Nahrungsmittelproduktion sichern, Pestizideinsatz verringern

PEAT GmbH

Frau Strey, Ihr Unternehmen, die PEAT GmbH, ist eine Ausgründung der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Sie und Ihre Mitgründer wollen die Nahrungsmittelproduktion weltweit sichern und den Pestizideinsatz verringern. Dafür haben Sie eine App entwickelt, mit deren Hilfe Gärtner und Landwirte Pflanzenkrankheiten bestimmen können. Wie funktioniert das Ganze?
Strey: Das Besondere an unserer App „Plantix“ ist die automatisierte Bilderkennung. Das bedeutet, Sie brauchen einfach nur mit Ihrem Smartphone den erkrankten Teil der Pflanzen zu fotografieren und in unserer App hochzuladen. Unsere Software kann zum derzeitigen Zeitpunkt über 300 verschiedene Pflanzenschäden erkennen und liefert Ihnen innerhalb weniger Sekunden die Beschreibung der Krankheit, die Symptome, die Ursachen und natürlich die Behandlungsmethoden mit dem besonderen Augenmerk auf biologische Alternativen zu chemischen Mitteln. Und nicht zuletzt erhält der Nutzer auch Hinweise dazu, wie er die jeweilige Krankheit im Vorfeld vermeiden kann, damit es gar nicht erst zu einem Befall kommt.

Sie arbeiten mit einer umfangreichen Bilddatenbank. Bildrechte sind bekanntermaßen teuer. Wie haben Sie das Problem gelöst?
Strey: Unsere Bilddatenbank enthält mittlerweile über 5 Millionen Fotos von kranken Pflanzen. Täglich kommen zwischen 15.000 und 20.000 Fotos dazu. Und je mehr Fotos unsere Datenbank enthält, desto besser arbeitet unser System. Von ein und derselben Erkrankung an einer bestimmten Pflanze braucht man idealerweise mehrere Tausend Fotos. Wir kooperieren daher mit unseren Nutzern per Crowd-Sourcing. Das bedeutet, wenn unsere App den Nutzern geholfen hat, bitten wir sie darum, uns Fotos von ihrer erkrankten Pflanze zu schicken und die Nutzungsrechte an uns zu übertragen, so dass wir das Foto verwenden und in unsere Bilddatenbank integrieren können. Das funktioniert sehr gut. Darüber hinaus kooperieren wir mit landwirtschaftlichen Instituten wie zum Beispiel dem Pflanzenschutzamt Niedersachsen, das uns freundlicherweise erlaubt hat, auf seinen Versuchsflächen Pflanzen zu fotografieren. 

Herr Munzel, wer gehört denn zu den Nutzern Ihrer App?
Munzel: Wir haben von Anfang an einen globalen Ansatz verfolgt. Zu unserer primären Zielgruppe gehören neben Gärtnern, Kleingärtnern, Hobbygärtnern auch Kleinbauern weltweit. 70 Prozent aller Produzenten im landwirtschaftlichen Bereich sind Kleinbauern. Von daher haben wir es hier potenziell mit einer sehr großen Nutzergruppe zu tun. Die App ist kostenlos.

Wie finanzieren Sie sich?
Munzel:
Stimmt, die App steht für unseren Social Business-Ansatz. Wir möchten damit dazu beitragen, die Ernährungssituation weltweit zu verbessern und den Pestizideinsatz zu verringern. Bis zum Jahr 2050 gibt es voraussichtlich zwischen neun und zehn Milliarden Menschen. Das ist eine riesige Herausforderung für den Agrarbereich. Hinzu kommen jährliche Ernteeinbußen weltweit von 15 und 30 Prozent auf Grund von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen. Deswegen bieten wir unsere App kostenlos an. Wir möchten damit möglichst viele Landwirte mit Informationen versorgen, so dass sie durch rechtzeitige oder präventive Maßnahmen ihre Ernten sichern können.

Strey: Darüber hinaus müssen wir natürlich auch Geld verdienen, um unsere App zur Verfügung zu stellen. Unser Geschäftsmodell basiert daher auf der Vergabe von Softwarelizenzen. Unserer App liegt eine von uns entwickelte Software zugrunde, die wir kontinuierlich weiterentwickeln.

Und das funktioniert?
 Strey:
Wir waren selber überrascht darüber, wie viel Zuspruch wir bekommen haben, vor allem von Landmaschinenherstellern und der Pflanzenschutzmittelindustrie.

Werden App und Software bereits im Ausland eingesetzt?
Munzel:
Ja, mittlerweile kommen über 90 Prozent unserer Nutzer aus dem Ausland. Insbesondere in Indien sind wir sehr aktiv. Plantix taucht dort regelmäßig in den Top Ten Charts der meistgenutzten Apps im Bereich „Education“ auf. Das Feedback ist insgesamt einfach unglaublich.

Wie hat sich Ihr Unternehmen seither entwickelt?
Munzel:
Sehr positiv und vor allen Dingen in einer sehr guten Geschwindigkeit. PEAT hat mittlerweile 25 Festangestellte und 19 studentische Aushilfen. Wir haben Naturwissenschaftler, Geistes- und Sozialwissenschaftler und natürlich Programmierer an Bord. Außerdem sind wir international aufgestellt. Unser Experte fürs Machine-Learning kommt aus Paris und unser Pflanzenpathologe aus Spanien. Natürlich sind nicht immer alle einer Meinung. Aber genau dieser Austausch und die große Kompetenz ist tatsächlich unsere Stärke, weil wir alles, was wir tun, aus vielen Blickwinkeln betrachten und dementsprechend das bestmögliche Produkt daraus entwickeln können.

Außerdem haben wir mehrere Preise gewonnen und am Merck Accelerator teilgenommen. 2016 wurde Simone Strey vom MIT-TechnologyReview unter 35 Innovatoren zu einer von 10 Top-Innovatoren gewählt. Das alles hat natürlich für viel Aufmerksamkeit in den Medien gesorgt, so dass darüber auch das Interesse von Investoren geweckt wurde. Wir haben mehrere Finanzierungsrunden abgeschlossen und unter anderen den CeBIT Innovation Award sowie den WSA Mobile Award der Vereinten Nationen gewonnen. Von daher sind wir sehr zufrieden, wie sich alles bisher entwickelt hat.

Quelle und Langfassung: www.exist.de