Karrieremanagement

Trotz des Wandels von organisational gesteuerten Karrieren hin zu individuell gestaltbaren Karrieren wäre es falsch, anzunehmen, dass Organisationen keinen Einfluss auf die Karrieren der Mitarbeiter haben (Baruch, 2006; Clarke, 2008; Hall, 1996; King, 2004; Visagie & Koekemoer, 2014). Schließlich sind vor allem die objektiven Indikatoren des Karriereerfolgs durch Unternehmen beeinflusst. Zahlreiche Studien belegen außerdem die Vorteilhaftigkeit eines aktiven Karrieremanagements sowohl für Organisationen als auch für Mitarbeiter (De Vos et al., 2007; Baruch, 2004; Ng et al., 2005; Sullivan, 1999). In vielen Unternehmen haben sich deshalb Praktiken etabliert, bei denen gleichzeitig durch das Unternehmen (organizational career management, OCM) und die Mitarbeiter (career self-managemet, CSM) Karrieremanagement betrieben wird (Baruch, 2006; De Vos et al., 2007; Sturges, Conway, Guest & Liefooghe, 2005; Sturges, Guest, Conway & Mackenzie Davey, 2002).

Unter dem OCM werden alle Aktivitäten zusammengefasst, die seitens des Unternehmens geplant und durchgeführt werden und eine Einflussnahme auf die Karrieren von Mitarbeitern beabsichtigen (De Vos et al., 2007). Aus Sicht des Human Resource Managements geht es beim OCM darum, Mitarbeitern dabei zu helfen, ihre Potenziale umzusetzen und gleichzeitig den zukünftigen Personalbedarf zu berücksichtigen (Litz, 2012). Zum OCM zählen formelle Maßnahmen wie Assessment Center, Trainings, Mentoring-Programme, das Anbieten von Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten, das Erstellen personalisierter Entwicklungspläne sowie eher informelle Maßnahmen, wie die Bereitschaft zur unvoreingenommenen Karriereberatung und der Unterstützung beim Networking (Sturges et al., 2002). Werden unternehmensseitig Hilfestellungen geboten, die dem Mitarbeiter Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der eigenen Karriere ermöglichen, tragen diese zu einem gesteigerten Commitment dem Arbeitgeber gegenüber bei (Sturges et al., 2002). Dies kann mithilfe der Austauschtheorie (Blau, 1964) erklärt werden, die ebenso den Umkehrschluss zulässt, dass das Ausbleiben derartiger Hilfestellungen zu nicht erwünschtem Verhalten (zum Beispiel Abwesenheit von der Arbeit, Fluktuation) beziehungsweise negativen Einstellungen gegenüber dem Arbeitgeber führt (Sturges et al., 2005).

Die Rolle, die Arbeitnehmer bei der Gestaltung ihrer eigenen Karriere spielen, ist im Sinne der proteischen Karriere immer stärker von proaktivem Verhalten und Eigeninitiative geprägt (Baruch, 2006; Hall, 2002; Mulhall, 2011; Quigley & Tymon, 2006; Seibert & Kraimer, 2001; Seibert, Crant & Kraimer, 1999). Das CSM hängt eng mit der Employability (Beschäftigungsfähigkeit, Arbeitsmarktfähigkeit) einer Person zusammen. Employability ist im Sinne des CSM als die „Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten“ (Rump & Eilers, 2006, S. 21) zu verstehen. Hierzu zählen unter anderem die Teilnahme an Schulungen und Trainings zur eigenen Kompetenzerweiterung, Arbeitgeberwechsel, wenn keine Entwicklungsmöglichkeiten beim derzeitigen Arbeitgeber bestehen, oder Auslandsaufenthalte (De Grip, Van Loo & Sanders, 2004; Gerards, De Grip, Witlox, 2014). De Grip et al. (2004) weisen auf die Verantwortung hin, die Unternehmen tragen, um die Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern zu erhalten oder zu erhöhen. So müssen Ressourcen und Chancen seitens des Unternehmens zur Verfügung gestellt werden, die Mitarbeiter nutzen können, um ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern (Speck, 2008). Allerdings stellt sich die Frage, weshalb Unternehmen ihre Mitarbeiter darin unterstützen sollten, ihre Kompetenzprofile vielseitiger und fachübergreifend auszurichten (De Grip et al., 2004; Sturges et al., 2002). Schließlich führt diese gesteigerte Employability dazu, dass Mitarbeiter für andere Unternehmen attraktiver werden und führt innerhalb des Unternehmens zu Machtverlusten, komplexeren Führungsprozessen, Kostensteigerungen sowie Veränderungen der Unternehmenskultur (Rump & Eilers, 2006). Das Argument für die Förderung der Employability liegt darin begründet, dass Unternehmen von der gesteigerten Employability der eigenen Mitarbeiter profitieren: Mitarbeiter sind aufgrund einer gesteigerten Beschäftigungsfähigkeit unternehmensintern vielseitiger einsetzbar, was dem Unternehmen eine gesteigerte Flexibilität beim Personaleinsatz ermöglicht (Atkinson, 1984; De Grip et al., 2004; Nauta, Vianen, Heijden, Dam & Willemsen, 2009). Hierdurch können freie Stellen leichter intern nachbesetzt werden und eine externe Rekrutierung kann unterbleiben. Außerdem wird durch eine gesteigerte Employability der Mitarbeiter die Reaktionsgeschwindigkeit, Innovationsfähigkeit, Kundenorientierung, Arbeitgeberattraktivität und das Unternehmensimage (Rump & Eilers, 2006) sowie das Commitment gegenüber dem Arbeitgeber gestärkt, was wiederum die Bereitschaft zum Arbeitgeberwechsel senkt (De Grip et al., 2004; Nauta et al., 2009).

De Grip et al. (2004) machen darauf aufmerksam, dass sich der Employability-Gedanke besonders in solchen Bereichen durchsetzen sollte, die stark von technischen und organisatorischen Neuerungen betroffen sind, in denen der internationale Wettbewerb besonders stark ist oder wo der demographische Wandel, bezogen auf die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte, besonders spürbar ist. Hier kommt es stärker als in weniger dynamischen Branchen darauf an, Flexibilität zu wahren, um situationsgerecht auf Veränderungen im Markt reagieren zu können.

Aus dem Zusammenspiel von OCM und CSM wird deutlich, dass beide Arten des Karrieremanagements positive Effekte mit sich bringen und dass sich beide gegenseitig verstärken (Sturges et al., 2002). Während Unternehmen ihren Mitarbeitern zeitgemäße Entwicklungsmöglichkeiten anbieten müssen, liegt es am Mitarbeiter, das eigene Kompetenzprofil so auszurichten, dass weitere Karriereschritte gegangen werden können.