Es gab für mich mit 57 Jahren keinen Job, also habe ich mir den erschaffen. Hinzu kommt: Mit alten Menschen zu arbeiten ist so dankbar und man hat dabei tolle Erfolgserlebnisse.

Wolfgang Kreidl ist der Chef von 60Plus-NRW. Er ist Einzelgründer und bringt Senioren bei, mit PC und Internet umzugehen. Das Besondere für ihn dabei ist: Seine Kunden erwarten ein bestimmtes Lerntempo. Das tut allen Beteiligten gut - sowohl den Schülern als auch dem Trainer.

Kurzprofil                                        

  • Gründer: Wolfgang Kreidl
  • Unternehmen: 60Plus-NRW
  • Standort: Krefeld (NRW)
  • Gründungsalter: 57 Jahre
  • Gründung: 2012
  • Mitarbeiter/innen: 0

 

Herr Kreidl, Sie haben als Angestellter über viele Jahre Hard- und Software verkauft. Dann haben Sie sich 2012 mit der Firma 60Plus-NRW selbstständig gemacht. Was war der Grund dafür? Und was bieten Sie an?

Wolfgang Kreidl: Ich biete PC-Schulungen und Software für Senioren an. Der Anlass dafür war, dass der Verkauf und Vertrieb von Computerhard- und Software, in dem ich gearbeitet habe, so rückgängig war, dass überall Firmen dicht machten und ich mich somit umorientieren musste.

Wie sind Sie auf Ihre Geschäftsidee gekommen?

Genau. Was es gab, waren die Seniorenkurse der VHS. Aber alle haben über die VHS gemeckert, weil die Kurse mit viel zu vielen Leuten abgehalten wurden. Da kamen die Älteren einfach nicht mit zurecht.

Das war Ihre Chance.

Wolfgang Kreidl: So ist es. In dem Augenblick, wo bekannt wurde, dass es nun Kurse in kleinen Gruppen oder im Einzelunterricht und  in einem Tempo speziell für Senioren gibt, war plötzlich ein unheimliches Echo da.

Sie bieten ein eigenes Lerntempo an und außerdem auch noch eine spezielle Software. Was hat es damit auf sich?

Wolfgang Kreidl: Ich stellte fest, dass die Leute genau in diesem Altersbereich oft unfähig sind, Computer zu bedienen. Aber der Bedarf danach besteht. Unsere Idee kam da wie gerufen: Wir könnten das wesentlich vereinfachen, indem wir eine softwaremäßige Hilfe mit einer statische Oberfläche bauen, die die älteren Menschen nicht verwirrt. Und dann haben wir unser Programm auf die Beine gestellt, immer im Kontakt mit den Leuten. Und wir haben dann versucht, das Ganze so runterzubrechen, bis wir bei unserem Produkt PC „Spätschicht“ waren. So heißt die Software, die ich zusammen mit meinem Programmierer-Bekannten, den ich schon seit 30 Jahren kenne, entwickelt habe.

Ich habe tolle Erfolgserlebnisse. Zum Beispiel habe ich eine 86-Jährige, die mit Hilfe unseres Programms innerhalb von drei anderthalb Stunden einen PC bedienen konnte. Sie konnte ins Internet, sie konnte E-Mails verschicken, sie konnte Briefe schreiben, sie konnte Filme und Bilder anschauen und Musik hören. Sie hat einen Kalender, sie hat einen Kontakte-Ordner und sie kann fremde Programme aufrufen.

Tolle Sache.

Das war auch der Auslöser für die Idee, ein System zu entwickeln, Trainer zu helfen, sich selbstständig zu machen, beziehungsweise, wenn die sich selbstständig machen, sie mit unserem Service zu unterstützen. Und da sind auch gerade Leute über 50 Jahren gefordert, weil die jungen Leute beim älteren Publikum ganz einfach nicht ankommen.

Herr Kreidl, Sie waren schon 57 Jahre. Was war besonders hilfreich oder möglicherweise auch schwierig?

Ja, zum einen hatte ich Schwierigkeiten bei Banken, mir Geld zu leihen, wenn die Idee sie nicht sofort umwirft. Zum anderen ist das Problem dann meistens, den Richtigen zu finden, der überhaupt versteht, worum es geht. Wenn einer sagt: „Ich kaufe ein Haus“, dann antworten die: „Okay, wir gucken uns das Haus an“. Dann können wir was ausrechnen und so weiter, das steht alles fest. Aber bei so einer Geschichte kann man natürlich nur sagen: „Ja, wir hoffen und möchten und würden gerne“. Daran kann man natürlich nichts festmachen.

Wofür brauchten Sie Geld von der Bank?

Um unsere Software in den Markt zu bringen. Wir haben es natürlich versucht, aber wir sind eine Zwei-Mann-Firma, die keiner kennt. So, und dann gehen Sie mal hin und sagen: „Wir wollen jetzt in den Markt und hier verkaufen“, da lachen Alle. Wir haben um die 20.000 Euro für die Software-Produktion angefragt. Die Antwort war „nein“, die Bank wollte nicht. Jetzt ist es so, dass ich alles in Eigenproduktion mache, die Handbücher drucke, binde und so weiter.

Noch mal zu der Frage zurück, ob es aufgrund Ihres Alters Schwierigkeiten bei der Gründung gab.

Das kommt dazu. Ich war schon einigen Fragen konfrontiert: „Sie fangen jetzt in diesem Alter an? Das geht ja nur noch ein paar Jahre. Und Sie schaffen das?“

Gab es auch positive Erfahrungen wegen Ihres Alters?

Ja, klar. Mit älteren Menschen zu arbeiten, das ist sehr entspannend. Die ganze Hektik, die man sonst mit jüngerem Publikum hat, ist  hier nicht zu finden. Man wird zwar sehr gefordert, aber es ist eine sehr, sehr dankbare Arbeit. Was wir schon an E-Mails erhalten haben, wie glücklich wir die Leute machen konnten, da können wir echt froh sein. Außerdem bekommen wir mal ein Fläschchen Wein oder selbst gebackene Plätzchen zu Weihnachten. Es macht richtig Spaß! Und das kann man nicht bei jedem Job sagen.

Wenn man Experten fragt, wie genau man ältere Gründer unterstützen kann, sagen diese oft: am besten auch durch ältere Berater. Was ist bei älteren Beratern anders?

Sie verstehen, dass eben alles etwas langsamer  vor sich geht. Das können junge Leute kaum nachvollziehen. Ab einem gewissen Alter ist man nicht mehr so schnelllebig und da muss man sich drauf einstellen können.

Nach zweieinhalb Jahren läuft Ihr Geschäftsmodell?

Im Moment sieht es ganz gut aus. Wir haben jetzt noch einmal eine Firma aus dem Behindertenbereich gewinnen können. Sie haben von uns eine Sonderversion unserer Software mit einer eingebauten Bildschirmtastatur und ein paar Features mehr erhalten. Wie haben jetzt außerdem noch Kontakt zu einer Firma aus Oldenburg, die deutschlandweit in hundert Städten mit Trainern vertreten ist. Sie möchte auch eine eigene Version der Software haben, unter einem eigenen Namen. So wird sich die Software langsam verbreiten, zwar unter drei Namen, aber das ist dann auch egal. Hauptsache wir helfen den Leuten.

Wenn jemand Älteres vor Ihnen säße, der nicht weiß, ob er sich selbstständig machen soll oder nicht. Was würden Sie ihm raten?

Er sollte sich erst mal darüber klar werden, was auf ihn zukommt. Es hört sich immer gut an: „Ich mache mich selbstständig. Dann lease ich mir ein großes dickes Auto, und dann geht es mir gut.“ Das ist natürlich alles Quatsch! Man muss sich wirklich vorab Gedanken machen: „Was muss ich überhaupt machen und beachten? Wie ist das mit dem Finanzamt zu regeln?“ Usw. Das klärt sich meistens, wenn man wirklich den ganzen Katalog durchgeht. Dann wird man sich sehr schnell bewusst, ob man sich wirklich selbstständig machen will oder nicht.

Würden Sie noch einmal gründen?

Ja, von dem Echo her gesehen auf jeden Fall. Das ist schon super, wenn ich sehe, was die Leute damit erreichen. Wir sind auf dem richtigen Weg! Ich würde das jederzeit noch mal machen.

Weitere Informationen zur "PC-Spätschicht" auf www.60plus-nrw.de

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