Anreizsystem

Anreizsysteme können als Maßnahmenbündel verstanden werden, die dem Zweck der Motivationssteigerung dienen (Wohlfahrt et al., 2011). Generell werden hierunter Vergütungsstrukturen sowie materielle Incentives zusammengefasst. Damit ein Anreizsystem die erhoffte motivationale Wirkung bei Mitarbeitern erzielt, muss es an deren Bedürfnissen ausgerichtet sein. Experten stufen finanzielle Anreize nicht so hoch ein wie andere Mitarbeitergruppen. Experten ist es wichtig, dass die Grundvergütung als gerecht wahrgenommen wird, das heißt, dass die eigene Vergütung im ausgewogenen Verhältnis zur Vergütung der Vergleichsgruppe steht. Experten ziehen hierzu interne und externe Vergleichsgruppen heran. Die interne Vergleichsgruppe setzt sich aus vergleichbaren Mitarbeitern des Unternehmens zusammen, die sich hierarchisch auf demselben Niveau befinden. Um einen externen Vergleich zu ziehen, setzen Experten die eigene Vergütung mit der Vergütung anderer ins Verhältnis, die eine ähnliche Ausbildung und ähnliche Berufserfahrung haben. Um Gerechtigkeit bezüglich der Vergütung zu erzeugen, muss eine parallele Gehaltsstruktur zur Führungslaufbahn etabliert werden (Trost, 2014; Wohlfahrt et al., 2011) und darüber hinaus muss sich je Fachbereich an einem externen Benchmark orientiert werden, an den die Vergütung angepasst wird (Kauffeld, 2011). Experten wertschätzen eine direkte Belohnung erbrachter Leistungen, weshalb sich eine leistungsabhängige Entlohnung bei dieser Mitarbeitergruppe ebenso anbietet wie bei Führungskräften (Schulte, Hauser & Kirsch, 2009).

Eine besondere Bedeutung kommt den Statussymbolen zu, da aufgrund ihrer Sichtbarkeit nach außen Vergleiche mit anderen Mitarbeitern gezogen werden können. Die Gleichwertigkeit bezüglich der Statussymbole verlangt nicht nach der identischen Ausgestaltung der Incentivestrategien der Experten- und Führungslaufbahn, sondern bezieht sich darauf, dass diese als äquivalente Alternativen wahrgenommen werden und zur Stärkung des distributiven Gerechtigkeitsempfindens dienen. Um dem lauterwerdenden Ruf nach Individualisierung und Flexibilität von Karrierekonzepten gerecht zu werden, bietet sich ein Cafeteria-Ansatz an, bei dem Mitarbeiter je nach individuellen Präferenzen aus einem Pool von materiellen Anreizen wählen (Baruch, 2006; Domsch & Ladwig, 2011; Kirchler & Rodler, 2001; Wohlfahrt et al., 2011). Diesem Ansatz wird deshalb ein so hoher Stellenwert zugeschrieben, da er es ermöglicht, den diversen Bedürfnissen der Belegschaft entgegenzukommen, und somit das Potenzial besitzt, den Einzelnen durch spezifische Anreize zur Leistungserbringung anzuregen (Drumm, 2008; Domsch & Ladwig, 2011; Lyons et al., 2014; Nauta et al., 2009).

Als Statussymbole kommen für Experten prinzipiell solche in Frage, die auch bei Führungskräften eingesetzt werden. Hierzu zählen beispielsweise größere Büros mit gehobener Büroausstattung in Abhängigkeit der Hierarchieebene, Unterstützung durch ein Sekretariat, flexible Arbeitszeitgestaltung, ein Dienstwagen oder ein eigenes Reisebudget (Gerpott, 1994; Trost, 2014). Experten schätzen allerdings andere Anreize mehr, die zum Beispiel in der Art der Aufgaben selbst liegen, die Experten übertragen bekommen und aus dem Grad an Freiraum resultieren, der Experten gewährt wird (siehe 5.7 Arbeits- Aufgabengestaltung) oder die ein vielfältiges Weiterbildungsangebot und das Angebot eines eigenen Weiterbildungsbudgets umfassen (Domsch & Ladwig, 2011; Schein, 1994; Trost, 2014; siehe 5.8 Personalentwicklung). Die zuletzt genannten Anreize sind deshalb für Experten von großer Bedeutung, da sie ihr Selbstkonzept stark mit der eigenen Arbeit verbunden sehen und sich mit den eigenen Leistungen identifizieren. Experten schätzen Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Expertise und zum Ausbau der eigenen Employability sowie interessante Aufgaben deshalb so sehr, da diese Anreize intrinsische Motivation erzeugen (Kauffeld, 2011). Weiterhin ist die Anerkennung durch die Scientific Community und durch Peers für Experten von großer Relevanz (Katz, Tushman & Allen, 1990; Schein, 1990). Um das Bedürfnis nach Anerkennung zu stillen, können Anreize wie die Entsendung auf Kongresse oder Fachtagungen genutzt werden, wodurch Experten mit Peers in Kontakt kommen. Weitere Formen der Anerkennung bestehen darin, die Ernennung sowie die Beförderung von Experten unternehmensweit zu kommunizieren (Heimerl-Wagner, 1994). Hierzu können zum Beispiel Ernennungszeremonien abgehalten oder Expertenpositionen im Organigramm sichtbar gemacht werden (Domsch & Ladwig, 2011).

Damit Expertenlaufbahnen tatsächlich als gleichwertig zur Führungslaufbahn wahrgenommen werden, sind weitreichende Kulturveränderungen notwendig, die ein Umdenken und die Überwindung eines Karriereverständnisses erfordern, bei dem ausschließlich das Aufsteigen in Führungspositionen eine Karriere bedeutet (Dubbert & Linde, 2000; Francke & Chmielarski, 2010). Dies hat Auswirkungen auf die impliziten Wertvorstellungen, Einfluss- und Machtverhältnisse zwischen Führungskräften und Experten, da traditionell jegliche Macht bei Führungskräften liegt (Allen & Katz 1986; Allen & Katz, 1991; Katz, Tushman & Allen, 1995). Trost (2014) fasst zusammen, dass Führungskräfte institutionell das Sagen behalten, solange diese über Experten entscheiden (siehe 5.9 Unterstellungsverhältnis). Diese Wahrnehmung muss verändert werden, um eine echte Gleichberechtigung beider Laufbahnen herzustellen, bei der Führungskräfte und Experten dasselbe Ansehen genießen und über ähnliche Einflussmöglichkeiten verfügen (Francke & Chmielarski, 2010; Schein, 1990). Ein erster Schritt in Richtung dieser Kulturveränderung kann durch die augenscheinliche Ausrichtung der Expertenlaufbahn an der Führungslaufbahn gewährleistet werden (Gerpott, 1994). Werden keine Maßnahmen ergriffen, die zur gegenseitigen Verständnisförderung beitragen, sehen Allen und Katz (1992) die Gefahr der Entfremdung von Experten und Führungskräften, was Probleme bei der Zusammenarbeit mit sich bringt. Dies könnte darin resultieren, dass Experten spezielle Facharbeiten verrichten, die sich vom Unternehmensbedarf wegentwickeln.

Aus den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Praxisvergleichen geht hervor, dass in 18 von 19 Unternehmen die Vergütung von Experten gleichwertig zu der Vergütung von Führungskräften ausfällt. 12 von 13 Unternehmen gestalten Statussymbole für Experten parallel zu denen der Führungskräfte. Nur bei einem Unternehmen (O2 Germany) wird resümiert, dass „keine durchgehende gleichwertige Ausgestaltung“ der Laufbahnmodelle hinsichtlich Compensation & Benefits besteht (Hedler & Miketta, 2007, S. 129). Statussymbole, die in den Praxisbeiträgen genannt werden, sind Entscheidungsbefugnisse, Verantwortlichkeiten (Fach- & Budgetverantwortung), Rechte (Unterschriftsrecht, Informationsverteilung: Einbeziehen in Verteiler, Informationsrunden, Führungskräftemeetings, Berichtsweg), separate Weiterbildungsmaßnahmen für die Expertenlaufbahn, eigenes Weiterbildungsbudget, Möglichkeit zum Auslandseinsatz, Dienstwagen, Benzinkostenzuschuss, Beförderung mit Titelvergabe, Visitenkarte mit Titel, Kennzeichnung von Expertenstatus im Intranet/Organigramm, Einbindung in Führungs- und Forschungsgremien, Teilnahmen an Kongressen und Konferenzen, Zugang zu Plattformen für Wissensaustausch und Networking-Aktivitäten, flexible Arbeitszeitgestaltung, Vertrauensarbeitszeit, Einzelbüro mit gehobener Büroausstattung, Parkplatz, Bereitstellung von Venture Capital zur Verwirklichung von eigenen Ideen, Freistellungszeitraum für Forschungszwecke sowie Zusatzleistungen (Apotheke, Fitnessstudio, Ärzte).