Schwerpunkt 2020 – Erfolgsfaktor Geschäftsmodell im Mittelstand

Von Dr. Matthias Geißler und Alexander Sonntag

Ein etabliertes Geschäftsmodell definiert Wertversprechen, Kerngeschäft und Selbstverständnis eines Unternehmens. Es gibt Halt und Sicherheit in vielerlei Hinsicht, nicht zuletzt, weil es Handlungsweisen der Mitarbeitenden legitimiert und die Unternehmensidentität bestimmt. Kann das Geschäftsmodell bei jungen Unternehmen recht einfach angepasst werden, riskieren etablierte Betriebe durch große Umwälzungen handfeste „Identitätskrisen“ und eine Wertvernichtung aufgrund obsoleter Investitionen. Nur sehr selten werden (Preußische) Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaften zu Touristikkonzernen. Nichtsdestotrotz verlangen dynamische Umwelten Unternehmen eine starke Wandlungsfähigkeit ab. Dies zwingt dazu, intensiver und öfter als bisher über die Eckpfeiler des eigenen Geschäftsmodells nachzudenken. Insofern verwundert es nicht, dass in der Erhebung zum „Großen Preis des Mittelstandes“ Geschäftsmodellentwicklung als ein zentraler Erfolgsfaktor erkennbar wird. Im Folgenden soll deshalb deren Bedeutung für KMU durch Fachbeiträge und einprägsame Unternehmensbeispiele entlang des Slogans des RKW Kompetenzzentrums „Menschen. Unternehmen. Zukunft.“ herausgestellt werden.

Der erste Fachbeitrag stellt den „Menschen.“ in den Mittelpunkt und betont die für Umwälzungen unabdingbare Wandlungsund Anpassungsfähigkeit der Beschäftigten, insbesondere der Führungskräfte. Denn „[f]ür das Aufbrechen alter Geschäftsmodelle“, soll bereits Clayton M. Christensen gesagt haben, „braucht es immer Anführer, die ihrem Instinkt folgen. Es wird immer überzeugende Gründe geben, kein Risiko einzugehen“, so der im Januar 2020 verstorbene Harvard-Professor weiter. „Aber wenn man nur tut, was in der Vergangenheit funktioniert hat, wird man irgendwann aufwachen und feststellen, dass man überholt wurde.“ Fachbeitrag zwei befasst sich mit „Unternehmen“ und grundsätzlichen Überlegungen zu „neuen“, das heißt heutzutage oft „digitalen“, Geschäftsmodellen. Hier wird deutlich, welche Potenziale Geschäftsmodellentwicklung auch in Zeiten einer Corona-Krise bietet, da KMU bisher vor allem Schnittstellen zur Kundschaft und interne Prozesse digitalisiert haben. Erlös- und Geschäftsmodelle werden sehr viel seltener weiterentwickelt. Der letzte Fachbeitrag präsentiert künstliche Intelligenz als einen der großen Trends der „Zukunft“, dem sich kaum ein Unternehmen wird verschließen können. Potenziale in der Produktion, aber auch im Bereich Engineering berühren dabei entscheidend die Geschäftsmodelle großer Teile des deutschen Mittelstandes.

Den Abschluss bilden drei Beispiele zur Geschäftsmodellentwicklung aus der Praxis. Runge Pharma ist dabei ein gutes Beispiel für einen evolutionären Ansatz, der schrittweise wichtige Teile des Kerngeschäfts verändert oder verbessert. Ganz im Sinne der Leitlinie „Menschen.“ illustriert die Einbindung in das Digiscouts®-Projekt, wie Veränderung selbst von den Jüngsten im Unternehmen ausgehen kann, kreative Potenziale entfaltet und obendrein zur Arbeitgeberattraktivität beiträgt. Der Fall der megra Steuerberatung zeigt, wie sich gestandene Unternehmen im Mittelstand durch die Digitalisierung des ursprünglichen Kerngeschäfts neue Geschäftsfelder erschließen können. Hierfür bedarf es einer Prise Mut und eines frühzeitigen unternehmerischen Handelns, um aus dem Alten das Neue erwachsen zu lassen. Schlussendlich zeigt sustainabill, welche Möglichkeiten dynamische Umfeldentwicklung und Digitalisierung für zukünftige, revolutionäre Geschäftsmodelle bieten.