Controlling einer (Weiterbildungs-) Investition

Ausgangspunkt ist die einfache, aber keineswegs selbstverständliche Überlegung, dass im Prinzip jede Weiterbildung in einem Unternehmen eine Investition ist und deshalb einer wirtschaftlichen Begründung bedarf.10 Daraus folgt nicht ohne weiteres die Forderung nach einem objektiven rechnerischen Nutzennachweis. Dieser ist auch bei anderen Investitionen keineswegs obligatorisch.
10 Von diesem Grundsatz eines wirtschaftlichen Begründungserfordernisses auszugehen, behaupten zwar auch andere Bildungscontrolling-Konzepte, ohne ihn unseres Erachtens jedoch einzulösen.

Messen oder nicht messen – das ist nicht die Frage

Der Anspruch, Weiterbildung in einem Unternehmen prinzipiell wirtschaftlich zu begründen einerseits, und die Erfahrung andererseits, dass ein Weiterbildungsnutzen für ein Unternehmen selten quantitativ oder gar monetär durch Messergebnisse nachweisbar ist, widersprechen einander nur dann, wenn man „wirtschaftliche Begründung“ mit einer Begründung durch „objektive“ Messergebnisse gleichsetzt11.
11 Dieser Fehlschluss ist in Bildungscontrolling-Literatur – pikanterweise im Gegensatz zur Controlling-Literatur – weit verbreitet, dort fast State of the Art. Vgl. zum Beispiel aus der neueren Literatur Gerds (2012) S. 30ff. Hölbling, Stößel, Bohlander (2010) S. 17ff.

Erfahrene Manager begründen ihre Entscheidungen viel seltener durch Messergebnisse, als ihnen häufig unterstellt wird und handeln dennoch wirtschaftlich schlüssig. Dies berücksichtigend, kann im vorliegenden RKW-Bildungscontrolling-Ansatz die Managemententscheidung für eine Weiterbildung als wirtschaftlich(st)e Option in einer gegebenen Situation auch ohne Messergebnisse begründet erfolgen, und ebenso die spätere Feststellung des Weiterbildungsnutzens für das Unternehmen.

Entscheidend ist die „richtige“ Aufmerksamkeitsfokussierung des verantwortlichen Managements. insofern sind die Bildungscontrolling-Instrumente des RKW-Ansatzes im Wesentlichen auf die Unterstützung einer wirtschaftlich begründeten Aufmerksamkeitsfokussierung im Weiterbildungs- und Controllingprozess gerichtet.

Abweichungsanalyse – Abwägung von Optionen – organisierte Weiterbildung

Controlling von Weiterbildung ernst zu nehmen bedeutet, dass in einem Wirtschaftsunternehmen eine Weiterbildungsinvestition, wie jede andere Investition auch, immer aus einer Managemententscheidung auf Grund einer Abweichungsanalyse12 oder -beobachtung, egal ob bewusst oder intuitiv, resultiert und keineswegs aus einer Weiterbildungsbedarfsanalyse.13 Diese gewinnt erst in der Folge einer Abweichungsanalyse Bedeutung.

12 Dies ist Standard im Controlling. Vgl. Horváth (2011) S. 145 und 421ff
13 In diesem Punkt weicht der RKW-Ansatz von nahezu allen aktuellen Bildungscontrolling-Ansätzen ab. Vgl. stellvertretend für viele andere Gerds (2012); Schnitger (2008); Hölbling, Stößel, Bohlander (2010). In Anlehnung an ein bekanntes geflügeltes Wort kann man feststellen, dass hier zwar in einigen Fällen Controlling draufsteht, aber keines drin ist.

Die notwendige ökonomische Fundierung einer Weiterbildung – gegebenenfalls in Konkurrenz zu alternativen Maßnahmen – ist durch diese Entscheidung eines ergebnisverantwortlichen Managers gegeben. Sie ist prinzipiell nicht – jedenfalls nicht im Rahmen von Controlling – delegierbar, auch nicht an eine Personalabteilung. Diese kann im Entscheidungszusammenhang beratende Aufgaben wahrnehmen.

Gleiches Recht für alle

Abweichungsanalysen (auf allen Unternehmensebenen) und Entscheidungen über daraus resultierende Optionen sind also eine originäre (Controllingmanagementaufgabe. Egal, ob es sich dabei um Einstellungs-/Entlassungs-, Versetzungsmaßnahmen, um organisatorische Veränderungen, um die Anschaffung neuer Maschinen, um die Durchführung eines Projektes oder eben um die Durchführung einer Weiterbildungsmaßnahme handelt – in der Regel geht es um das Controlling einer Investition, das bereits vor der Planung mit einer Entscheidung beginnt.14 Und immer gilt, dass das Controlling primär Nutzen und Kosten für ein Unternehmen und erst sekundär die besonderen Eigenarten seines jeweiligen Gegenstandes im Blick hat. Zugespitzt formuliert: das Controlling ist seinem jeweils besonderen Gegenstand gegenüber „blind“ beziehungsweise neutral – und muss dies auch sein. Controlling an sich „versteht“ nichts von Organisationen, von Maschinen, von Mitarbeiterführung, auch nichts von Produktion, Einkauf- oder Forschung und Entwicklung und schließlich auch nichts von Personal, Personalentwicklung, oder menschlichem Lernen.
14 vgl. z. B. Horváth & Partners (2009). S. 132 ff.

Dabei geht es in der Praxis keineswegs darum, dass Controlling den wirtschaftlichen Nutzen einer Investition objektiv auf Heller und Pfennig berechenbar macht. Das belegt auch eine Angabe von Horváth & Partners, der zufolge ca. 90 Prozent (!) aller Investitionen keinem Controlling unterliegen, entweder weil sie sich unterhalb der Schwelle befinden, ab der Investitionscontrolling in den meisten Unternehmen als sinnvoll erachtet wird,15 oder aus anderen Gründen. Was für alle anderen Investitionen gilt, gilt natürlich auch für Weiterbildungsinvestitionen: Es kommt in der Praxis selten oder nie darauf an, ihren Nutzen exakt zu quantifizieren und rechnerisch nachzuweisen.

Insofern gehört es zur Normalität von Controlling, Verfahren bereitzustellen, die letztlich nichts anderes leisten, als den wirtschaftlichen Nutzen von Investitionen zu fokussieren und nachweisbar im Sinne von plausibel zurechenbar zu machen. Hohe Effizienz dieser Verfahren ist besonders für mittelständische Unternehmen ausschlaggebend, weil diese mit geringem Overhead arbeiten müssen.
15 ebd. S. 142.

Viel Lärm um nichts

Ausgehend von diesen Überlegungen, werden viele Probleme, mit denen sich die Bildungscontrolling-Literatur seit Jahrzehnten befasst, und die den Mittelstand bislang von Bildungscontrolling ausschließen, entweder sehr einfach, oder sie verschwinden sogar ganz.

  • Der Nachweis eines Weiterbildungsnutzens kann auf aufwändige und zudem unrealistische Methoden16 verzichten, die von gemessener Teilnehmerzufriedenheit und gemessenen Lernergebnissen auf ebenfalls messbare Arbeitsplatzeffekte und von dort auf Unternehmensnutzen schließen, der dann noch monetarisiert wird, nachdem die Weiterbildung als objektiver Wirkfaktor durch Bilden und vergleichende Untersuchung einer Kontrollgruppe isoliert wurde. Dies klingt nicht nur kompliziert, es ist auch kompliziert.
  • Die ebenfalls aufwändigen Weiterbildungsbedarfserhebungen17 – meist nach dem Gießkannenprinzip – sind überflüssig. Es genügt die Feststellung eines sehr spezifischen Weiterbildungsbedarfs nach einer Interventionsentscheidung zur Behebung eines sehr spezifischen Abweichungsproblems in einem Arbeitssystem. Dafür werden komplizierte Methoden zur Erhebung eines Weiterbildungsbedarfs nicht benötigt.
  •  Der Transfer der Lernergebnisse hat es nicht mehr mit der Messung von Lernergebnissen und deren Umsetzung zu tun. es geht einfach nur noch um die Beobachtung, ob die bei der Investitionsplanung für eine Weiterbildung avisierte Beseitigung einer Abweichung eingetreten ist oder nicht, oder nur teilweise. Ob und was wirklich alles in einem Seminar (nicht) gelernt wurde, ist dafür nebensächlich.
  • Für die Bewertung und Darstellung der Weiterbildungsergebnisse verlieren Inputindikatoren (zum Beispiel Weiterbildungsausgaben und Schulungstage pro Mitarbeiter, Teilnehmerzufriedenheit, Aufwand, Effizienz und Qualität von Angeboten und Maßnahmen etc.) an Bedeutung zugunsten der Outputindikatoren: Unternehmensnutzen, Unternehmenserfolg und Wirkungen auf strategische Erfolgsgrößen. Weil letztere oft für schwer oder sogar für gar nicht messbar gehalten werden, verzichtet man bislang im Bildungscontrolling meist darauf. Getreu dem Motto: Gemessen wird nur das, was leicht messbar ist – egal ob wichtig oder nicht und egal wie aufwändig.

16 Vgl. stellvertretend für viele andere Phillips, Schirmer (2008)
17 Vgl. stellvertretend für viele andere Witzgall (1995)

Bildungscontrolling als Controlling ernst genommen

Horváth & Partners fassen die maßgebenden Faktoren eines Investitionscontrollings prägnant zusammen:18

„Aus unserer Sicht sind vor allem die folgenden spezifischen Fragestellungen beim Aufbau des Investitionscontrollings als relevant und wichtig anzusehen:

  • Ausrichtung an der Strategie,
  • Standardisierung der Investitionsrechnung,
  • Verwendung von Wertgrenzen zur Vereinfachung,
  • Kombination monetärer und nicht-monetärer Bewertung,
  • Durchführung von Soll-Ist-Vergleichen und Abweichungsanalysen“

Diese Kriterien sind Leitschnur des RKW-Bildungscontrolling-Ansatzes, und sie alle werden durch Instrumente realisierbar gemacht19.

Die Ausrichtung der Weiterbildung an der Unternehmensstrategie berücksichtigen wir in einigen Prozessschritten, in der „strategischen Ableitungsmatrix“20 und in dem Instrument „Wirkungen der Weiterbildungsmaßnahme auf strategische Erfolgsgrößen.“21

18 Horváth & Partners (2009), S. 140.
19 Vergleiche zum Folgenden RKW Baden-Württemberg (2013)
20 ebd. S. 17 ff.
21 ebd. S. 40 ff.

Mit dem Bildungscontrolling-Prozessmodell22 und dessen Beschreibung als Handlungsschema erfüllen wir die Forderung nach Standardisierung.

Die „Verfahrensanweisung Bildungscontrolling“23 bezeichnet die Möglichkeit, schwellenwerte für controllingrelevante Weiterbildungsinvestitionen einzuführen.

Durch den Bezug der Weiterbildung auf die Produktivität des Arbeitssystems24 findet die kombinierte monetäre/nicht-monetäre Bewertung statt: der Nutzenbeitrag zur Produktivität (nicht-monetäre Bewertung) kann immer, die monetäre Nutzenwirkung oft ermittelt werden.

Und das letzte Kriterium, die Begründung einer Weiterbildungsinvestition durch eine Abweichungsanalyse, lösen wir durch die Konzeptualisierung der Weiterbildung als Managementaufgabe ein: Der Abweichungsanalyse folgt die Weiterbildung, und deren Wirkung wird in einem Ist-Soll-Vergleich geprüft.

Insofern spiegelt die methodische Ordnung des RKW-Ansatzes den oben genannten Anforderungskatalog des Investitionscontrollings wider.

22 ebd. S. 4 ff.
23 ebd. S. 112 ff.
24 ebd. S. 33 ff.