Einsatzgebiete für Expertenlaufbahnen

Generell eignen sich Expertenlaufbahnen in allen wissensintensiven Bereichen eines Unternehmens. Hierzu zählen vorrangig die Forschung & Entwicklung, IT-, Finanz- und Controllingabteilung (Trost, 2014), aber auch die Fertigung, das Marketing, die Personal- und Rechtsabteilung sowie alle Unternehmensbereiche, in denen planerisch und strategisch gearbeitet wird (Deuter & Stockhausen, 2011). Expertenlaufbahnen sind in erster Linie in der Forschung und Entwicklung sowie in ingenieurnahen Bereichen erforscht worden. Maßgeblich tragen zum heutigen Wissenstand die Untersuchungen von Allen, Katz und Tushmann (Allen & Katz, 1986; Allen & Katz, 1992; Katz & Tushman, 1990; Katz, Tushmann & Allen, 1995) bei, die verschiedenen Fragestellungen bezüglich der Dual-Ladder-Systeme nachgehen. Zusammenfassend kann zu diesen Studien gesagt werden, dass sich Expertenlaufbahnen in allen Bereichen der Forschung und Entwicklung sowie im Ingenieurwesen bewährt haben. Specht, Beckmann und Amelingmeyer (2002) betonen, dass die Forschung und Entwicklung in besonderem Maße von Expertenlaufbahnen profitiert, da der Erfolg in diesem Unternehmensbereich besonders von dem Fachwissen, der Kreativität sowie der Motivation der Mitarbeiter abhängt und Expertenlaufbahnen eine Möglichkeit darstellen, diese Ressourcen optimal auszunutzen. Diese These wird von Biersack, Kettner und Schreyer (2007) unterstützt, die weiterhin anmerken, dass in der Forschung und Entwicklung zukünftig ein steigender Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften bestehen wird.

Am häufigsten wurden Expertenlaufbahnen unternehmensweit oder beschränkt auf die Bereiche Entwicklung sowie Fertigung etabliert, wie Stockhausen und Deuter (2011) in einer Umfrage unter 63 deutschen Unternehmen herausfanden. Besonders wichtig sind Expertenlaufbahnen in den Bereichen, die zukünftig von großer strategischer Relevanz für das Unternehmen sind und in denen sich eine systematische Förderung von Wissen und talentierten Mitarbeitern als wertschöpfend erweist (Francke & Chmielarski, 2010).

Um den Zielen der Mitarbeiterbindung und der Arbeitgeberattraktivität zuträglich zu sein, sollten Expertenlaufbahnen in den Unternehmensbereichen implementiert werden, in denen unternehmensintern eine Nachfrage hierfür besteht. Die Ergebnisse einer Umfrage zu den Karrierepräferenzen von Studierenden zeigt, dass Expertenlaufbahnen3 eine Alternative zur Führungslaufbahn darstellen, die sich insbesondere für Studierende von MINT-Studienfächern als attraktiv erweisen (Busolt, Wiegel, Weber & Kronsbein, 2013; Schmidt, 2013). Nach einer Untersuchung des Instituts für Personalwesen und Arbeitswissenschaft (I.P.A.) ist eine starke Nachfrage von Expertenlaufbahnen bei Mitarbeitern in der Forschung und Entwicklung von Chemieunternehmen zu beobachten, der nur ein geringes Angebot gegenübersteht (Domsch, 1994). Untersuchungen zeigen weiterhin, dass Industrieforscher überdurchschnittlich unzufrieden sind und dass eine Fluktuation als Reaktion auf eine empfundene Überqualifizierung der Mitarbeiter und der teilweisen Bestätigung der Überqualifizierung durch die Vorgesetzten eintreten könnte (Haugrund, 1990; Domsch & Ladwig, 2011). Für diese Mitarbeiter könnten Expertenlaufbahnen zufriedenheitssteigernd wirken, da alternative Aufstiegsmöglichkeiten für Industrieforscher eine höhere Motivationswirkung besitzen als der Aufstieg durch eine traditionelle Führungskarriere (Gerpott, 1994). Bei Umstrukturierungen von Unternehmen, wie sie zum Beispiel infolge der Abflachung der Hierarchien zu beobachten ist, können Expertenlaufbahnen ebenfalls zur Bindung hochqualifizierter Spezialisten dienen. Schein (1990) weist darauf hin, dass im Zuge des Lean Managements besonders in den IT-Abteilungen weniger General Manager und vermehrt IT-Spezialisten benötigt werden.

Expertenlaufbahnen können in den Unternehmensbereichen, die vom Fachkräftemangel betroffen sind, als Gegenmaßnahme eingesetzt werden. Statistiken der Bundesagentur für Arbeit und des Statistischen Bundesamtes belegen deutlich, dass insbesondere das Potenzial hochqualifizierter Frauen in der deutschen Wirtschaft bislang nicht ausgeschöpft wird und somit Fachkräftepotenziale ungenutzt bleiben (Häublein, 2014; Mischke & Wingerter, 2012). An den präsentierten Zahlen wird die Bedeutung deutlich, die Hochschulabsolventinnen zur Schließung der Fachkräftelücke zukommt (Häublein, 2014; Rump & Eilers, 2014; Mischke & Wingerter, 2012). Dies gilt insbesondere für MINT-Berufe, in denen der Bedarf an ausgebildeten Mitarbeitern besonders spürbar ist und in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind (Rump & Eilers, 2014; Solga & Pfahl, 2009). An diese Idee anknüpfend, können Expertenlaufbahnen ebenfalls als Werkzeug zur Erhöhung des Anteils weiblicher Mitarbeiter eingesetzt werden, sofern diese entsprechend den Bedürfnissen dieser Zielgruppe konzipiert werden.

Es hat sich als sinnvoll erwiesen, Expertenlaufbahnen in einem Pilotprojekt vorerst in ausgewählten Bereichen eines Unternehmens einzuführen und erst zu einem späteren Zeitpunkt auf weitere Bereiche bzw. unternehmensübergreifend auszuweiten. Dieses schrittweise Vorgehen hat zum Vorteil, dass zunächst erste Erfahrungen gesammelt und ggf. Änderungen an dem Expertenlaufbahnkonzept vorgenommen werden können, bevor es gesamtheitlich implementiert wird (Berthel & Koch, 1985; Francke & Chmielarski, 2010; Gerpott, 1994).

3 Es wird nicht spezifiziert, ob hier unter Fachlaufbahnen Experten-, Projekt- und Gremienlaufbahnen zusammengefasst werden oder ob es sich ausschließlich um Expertenlaufbahnen handelt.