Merkmale von Experten

Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie Mitarbeiter erkannt werden, die potenziell die Expertenlaufbahn einschlagen könnten. Die Merkmale, die Experten aufweisen, können zum einen aus der Sicht des Unternehmens beschrieben werden, indem festgestellt wird, welche Eigenschaften dieses Unternehmen sucht. Zum anderen können die Kennzeichen von Experten aus der Perspektive der Mitarbeiter selbst angeführt werden.

Unternehmenssicht
Lang (2009) schlägt folgende Kriterien zur Abgrenzung von Fachexperten zu anderen Mitarbeitergruppen vor: Fachexperten zeichnen sich durch ihr tiefes, fachbezogenes und für den Unternehmenserfolg relevantes Wissen aus, entwickeln dieses weiter und sorgen dafür, dass dieses Wissen auf eine nachvollziehbare Art und Weise dokumentiert wird, um dem Unternehmen erhalten zu bleiben. Außerdem sind sie maßgeblich an der Produktentwicklung oder der Lösungsfindung zukünftig relevanter Probleme beteiligt, indem sie Trends sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft beobachten und diese gegebenenfalls auf das eigene Fachgebiet beziehen. Ein erheblicher Anteil der betrieblichen Wertschöpfung geht auf Fachexperten zurück, da sie mithilfe ihres Know-hows zur Effizienzsteigerung beitragen. Oft beraten Fachexperten Führungskräfte bei strategischen Fragestellungen und sind bei der operativen Umsetzung unterstützend eingebunden. Darüber hinaus wird bei Fachexperten nicht das Ausmaß an Führungspotenzial erkannt, dass ihnen die Aufnahme einer Führungskarriere ermöglicht.

Der Anspruch, den Unternehmen an ihre Fachexperten stellen, hat sich erheblich geändert, so dass nicht mehr allein Fachkompetenzen zur Feststellung des Potenzials für eine Expertenlaufbahn eine Rolle spielen. Vielmehr suchen Unternehmen heute nach Mitarbeitern, die zusätzlich hohe Ausprägungen überfachlicher Kompetenzen aufweisen. Zu diesen zählen Kommunikations-, Sozial und unter Umständen auch Management sowie interkulturelle Kompetenzen (Domsch & Ladwig, 2011; Francke & Chmielarski, 2010; Hertig, 2008; siehe 5.4 Anforderungskriterien). Diese Kompetenzen sollen es Fachexperten ermöglichen, übergreifende Tätigkeiten wahrzunehmen, um somit der Organisation den höchstmöglichen Nutzen zu bringen.

Die Notwendigkeit für Fachspezialisten, über Kommunikationskompetenzen zu verfügen, ergibt sich aus der Rolle, die diese Mitarbeiter einnehmen. Diese kann darin bestehen, Nachwuchsexperten an zukünftige Aufgaben heranzuführen. Hierzu sind gezielte Kommunikation, die Fähigkeit zur Vermittlung komplizierter Sachverhalte sowie Präsentationstechniken notwendig (Peters & Dengler, 2004). Ebenfalls müssen Beratungskompetenzen vorliegen, sobald Experten als Berater des Managements eingesetzt werden. Die Fähigkeit, komplizierte Themenstellungen einfach darzustellen, und Abstraktionsvermögen, das es Experten ermöglicht, sich in andere Denkweisen – wie die von Führungskräften – einzufühlen, gewinnen somit an Relevanz. Durch diese ständige Interaktion mit anderen Mitarbeitergruppen – zumindest auf höheren Ebenen innerhalb der Fachhierarchie – müssen soziale Kompetenzen vorliegen, die es den Experten ermöglichen, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu formen. Wie oben bereits angemerkt, müssen Fachexperten, zumindest auf höheren Hierarchiestufen innerhalb der Expertenlaufbahn, auch dazu in der Lage sein, unterstellte Mitarbeiter anzuleiten. Oftmals handelt es sich hierbei zwar nicht um ein disziplinarisches Unterstellungsverhältnis, sondern lediglich um ein fachliches, dennoch sind Managementkompetenzen bei Anwärtern der Expertenlaufbahn von Bedeutung. Auch bei den Fachspezialisten, die keine Personalverantwortung übernehmen, ist in jedem Fall ein fachliches Anleiten von Aufgaben und Themen innerhalb des jeweiligen Wissensgebietes notwendig, weshalb es anzuraten ist, nach übergreifenden Managementskills bei Fachspezialisten zu suchen (Francke & Chmielarski, 2010; Peters & Dengler, 2004). Interkulturelle Kompetenzen kommen dann zum Tragen, wenn Fachexperten zum Beispiel in länder- beziehungsweise kulturübergreifenden Teams zusammenarbeiten.

Mitarbeitersicht
Die Personen, die die Zielgruppe der Expertenlaufbahn bilden, unterscheiden sich von solchen, die vorzugsweise die Führungslaufbahn einschlagen (Hofmann, 2008). Zur Erklärung können Charaktertheorien der Motivation (zum Beispiel Karriereanker (Schein, 1990) oder Schlüsselmotive (Brousseau, Driver Eneroth & Larsson, 1996)) herangezogen werden, die erläutern, wie Motivation infolge von unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften und persönlichen Neigungen entsteht (Friedli, 2002).

Fachexperten sind vorrangig durch interessante Fachaufgaben zu motivieren und weniger an Führungsaufgaben interessiert (Friedli, 2002; Stock-Homburg, 2010). Dem geht voraus, dass Experten beruflichen Erfolg anders wahrnehmen als Personen, die eine Führungslaufbahn anstreben. Während die Anerkennung, die Führungskräften durch hierarchisch höhergestellte Führungskräfte entgegengebracht wird, vorrangig erfolgsdefinierend für Führungskräfte ist, legen Experten mehr Wert auf die Anerkennung ihrer Leistung durch Fachkollegen oder Peers (Katz & Tushman, 1990). Experten wertschätzen die Freiheit, eigene Interessen verfolgen zu können, Verantwortung im eigenen Bereich zu übernehmen sowie Möglichkeiten zur Machtausübung innerhalb ihrer Peergroup (Katz & Tushman, 1990).

Allen und Katz (1992) zeigen, dass die Expertenlaufbahn vor allem für junge Forscher und Ingenieure attraktiv ist, die eine hohe Karriereorientierung aufweisen. Dies liegt darin begründet, dass diese Mitarbeiter durch die Sozialisierungsprozesse an der Universität einen großen Wert auf wissenschaftliches Arbeiten und theoriegeleitetes Vorgehen legen. Im Laufe des Berufslebens, ab einem Alter von Anfang bis Mitte 30 etwa, nimmt das Interesse an der Expertenlaufbahn und der Möglichkeit zum vertikalen Aufstieg unter Mitarbeitern stetig ab, was damit zusammenhängt, dass Mitarbeiter durch die ersten Berufsjahre resozialisiert werden und feststellen, dass wissenschaftliches Arbeiten in Wirtschaftsunternehmen nicht dasselbe ist wie an der Universität. Stattdessen steigt das Interesse für interessante Aufgaben und Projekteinsätze (Allen & Katz, 1992). Insofern ist es wichtig, dies bei der Konzeption von Expertenlaufbahnen im Hinterkopf zu behalten, Möglichkeiten zur Projektarbeit einzuräumen und Wechsel zwischen verschiedenen Karrierepfaden zu ermöglichen.