Betriebswirtschaftlicher Bezugsrahmen und Bildungs-ROI32

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Nutzenbeiträge einer Weiterbildungsmaßnahme Beiträge zur Arbeitssystem-Produktivität sind. Nur im Falle von Produktivitätsverbesserungen können sie als Verbesserungen des wirtschaftlichen Unternehmenserfolges wirksam und sichtbar werden. Mit anderen Worten: Produktivitätsverbesserungen stellen eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den wirtschaftlichen Erfolg dar33.

32 Phillips, Schirmer (2008)
33 Vgl. Bogranz, Landau (2012) S. 15 sowie 17 - 21

Erfolgs- und ergebnisrelevant wird eine Produktivitätsverbesserung erst dann, wenn sie entweder Kosten reduziert (Einsparungen beim Input) und/oder über eine Mengen-/Umsatzsteigerung den Output des Arbeitssystems erhöht. Nur in diesen beiden Fällen wird eine verbesserte Produktivität direkt im betriebswirtschaftlichen Sinne ergebniswirksam, das heißt, in der Gewinn- und Verlustrechnung sichtbar.

Der längst fällige Abschied vom Bildungs-ROI

Bild 3 zeigt, welche ROI-relevanten Steuergrößen durch Produktivitätsverbesserungen, also gegebenenfalls auch durch Weiterbildungen in einem Arbeitssystem, beeinflusst werden müssen, damit sie in der Gewinn- und Verlust-Rechnung, also im Umsatz, in den Kosten oder im Invest (also im Umlauf-/Anlagevermögen) erscheinen. Hier ist zu beachten, dass die direkte Wirkung auf Umsatz, Kosten, Umlauf-/Anlagevermögen über die Beeinflussung der Steuergrößen zwar möglich, aber nicht zwingend ist, eher sogar selten stattfindet.

Selbst dann, wenn im Einzelfall dieser Wirkzusammenhang als gegeben unterstellt werden kann, ist es kaum möglich, den ROI einer Investition in Weiterbildung zu berechnen, weil der ROI immer die Gesamtkapitalrentabilität eines Unternehmens abbildet.34

34 Vgl. zum Beispiel Horváth & Partners (2009), S. 257

Drei Voraussetzungen wären für die ROI-Berechnung einer Weiterbildungsinvestition zu erfüllen:

  • Der Nutzenbeitrag einer Weiterbildungsinvestition muss bestimmbar sein als Produktivitätsbeitrag und als Produktivitätssteigerung in einem Arbeitssystem.
  • Diese Produktivitätssteigerung muss ergebniswirksam sein (Kosten und/oder Umsatz in der GuV-Rechnung beeinflussen).
  • Die Ergebniswirkung der Einzelinvestition muss als Anteil an der Gesamtrentabilität des Unternehmens diskriminierbar sein.

Wohlgemerkt: ein ROI ist überhaupt nur berechenbar, wenn alle drei der genannten Voraussetzungen bestehen. Aber bereits an den ersten beiden Voraussetzungen würde die ROI-Berechnung der meisten Weiterbildungsinvestitionen scheitern, alle übrigen aber spätestens an der dritten.

Wenn man einmal von den unlösbaren Schwierigkeiten, die mit der Isolierung der Ergebniswirkung einer Weiterbildungsinvestition am Gesamt-ROI verbunden wären, absehen würde, erreichen in mittelständischen Unternehmen Weiterbildungsinvestitionen nicht die Größenordnung, die diesen Aufwand lohnte.

Eine Nutzen-/Kostenbetrachtung, die die oben beschriebenen Nutzenbeiträge und -wirkungen einer Weiterbildung so in Beziehung zu ihren Kosten setzt, wie diese üblicherweise in einem Unternehmen ermittelt werden, reicht für Bildungscontrolling aus. An eine Weiterbildungsinvestition müssen keine höheren Anforderungen gestellt werden als an andere Einzelinvestitionen – aber auch keine niedrigeren.