Handlungsschema

Ein Handlungsschema8 für alle Fälle

Bildungscontrolling in der Praxis ist ein komplexer Handlungsablauf, der sich zu einem Handlungsschema verdichten lässt. Dieses beschreibt im Sinne einer Handlungsanleitung, wie sich eine organisierte Weiterbildung in einem Unternehmen nach wirtschaftlichen Kriterien steuern und bewerten lässt. Die Handlungen, die aus dem Handlungsschema Bildungscontrolling folgen, verhalten sich neutral zur Zeit, zur Person und zum Objekt (Weiterbildung).9 Wir sprechen von einem anwendungsneutralen Handlungsschema, buchstäblich für alle Fälle. Wer den gesamten Prozess oder einzelne Teilschritte anwendet, aktualisiert dieses Handlungsschema. Wie die handelnde Person das macht, hängt von der gegebenen Situation ab. Insofern erhält jeder Prozess seine Färbung/Prägung durch seinen Kontext, das heißt durch seine Ausgangslage.
8 Für systemtheoretisch interessierte Leser: Systemtheoretisch betrachtet liegt für soziale Systeme die Funktion der Möglichkeit, ihre Selbstbeschreibung als Handlungsablauf zu gestalten darin, äußere Komplexität zu reduzieren, um innen notwendige Komplexität sinnvoll aufbauen zu können. Gewonnen werden kann auf diese Weise der Vorteil der Verbesserung der Steuerungsfähigkeit des sozialen Systems, für ein Unternehmen also ein Wettbewerbsvorteil. Vgl. Luhmann (1994) S. 236ff und 275ff. Und eben darum geht es uns bei der Bestimmung von Bildungscontrolling als Handlungsschema.

9 Zielklärung und Kostenermittlung sind zum Beispiel solche Handlungen.

Gelingen oder misslingen

Die Anwendung des Bildungscontrolling-Prozesses kann gelingen oder misslingen. Gelingen heißt, der Prozess wird richtig durchgeführt. Misslingen heißt, er wird falsch durchgeführt.

Erfolg oder Misserfolg

Wenn der Prozess gelingt, kann er entweder Erfolg haben, indem er ein bewertbares Ergebnis bringt, also seinen Zweck erfüllt, oder nicht erfolgreich sein, nämlich dann, wenn keine wirtschaftlich bewertbaren Ergebnisse resultieren. Es ist also durchaus möglich, dass der Bildungscontrolling-Prozess zwar gelingt, aber die Weiterbildung keinen Erfolg hat. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn einer Weiterbildung trotz „richtigem“ Bildungscontrolling kein wirtschaftlicher Nutzen zuordenbar ist (obwohl möglicherweise die Fähigkeiten der Mitarbeiter verbessert wurden).

Gebrauchsanleitung

Das Handlungsschema Bildungscontrolling wird hier als eine Gebrauchsanweisung oder Handlungsanleitung gestaltet: als Schrittfolge eines Ablaufs mit zugehörigen Instrumenten (vgl. Kapitel 5 und Abschnitt 6.2). Bei richtiger Durchführung kann man eine organisierte Weiterbildung im Unternehmen wirtschaftlich planen, steuern und bewerten. Das Handlungsergebnis ist die gelungene Durchführung/Anwendung. Die Handlungsfolge ist das Erreichen oder Verfehlen des Zwecks von Bildungscontrolling, nämlich die wirtschaftliche Steuerung und Bewertung einer organisierten Weiterbildung.
 

Risiken und Nebenwirkungen

Die Durchführung des Gesamtprozesses oder von Teilhandlungen hat unvermeidbar beides: sowohl beabsichtigte Wirkungen als auch unbeabsichtigte Nebenfolgen, sei es bei den Beteiligten, sei es in der Organisation. Alle beteiligten Personen machen bei der Anwendung Erfahrungen mit unvorhergesehenen Widerständen. Diese bestehen aus der Reaktion (Handlungen) der Kooperationspartner und aus Umständen (Informationen, Bedingungen, etc.), die in der Organisation liegen. Das Prozessmodell Bildungscontrolling (vgl. Kapitel 5 und abschnitt 6.2) beschreibt insofern keinen Algorithmus, sondern eine Heuristik, die Entscheidungen nicht vermeidet oder ersetzt, sondern unterstützt – mit „Risiken und Nebenwirkungen“, die allen Entscheidungen unvermeidbar eigen sind. 

Jeder am Prozess beteiligte Akteur hat eine Doppelrolle: Er vollzieht Handlungen und ist den Handlungen anderer ausgesetzt. Die Aktualisierung des Handlungsschemas Bildungscontrolling vollzieht sich praktisch immer als Kooperation; Bildungscontrolling benötigt gemeinschaftliches koordiniertes Handeln.

Ordnung ist das halbe Leben

Aufbau und Beschreibung von Bildungscontrolling unterliegen dem Prinzip der methodischen Ordnung. Das bedeutet: die Gebrauchsanleitung gibt die Reihenfolge und die Zusammenhänge der Teilhandlungen (Prozessschritte, Einsatz der Instrumente) wieder. Für das Gelingen des Bildungscontrolling-Prozesses ist die Realisierung dieser Teilhandlungen erforderlich. Dazu reichen wenige Kerninstrumente des RKW-Leitfadens in vielen Fällen aus (vgl. Abschnitt 6.2).

Kompetenz: mal nicht als Leerformel

Die Anwendung von Bildungscontrolling erfordert bei den Akteuren Handlungsvermögen, nämlich die – zugewiesene und individuell erworbene – Kompetenz

  • der Zwecksetzungsautonomie (die Berechtigung und die Fähigkeit, eigene Ziele/Zwecke zu verfolgen),
  • der Mittelwahlrationalität (die Zuständigkeit, die geeigneten Mittel dafür zu wählen),
  • der Folgenverantwortlichkeit (die Verpflichtung, für die Folgen eigenen Handelns einzustehen).