Messkonzept für Produktivität

Messkonzept für Produktivität

Unternehmen verwenden Leistungsindikatoren, um die Produktivität zu messen. Die Produktivität ist ein Leistungsindikator, der den Output oder das Ergebnis eines wirtschaftlichen Prozesses auf den Input beziehungsweise die Ressourcen bezieht, mit denen das Leistungsergebnis erzielt worden ist. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über häufig verwendete Leistungsindikatoren.

Physische Maßeinheiten

Grundlage der Leistungsindikatoren in der zweiten Spalte sind der physische Output oder Quantitäten wie Tonnage oder Volumen. Sie werden insbesondere in Industrieunternehmen angewendet. Die dritte und die vierte Spalte beziehen sich auf finanzielle Indikatoren, die sich auf Gewinn und Verlust konzentrieren. Die R/I- und Z/I-Relationen repräsentieren Kapitaleinkünfte. Sie werden vorrangig in Finanzberichten eingesetzt. Die Leistungsindikatoren der letzten Spalte sind wertschöpfungsbasiert. Wertschöpfung ist definiert als Erlöse abzüglich operativer Kosten (Vorleistungen wie zum Beispiel Material, Energie, externe Dienstleistungen) und repräsentiert den Mehrwert, den das Unternehmen durch den Einsatz von Arbeit und Kapital generiert.

Quantifizierung

Um die Produktivitätsentwicklung erfassen zu können, sollten Produktivitätsindikatoren quantifiziert werden. Produktivitätsmessungen im Dienstleistungssektor sind jedoch schwierig und mit Unsicherheiten verbunden. So ist beispielsweise die Produktivität einer Bank oder einer Beratungsfirma kaum zu bestimmen: Die Qualitätsunterschiede der angebotenen Dienstleistungen und deren kundenindividuelle Ausgestaltung lassen oft nur sehr grobe Produktivitätsmessungen zu. Nicht miteinander übereinstimmende Produktivitätswerte, wie sie sich bei Online-Recherchen in verschiedenen Forschungsdatenbanken ergeben, sind Ausdruck dieser Messprobleme.

Datenbanken zur Produktivitätsentwicklung

Zuverlässige Daten liefert die OECD-Datenbank zur Produktivitätsentwicklung auf Länderebene.

Für tiefer gehende Analysen können länderspezifische Dateien im Excel-Format von der EU KLEMS-Website heruntergeladen werden.

Arbeits- und Gesamtproduktivität (total factor productivity)

Auf nationaler Ebene wird Produktivität in der Regel als Relation zwischen dem eingesetzten Arbeitsvolumen und dem erzielten Output gemessen (BIP, Bruttoinlandsprodukt). In den Unternehmen ist "Arbeit", das heißt der arbeitende Mensch, entweder der wichtigste oder der am einfachsten zu messende Produktionsfaktor (gemessen als Anzahl beschäftigter Personen oder als Anzahl geleisteter Arbeitsstunden). Technologische und organisatorische Entwicklungen verbessern die Effektivität und die Effizienz des Faktors Arbeit, wobei das Produktionsergebnis nicht notwendigerweise durch härteres oder längeres Arbeiten erzielt worden ist.

"Arbeitsproduktivität" wird üblicherweise als Stellvertreter für die "Gesamtproduktivität" oder "Total Factor Productivity" (TFP) gebraucht. TFP ist der gewichtete Ausdruck dafür, wie gut alle zur Produktivitätsentwicklung beitragenden Faktoren (Arbeit, Kapital, Ressourcen usw.) aufgestellt, gefördert und bewirtschaftet sind, um den erwünschten Output zu produzieren. Arbeitsproduktivität als solche misst also nicht die spezifischen Beiträge des einzelnen Produktionsfaktors Arbeit (s. auch Nebl 2002, S. 3). Sie reflektiert vielmehr die gemeinsame Leistung vieler Einflussgrößen – neue Technologien, Investitionen, Kapazitätsauslastung, Organisationsgestaltung, Energieverbrauch, Managementkompetenzen, Fähigkeiten und Leistungen der Beschäftigten. Vereinfacht dargestellt ist die Tradition, Arbeitsproduktivität als Stellvertreter der Gesamtproduktivität eines Unternehmens zu betrachten, darin begründet, dass in physischen Größen gemessener Input oder Output sich nicht ohne weiteres zu einem Gesamtwert der Unternehmensproduktivität addieren lassen. Eine Alternative zu dem in diesem Memorandum vorgeschlagenen Messkonzept bietet der auf monetären Größen basierende Ansatz von Blaeser-Benfer, Schröter und Vollborth (2012).

Wirtschaftswachstum

Produktivität war und ist die wichtigste Komponente des Wirtschaftswachstums. Wenn das Wachstum, also die Zunahme des Output, nicht vollständig auf den erhöhten Einsatz der Produktionsfaktoren (Input-Faktoren) zurückgeführt werden kann, handelt es sich bei der "Restgröße" um verbesserte Produktivität. Mit Hilfe der Produktionsfunktion lässt sich dieser für das Verständnis von Produktivität grundlegende Zusammenhang leicht verständlich beschreiben. Eine Produktionsfunktion bezeichnet die Beziehung zwischen Faktoreinsatz und Ausbringung. Man nennt sie daher auch Ertrags- oder Input-Output-Funktion. Wie Abb. 3 in stark vereinfachter Form zeigt, können zwei Wachstumskomponenten unterschieden werden - die Steigerung des Inputs und die Steigerung der Produktivität.

Graph 1 repräsentiert die Produktionsfunktion 1, bei der das Input-Volumen V1 dem Output-Volumen M1 entspricht. Das Leistungsergebnis beziehungsweise der Output kann deshalb vollständig durch das Wachstum des Input erklärt werden. Bei der Produktionsfunktion 2 ist dagegen das Output-Wachstum höher als das Wachstum der Input-Faktoren. Der durch den Wert MP repräsentierte Teil des Output- beziehungsweise Produktionsmengenzuwachses ist auf erhöhtes Input-Volumen (von V1 auf V2) zurückzuführen, das darüber hinausgehende Output-Wachstum (von MP auf M2) ist durch verbesserte Produktivität zu erklären. Das Output-Wachstum wird demnach erzeugt durch die Summe der beiden Wachstumskomponenten "Steigerung des Input" und "Steigerung der Produktivität".

Die Substitution von Arbeit durch Kapital ist eine wesentliche Quelle steigender Produktivität. Dieser Vorgang hat seit dem Beginn der Industriellen Revolution kontinuierlich stattgefunden: Arbeitsintensive Prozesse wie zum Beispiel materielle Produktion, Transport oder Information werden durch kapitalintensive Prozesse ersetzt, in denen neue Maschinen und Geräte eingesetzt werden. Damit sinkt die Zahl der für die Produktionsprozesse benötigten Arbeitskräfte erheblich. Aber der dadurch ermöglichte zusätzliche Wohlstand erzeugt wiederum neue Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und erhöht auf diese Weise die Beschäftigung an anderer Stelle, das heißt in anderen Unternehmen und/oder Branchen. Zugleich erzeugt der ständige Druck, den Faktor Arbeit physisch ("brawn power" – Muskelkraft) und intellektuell ("brain power") besser zu nutzen, neue Beschäftigungsmöglichkeiten – zumindest für die qualifizierten und gesunden Arbeitskräfte, die in der Lage sind, mit Veränderungen Schritt zu halten.

"Grüne" Produktivität

Die Produktionsfaktoren sind jedoch nicht nur die traditionellen Faktoren "Arbeit" (oder Humanressourcen), Kapital (Geld und Fabrikanlagen) und Rohstoffe. Sie schließen zunehmend Zeit, Raum und alle Ressourcen der Umwelt ein. Entsprechend sind neue Konzepte wie das der "grünen Produktivität" entstanden, die dazu beitragen sollen, dass Produktivitätsgewinne, die der heutigen Generation zukommen, den nächsten Generationen keine Schäden zufügen. Neuere Konzepte verknüpfen wirtschaftliche, ökologische und ökonomische Produktivität ("SEE productivity - social, environmental and economic productivity", s. Dillon & Heap 2012).

Auf der makroökonomischen Ebene beeinflusst die Produktivitätsentwicklung den Einsatz und Verbauch der wirtschaftlichen Ressourcen, auf der anderen Seite ist sie das Ergebnis der Leistungsprozesse einer Volkwirtschaft.

Grenzen

Jeder Ansatz zur Produktivitätsentwicklung hat jedoch Grenzen und kann das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich beabsichtigt war. Zu einem bestimmten Zeitpunkt ist es möglich, dass sich die Produktion – durch vollautomatisierte Fabriken, eine exzessiv "schlanke" Organisation oder ökologisch zweifelhafte Prozesse – von der Gesellschaft isoliert und entfremdet und einer fairen Verteilung des Mehrwerts zuwiderläuft. Als Ergebnis kann es zu einem Stillstand der Produktivitätsentwicklung kommen, der im Verfall der Infrastruktur, in Qualifikationsmängeln, in Streikbewegungen und sozialen Unruhen seinen Ausdruck findet. Produktivitätsentwicklung ist kein sich von allein fortsetzender wertfreier Prozess, sondern erfordert eine gewisse Kontrolle und, wenigstens zu bestimmten Zeitpunkten, planvolle Organisation und Interventionen auf verschiedenen Ebenen.

Profitabilität / Wettbewerbsfähigkeit / Monetäre Veränderungen

Produktivität impliziert eine längerfristige Perspektive als das Konzept der Profitabilität; beide Konzepte sind eng, wenn auch in komplexer Weise, miteinander verbunden. Die Profitabilität enthält eine Produktivitätskomponente, wird aber stark von den Beschaffungs- und Produktionskosten einerseits und den Verkaufspreisen eines Unternehmens andererseits beeinflusst. Wenn ein Unternehmen aufgrund steigender Preise für den Output Erlöse erzielen kann, die seine Kosten für den Input übersteigen, kann sich die Profitabilität auch dann erhöhen, wenn die Produktivität zurückgeht (sog. "price recovery factor"). Produktivität auf der Unternehmensebene ist dadurch charakterisiert, dass sie in physischen Einheiten ausgedrückt wird (siehe aber den Hinweis auf Seite 15) . Auf Branchen-, sektoraler und gesamtwirtschaftlicher Ebene sind dagegen (monetäre) Maßeinheiten erforderlich, die sowohl die Inflationsentwicklung als auch die Kaufkraftparitäten berücksichtigen, das heißt die Umrechnung verschiedener Währungen.

Ähnlich der Verbindung mit dem Konzept der Profitabilität ist Produktivität eine maßgebliche Komponente der Wettbewerbsfähigkeit, deren Ausmaß ebenfalls vom jeweiligen nationalen Preisund Kostenniveau bestimmt wird. Anders als bei der Produktivität liegen hier jedoch Kosten und Preise außerhalb der Einflussmöglichkeiten des einzelnen Unternehmens.

Produktivität hängt nicht von Geldwertschwankungen ab; diese können Zufallsgewinne (und -verluste) für diejenigen erzeugen, die auf zukünftige Entwicklungen spekulieren. Produktivitätsentwicklung dagegen benötigt einen "langen Atem". Entscheidend dafür ist, dass Produktivität als ein kontinuierlicher Prozess verstanden werden muss, in dem man es heute besser macht als gestern und morgen besser als heute. Der notwendige Treiber dieses Prozesses ist der Wettbewerb in seinen vielfältigen Formen.

Ganzheitliches Konzept der EANPC

Die EANPC und ihre Mitglieder treten für ein "ganzheitliches" Produktivitätskonzept ein. Der Input der Produktivitätsformel umfasst nicht nur das Arbeitsvolumen, sondern die Qualität und Quantität aller Ressourcen – einschließlich der natürlichen, infrastrukturellen und organisationalen Ressourcen , die Unternehmen zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen. Dadurch eröffnet sich ein weites Spektrum von Optionen für die effiziente Gestaltung der Leistungsprozesse. Was die Output-Seite des Produktionsprozesses betrifft, ist nicht erst seit heute zu betonen, dass der Output – über die erzeugten Produkte und Dienstleistungen hinaus – auch die sozialen und ökologischen Wirkungen und Folgen des Produktionsprozesses einschließt.

Der von der EANPC und ihren Mitgliedern verfolgte Ansatz bezieht alle Maßnahmen zur Produktivitätsförderung ein, der Schwerpunkt liegt dabei auf dem "Faktor Mensch". Wir befassen uns mit dem Humanfaktor unter den Gesichtspunkten:

  • des Humankapitals, das die Gesamtheit der individuellen Fähigkeiten, Kompetenzen und Einstellungen der Beschäftigten repräsentiert, und
  • des Sozialkapitals, das heißt des gegenseitigen Vertrauens, der Zusammenarbeit und der Partnerschaft von Arbeitnehmern und Management im Unternehmen.

Dementsprechend kann der Faktor Mensch nur dann ein wertvoller, unverzichtbarer Wettbewerbsfaktor sein, wenn zwei gleichermaßen wichtige Aspekte zusammenkommen: eine hohe Qualität der Humanressourcen und eine gute Arbeitsorganisation. Die Verbesserung der Produktivität sowohl des Unternehmens als auch seiner Zulieferkette ist ein Ergebnis der Art und Weise, in der dieses soziale Kapital (Organisation der Arbeit) das Unternehmen befähigt, sein Humankapital effektiv einzusetzen, um das ökonomische Kapital bestmöglich zu verwerten. Soziales Kapital erleichtert Innovationen und Veränderungen für höhere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Es gibt viele Beispiele, in denen es Unternehmen gelungen ist, den Humanfaktor zu optimieren. Von besonderer Bedeutung für Produktivitätsverbesserungen, die am Faktor Arbeit ansetzen, sind Maßnahmen, die

  • den Beschäftigten mehr Verantwortung am Arbeitsplatz geben,
  • gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen vorsehen,
  • die Arbeitsplätze so gestalten, dass die erforderlichen Fähigkeiten und Organisationsformen individuelles und kollektives Lernen ermöglichen und fördern,
  • neues Wissen kritisch überwachen und nutzen,
  • die Kooperation von Management und Beschäftigten erleichtern, etc.

Mit anderen Worten: Es geht darum, den anspruchsvollen und hochwertigen "high road" der Leistungssteigerung einzuschlagen – durch Verbesserung der Qualität der Produktionsfaktoren und der Art und Weise ihrer betrieblichen Ausschöpfung, wobei die mittel- und langfristige Unternehmensentwicklung einschließlich ihrer (positiven) Folgen für das soziale und natürliche Umfeld im Zentrum aller Überlegungen steht. Wir wenden uns ausdrücklich gegen die entgegengesetzte, leider immer noch verbreitete Strategie des sogenannten "low road", bei dem Unternehmen die Produktionsfaktoren im kurzfristigen Profitinteresse perspektivlos "ökonomisieren", statt auf ihre kontinuierliche Weiterentwicklung zu setzen.

Ein umfassender Ansatz ist ebenfalls erforderlich, um die Leistungsergebnisse zu erfassen. Es geht nicht allein um Zahlen für Umsatz, Gewinn und Erträge, so unbestritten wichtig diese auch sind, sondern auch um den gesellschaftlichen Nutzen der Resultate der Leistungsprozesse. Das schließt positive Beschäftigungswirkungen ebenso ein wie bessere Arbeitsbedingungen und nachhaltige Entwicklung in einer Welt, in der räumliche Distanzen eine immer kleinere Rolle spielen.