu einem der größten Risiken für die Geschäftsfähigkeit der Unternehmen geworden. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Bauleistungen immer weiter an. Niedrige Zinsen haben einen Boom für den Wohnungsbau ausgelöst, hinzukommen zusätzliche Mittel der öffentlichen Hand für den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Nach der Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zum Jahresbeginn 2017 planen deshalb 86 Prozent der Bauunternehmen (Hoch- und Tiefbau) deshalb höhere Einstellungen. 1

1 Konjunkturumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Januar 2017

Angesichts dieser Rahmenbedingungen werden Bauunternehmen mittel- und langfristig auf das Arbeitskräftepotential von Frauen angewiesen sein. Derzeit werden allerdings die Möglichkeiten und Chancen für die Beschäftigung von Frauen in der Branche vielfach noch nicht ausreichend akzeptiert und genutzt. In Deutschland kann dies historisch begründet werden, schließlich galt in den alten Bundesländern bis 1994 ein gesetzliches Beschäftigungsverbot für Frauen im Baugewerbe. Ein Blick ins Ausland, über die Grenzen von Europa hinweg, zeigt aber, dass dort die Beschäftigung von Frauen am Bau als völlig normal angesehen wird. Das Argument, Frauen seien für Bautätigkeiten nicht geeignet, wird dort nicht angeführt.

Diese Sichtweise ist hierzulande noch nicht etabliert. Damit sind Frauen in der Baubranche weiterhin noch eine Ausnahme. Verschiedene Forschungsansätze bestätigen, dass die Geschlechtergleichstellung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht ausschließlich auf börsennotierte Unternehmen oder Konzerne angewendet werden sollte. Frauen bringen viele Vorteile mit in die Unternehmen, nicht nur in Führungspositionen. Grundsätzlich bleibt aber festzuhalten, dass junge Frauen zunächst einmal umfassendere Kenntnis über die 18 Ausbildungsberufe im Bauhauptgewerbe erlangen müssen. Für eine Tätigkeit in der Branche sollte nicht das Geschlecht als Auswahlkriterium herangezogen werden sollte, sondern vielmehr das Interesse und Talent.

Ziel des Projekts ist es somit, Frauen verstärkt für die Baubranche zu interessieren und sie über mögliche Berufe aufzuklären. Wichtige Themen sind aber auch eine ausgewogene Work Life Balance, Gender Diversity und ein besseres Branchenimage. Dies kann beispielsweise durch neue, innovative Ansätze in den Unternehmen, unter anderem durch die fortschreitende Digitalisierung, erreicht werden. Arbeitsschutz und belastungsärmere Arbeitsplätze spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gewinnung von Frauen für die Bauwirtschaft. Um speziell junge Frauen für die Branche zu begeistern, bedarf es jedoch mehr. Grundsätzlich muss sich etwas in den Köpfen der Entscheider ändern. Die Unternehmensleitung muss hinter der Entscheidung stehen, auch (mehr) Frauen zu beschäftigen und die Rahmenbedingungen hierfür schaffen. Zudem brauchen Frauen Vorbilder und wollen nicht nur zur Erfüllung einer vorgegebenen Frauenquote unterstützt werden. Deshalb berichten in dieser Handlungsempfehlung Frauen, über verschiedene Hierarchieebenen hinweg, über ihre Tätigkeit in der Baubranche, und wie erfolgreich sie dabei heute schon sind.

Unser besonderer Fokus liegt dabei auf Bayern. Aufgrund der geringen Arbeitslosenquote und guter Kapazitäten für Ausbildungsplätze orientieren sich Frauen in Bayern eher in andere Branchen und entscheiden sich bei der Berufswahl für einen traditionellen Frauenberuf. Das Projekt wird daher durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie gefördert und von den Bayerischen Bauverbänden und der IG-BAU unterstützt.