5.3 Voigt electronic GmbH, Erfurt

Das folgende Digiscouts®-Projekt wurde in der Firma Voigt Electronic durchgeführt. Sie ist in Erfurt ansässig und beschäftigt 49 Personen. Das in zweiter Generation familiengeführte Unternehmen übernimmt als Fertigungsdienstleister für elektronische Komponenten die komplette Auftragsfertigung von elektronischen Baugruppen, Geräten und Systemen.

Das Digiscouts®-Projekt wurde von zwei Auszubildenden zum Elektroniker für Geräte und Systeme sowie einem angehenden Industriekaufmann durchgeführt. Die Azubis digitalisierten den Prozess der Statusmeldung bei Fertigungsaufträgen in der Produktion. Damit verbesserten sie den Informationsfluss und verkürzten die Lieferzeiten. Die Maßnahme diente in ihrer Stoßrichtung damit der Verbesserung der Steuerfähigkeit im Betrieb.

Ausgangspunkt und Durchführung des Projekts

Das Unternehmen war durch das RKW Thüringen auf das Projekt Digiscouts® aufmerksam geworden und sah in der Beteiligung am Projekt vor allem die Möglichkeit, die Kompetenzen der Azubis durch eine eigenständig zu bewältigende und interessante Projektaufgabe zu fördern. Ein weiteres Teilnahmemotiv lag darin, ein Digitalisierungsprojekt umzusetzen, für das im Alltag die Zeit gefehlt hätte.

Die Einschätzung der Geschäftsführung zum Grad der Digitalisierung im eigenen Haus fiel hinsichtlich der digitalen Durchdringung und Nutzung digitaler Technologien mit jeweils 40 Prozent recht moderat aus, während zugleich der Einfluss der Digitalisierung am Geschäftserfolg mit einem Wert von 80 Prozent hoch bewertet wurde.

Die für das Digiscouts®-Projekt gewonnenen Auszubildenden starteten die Entwicklung einer Digitalisierungsidee mit Recherchen in den Arbeitsbereichen. Sie sprachen mit den Kolleginnen und Kollegen und nahmen Arbeitsprozesse in der Produktion genauer unter die Lupe. Dabei wurden sie von Mitarbeitenden auf ein Relikt aus alten, vordigitalen Zeiten hingewiesen: eine Magnettafel, die den Fertigungsprozess abbildete und eine große Bedeutung für die Produktionssteuerung hatte. Einer der Auszubildenden im Digiscouts-Team, schilderte das Zustandekommen der Digitalisierungsidee:

„Wir haben verschiedene Ideen durch eine Befragung aller Mitarbeitenden erhalten. Eine darunter war die digitale Magnettafel, zu der viele Kollegen Ideen und Vorschläge hatten, wie wir das Projekt gestalten können.“

Die sorgfältigen Prozessanalysen und die Erfahrungsberichte der Mitarbeitenden zeigten die Schwachstellen der Arbeit mit der Magnettafel auf: Ursprünglich war sie für alle sichtbar am Ausgang der Produktionshalle platziert worden, um mehr Transparenz bei den einzelnen Produktionsschritten der jeweiligen Abteilungen zu schaffen und damit auch die abteilungsübergreifende Kommunikation zu verbessern. Diese analoge Magnettafel war in Abteilungen und Unterabteilungen gegliedert und hatte den Zweck, anzuzeigen, welche Baugruppe beziehungsweise welcher Auftrag sich gerade in welchem Produktionsstadium befand. Der Produktionsfortschritt wurde dabei händisch dokumentiert, indem handbeschriebene Magnetkärtchen mit Informationen wie Auftragsnummer bzw. Baugruppenname, Auftragsbeginn und Auftragsende, geplanter Liefertermin der produzierten Baugruppe von einzelnen Beschäftigten von Feld zu Feld gepinnt wurden, bis der Fertigungsprozess beendet war. Das Problem: Die Mitarbeitenden vergaßen schlichtweg das „Wandern“ mit dem Magnetkärtchen auf der Tafel – ein Läufer wurde so mal schnell zum Springer, um im Schachjargon zu sprechen. Transparenz im Fertigungsprozess, wie das Unternehmen sich wünschte, war somit nicht mehr gegeben.

Die gemeinsam mit den Mitarbeitenden entwickelte Projektidee beinhaltete schließlich die Entwicklung eines vollautomatischen Programms. Das Programm sollte mit dem Warenwirtschaftssystem verknüpft sein, um damit Baugruppenname, Starttermin, Sollende, Liefertermin, die Fertigungsauftragsnummer sowie die produzierte Menge anzuzeigen. Die Vorteile der digitalen Lösung lagen aus Azubi- und Mitarbeitendensicht in einer schnelleren Reaktion auf Veränderungen, beispielsweise im Produktionsprogramm, in einer effizienteren Gestaltung des Maschinenplans sowie in der Verbesserung abteilungsübergreifender Kommunikationsprozesse.

Die Geschäftsführung fand die Projektidee überzeugend und entschied sich daher schnell für die Umsetzung, was einer der Auszubildenden so darstellte:

„Wir – die Azubis – haben die gesammelten Ideen hinsichtlich Umsetzbarkeit und Nutzen sortiert, im Gespräch mit der Geschäftsleitung abgestimmt und uns für das Projekt digitale Magnettafel entschieden.“

Der Blick in den Fragebogen zum Projektende zeigte, dass die Geschäftsführung die Stärken der Projektidee in der Erleichterung der Arbeit für die Mitarbeitenden und der Prozessoptimierung sahen. Die Prokuristin des Unternehmens:

„Das Unternehmen sowie wir Mitarbeitende profitieren vom Projekt, weil es den Prozess der Informationsweitergabe verbessert – sprich von analog zu digital. Für unser Unternehmen bedeutet das konkret, dass durch das Digiscouts®-Projekt die Baugruppenfertigung transparenter und effizienter wurde. Nun erkennen Mitarbeitende sofort, welche Baugruppe an welchem Arbeitsplatz ist. Der Vertrieb weiß, wann die Baugruppen gefertigt werden und wann sie rausgeschickt werden können. Die Kunden profitieren von schnelleren Lieferzeiten und einem noch besseren Service.“

Allerdings zeigte sich bei der Umsetzung der Lösung – mehr noch als im Fall von Runge Pharma, dass gerade ambitionierte Projekte aufwändig sind. So musste bei einer den gesamten Betrieb betreffenden Verbesserung der Steuerfähigkeit an vielfältigen systemisch miteinander verbundenen Stellschrauben gearbeitet werden. Ökonomische, technische und organisatorische Sachverhalte waren digital zu erfassen und zu integrieren.

Auch hier erschwerten die Anforderungen der Ausbildung sowie Urlaub und Krankheitstage ebenso wie  Anforderungen des Alltagsgeschäfts die Koordination und die Einhaltung der für die Realisierung des Projekts geplanten Zeitmargen. Ein Azubi betonte, dass „die unterschiedlichen Berufsschulzeiten sowie Arbeitszeiten eine konkrete Zeitplanung schwierig – aber nicht unmöglich – machten.“

Auf dem Abschlussfragebogen gaben die Azubis selbstkritisch zu Protokoll, dass sie bei einem nächsten Mal „mehr an dem Projekt arbeiten und das Zeitmanagement besser eingliedern“ würden. Ebenfalls müsse man vor einem Projekt von vornherein darauf schauen, ob es in der Arbeitszeit realisierbar ist.

Auch die Geschäftsführung gab an, dass es zu Verzögerungen bei der Termineinhaltung gekommen war. Das Projekt war zum geplanten Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, sollte aber noch mit den Azubis zu Ende geführt werden.

Bewertung: „Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer“

Die Erträge des Projekts lagen – zumindest nicht vordergründig – in messbar positiven Effekten hinsichtlich des Standes der Digitalisierung und der Wirtschaftlichkeit. Der wirtschaftliche Nutzen wurde vom Unternehmen als gering veranschlagt, mit Blick auf den Stand der Digitalisierung wurden keine Ver- änderungen gegenüber der Ausgangssituation registriert. Dieser auf den ersten Blick recht nüchterne Befund, war offensichtlich auf die Verzögerungen im Projektfortschritt zurückzuführen. Laut Unternehmen wurde die Zielstellung teilweise erreicht.

Dieser Teilerfolg war zweifellos auf einem für Digitalisierung und Wirtschaftlichkeit wichtigen Gebiet zu verzeichnen, dem im Projekt entstandenen vertieften und von den Mitarbeitenden wie auch Azubis geteilten Wissen über die eigenen betrieblichen Prozesse und deren Zusammenspiel. Hierfür können zunächst die Azubis als Augenzeugen herangezogen werden. Positiv verbuchten sie als Ergebnis des Projekts, „dass wir mehr von anderen Abteilungen erfahren konnten, um zu verstehen, was denn ihre Arbeitsschritte sind.“

Verbunden mit der Empfehlung, am Thema „dranzubleiben“, ist abschließend die Einschätzung des Coaches zum Projektergebnis wiederzugeben, die auf die erheblichen, noch zu erschließenden Potenziale der Digitalisierungsidee hinweist.

„Zu günstigen Kosten konnte hier ein interessanter Fortschritt im Rahmen der Visualisierung der Auftragssteuerung erreicht werden. Die sich daraus ergebenden Verbesserungspotentiale müssen im unternehmerischen Alltag allerdings noch eruiert werden.“