4.3 Ausrichtung der Digitalisierungsprojekte

Das RKW Digitalisierungs-Cockpit diente den Projektakteuren, den Coaches wie auch den Auszubildenden und Entscheidern in den Unternehmen, als Orientierungsrahmen zur Identifizierung von Digitalisierungsbedarf und zur Verortung der Azubiprojekte in Handlungsfeldern und Funktionsbereichen der Unternehmen.

Wie bereits dargestellt, unterscheidet das Digitalisierungs-Cockpit vier Handlungsfelder Prozesse, Angebote, Kanäle und Geschäftsmodelle, die dann jeweils weiter nach Stoßrichtungen untergliedert werden. Nicht immer können dabei allerdings klare Grenzlinien gezogen werden. So gab es in den Digiscouts®-Projekten Übergänge zwischen den Stoßrichtungen der Digitalisierung, beispielsweise waren neue interne Prozesse für veränderte Angebote oder digitale Wege der Kundenbindung zu etablieren. Auch gab es Verknüpfungen zwischen bereichsbezogenen Ablaufoptimierungen und übergreifenden Verbesserungen der Steuerfähigkeit. Gleichwohl ergaben die Auswertungen ein klares Bild:

Die auf interne Prozesse bezogenen Aktivitäten der Digitalisierung dominierten klar das Geschehen. Insgesamt 80 Prozent der Digitalisierungsprojekte waren dem Handlungsfeld Prozesse zuzuordnen. Überwiegend, bei 60 Prozent aller Projekte, ging es darum, die Abläufe in den Unternehmen zu digitalisieren. Es handelte sich um bereichsbezogene Maßnahmen zur Automatisierung, Unterstützung und Optimierung von Abläufen. Zum Beispiel ging es um Ersatz für papierhafte Prozesse oder die Optimierung von Schnittstellen.

Unter dem Handlungsfeld Prozesse waren überdies auch Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerfähigkeit zu verbuchen. Sie hatten einen Anteil von 26 Prozent an allen Digitalisierungsprojekten. In diesen Projekten gerieten Bereiche übergreifende Verbesserungen bei der betriebswirtschaftlichen Steuerung ins Blickfeld, zum Beispiel durch Einführung digitaler Warenwirtschaftssysteme.

Die Handlungsfelder digitale Kanäle und vor allem neue Angebote spielten bei den Azubi-Projekten eine geringe Rolle. Zusammengenommen wurden in lediglich 14 Prozent der Digitalisierungsprojekte solche auf Märkte und Kundschaft bezogenen Maßnahmen durchgeführt. Im Einzelnen ging es um digitale Kanäle, die zur Erschließung, Beratung und besseren Bindung der Kundschaft dienten, wie digitale Kommunikation und Onlineshops. In einem Projekt wurde auch ein neuartiges digitales Angebot entwickelt.

Für die deutliche Dominanz prozessbezogener Digitalisierungsprojekte und speziell der auf Ablaufoptimierung abzielenden Projekte gegenüber markt- und kundenbezogenen Maßnahmen können Gründe genannt werden:

Eher kleinräumige Maßnahmen der Ablaufoptimierung sind operativ „griffiger“ und daher in den nicht allzu groß dimensionierten Digiscouts®-Projekten leichter zu handhaben als weitreichende Digitalisierungsprojekte. Sie passen typischerweise besser zu den Handlungsbezügen der Azubis als Projekte auf den Gebieten Markt und Kundschaft oder auch Steuerfähigkeit, die starke Bezüge zu Geschäftspolitik und Unternehmensstrategie aufweisen.

Überdies zeigen die Befunde zu Digitalisierungstrends in der mittelständisch geprägten deutschen Betriebslandschaft ein klares Übergewicht für vorsichtige Prozessinnovationen: Eher unspektakuläre und inkrementelle Verbesserungen von Leistungsprozessen und Herstellungsverfahren prägen die - bisher zumindest - durchaus erfolgreichen Innovationen und Rationalisierungsstile, während radikale Neuheiten und innovative Geschäftsmodelle nicht so hoch im Kurs stehen.

Erkennbar sind auch Unterschiede innerhalb der Gruppe der „Prozessoptimierenden“. Die Firmen, die ihre Azubiteams mit Projekten der Ablaufoptimierung betrauten, setzten die „digitale Durchdringung“ und den „Einfluss der Digitalisierung auf den Geschäftserfolgt“ höher an als die Firmen, die mit den Digiscouts-Projekten an einer besseren Steuerfähigkeiten arbeiteten.

Wirft man einen Blick auf die Einschätzungen der Unternehmen zum Stand der Digitalisierung zu Beginn des Digiscouts®-Projektes, dann fällt ins Auge, dass die Firmen, die sich für markt- und kundenbezogene Maßnahmen entscheiden, ihren Digitalisierungsgrad vergleichsweise niedrig einschätzen. Hinsichtlich der „digitalen Durchdringung unternehmensinterner Prozesse“, der „Nutzung digitaler Technologien und Dienste“ und in besonders hohem Maße des „Einflusses der Digitalisierung auf den Geschäftserfolg“ gaben diese Unternehmen mit um die 40 Prozent deutlich niedrige Werte an, als die Firmen die Digitalisierungsprojekte auf den Gebieten der Prozesse durchführten (Werte von rund 50 bis 60 Prozent).

Die Daten zu Handlungsfeldern und Stoßrichtungen der Digitalisierung deuten auf Unterschiede in den Motivlagen der beteiligten Unternehmen bei ihren Projekten hin. Die Firmen, die mit ihren Azubiprojekten an ihren internen Prozessen arbeiteten, wollten ihre Stärken stärken. Sie knüpften an erprobten und bewährten Digitalisierungsmustern an. Deutlich wird dies insbesondere bei den „Ablaufoptimierenden“ und mit Abstrichen auch bei den Firmen, die Projekte zur Verbesserung der Steuerfähigkeit durchführten.

Bei den markt- und kundenbezogenen Projekten ging es hingegen wohl eher darum, digitale Optionen neu zu erschließen und den als gering erachteten geschäftspolitischen Stellenwert von digitaler Technologie zu erhöhen.

Neben Handlungsfeld und Stoßrichtung der Digiscouts®-Projekte ist auch der Bezug zu den betrieblichen Wertschöpfungsprozessen relevant. Wertschöpfende Prozesse sind „primäre Aktivitäten“ wie Eingangslogistik, Produktion, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik oder Kundendienst. Im Umfeld der Wertschöpfung sind unterstützende Aktivitäten angesiedelt. Sie beinhalten Bereiche wie Unternehmensinfrastruktur, Personal, Technologieentwicklung (im Sinne von Arbeitsvorbereitung, nicht Forschung und Entwicklung), Beschaffung (von Verbrauchsmaterialien) (vgl. dazu M.E. Porter 1986). Diese unterstützenden Prozesse sind für das Funktionieren der Abläufe der Wertschöpfung wichtig oder gar unverzichtbar, unterliegen meist aber nicht einem so strikten zeitlichen „Regiment“ wie die wertschöpfenden Kernprozesse. Dies im Blick, sind die Azubi-Projekte zur Hälfte in den tendenziell stärker ökonomisierten Wertschöpfungsbereichen angesiedelt. Das Hauptgewicht haben dabei Prozesse in marktnahen Funktionsbereichen mit dem Kundenbereich an der Spitze, gefolgt von der Eingangslogistik. Im Wertschöpfungsbereich Produktion finden sich auch in relevantem Umfang Azubiprojekte.

Die andere Hälfte der Projekte ohne Wertschöpfungsbezug befassen sich großteils mit der Unterstützung von Abläufen in der (kaufmännischen) Verwaltung oder in indirekten produktionsvorbereitenden Bereichen. Auch Projekte zur Digitalisierung auf dem Gebiet der Ausbildung sind den Supportbereichen zuzuordnen (Personalfunktion).