Veränderungsprinzipien

Wenn Du immer wieder das tust, was Du immer schon getan hast, dann wirst Du immer wieder das bekommen, was Du immer schon bekommen hast.

Paul Watzlawik

Dieser Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung benötigt – wie jedes Entwicklungsprojekt auch – neben einer flexiblen Prozessarchitektur ein bestimmtes Arbeitsverständnis. Eine den Prozess unterstützende Haltung scheint für das Gelingen unverzichtbar – und damit wesentlicher als die Anwendung bestimmter Tools oder Methoden. Die folgenden Prinzipien sollen diese Haltung nachvollziehbar beschreiben.

Vom Ende her gedacht

1. Nur eine passende Lösung ist eine gute Lösung!

Passende Geschäftsmodelle sind immer höchst individuell. Was für das eine Unternehmen vielversprechend ist, kann für ein anderes Unternehmen derselben Branche unmöglich zu erreichen sein.

Auch wie die Zukunft eingeschätzt wird – ob eher kleinere Anpassungen oder gravierende Veränderungen angesagt sind –, ist zu allererst ein Ergebnis des Geschäftsmodellentwicklungsprozesses und eine unternehmerische Entscheidung. Dabei spielen Risikobetrachtungen eine große Rolle: Ist das Risiko zu scheitern größer, wenn das Unternehmen (mehr oder weniger) so bleibt wie es ist? Oder das Risiko, das mit einer erheblichen Veränderung einhergeht?

2. Alles hat seinen Preis!

Keine Veränderung in einem Unternehmen, die den Namen verdient, ist kostenlos zu haben. Wer anderes verspricht, übersieht Wesentliches: Wer sich für Standardisierung entscheidet, entscheidet sich gegen Individualität. Wer sich für Schnelligkeit entscheidet, entscheidet sich gegen Sorgfalt. Daran ändern im Allgemeinen auch technische Innovationen nur wenig.

Die Tragfähigkeit einer Entscheidung profitiert von der bewussten Berücksichtigung der (zumindest erheblichsten) Preise. Und zwar denjenigen, die eine Neuerung mit sich bringen würde, wie auch denjenigen, die entstünden, wenn notwendige Veränderungen ausbleiben. Ist kein Preis in Sicht, kann man getrost weitersuchen: Es gibt einen.

Organisationsdynamiken

3. Veränderungen sind der Normalfall, Stillstände erklärungsbedürftig!

Unternehmen passen sich laufend an ihre Umwelt an. Veränderung ist also der Normalfall und erfordert nicht zwingend eine (ausformulierte) Strategie.

Häufig genug entsteht zwischen den Erwartungen der Entscheider und der Dynamik des Unternehmens eine Lücke. Der Umbruch will nicht (schnell genug) gelingen, (erwünschte) Erfolge bleiben aus, es gibt Widerstände oder Probleme werden weiter mitgeschleppt. Die Gründe dafür können vielschichtig sein und auf der inhaltlichen (dies und nicht das), der zeitlichen (heute dies, morgen das) oder der sozialen Ebene (ich dies, du das) liegen. Beispiele sind unrealistische Ziele, abweichende Einschätzungen, unterschiedliche Risikobereitschaft, gegensätzliche Interessen, Konflikte im Team oder problematische Persönlichkeitsstrukturen einzelner Führungspersonen.

Hier lohnt es sich, im Tagesgeschäft innezuhalten und sich genau darüber klar zu werden, wohin der Weg ins Morgen gehen soll und warum er nicht so gelingen will, wie erhofft. In manchen Fällen bewahrt das „Pläne-funktionieren-nicht“ die Organisation vor Schlimmeren, nämlich der Umsetzung eines unpassenden Plans.

4. Kommunikation ist der Schlüssel!

Denn Organisationen bestehen aus Kommunikation und jede ernst gemeinte Veränderung ist kommunikativ. Deshalb ist eine Geschäftsmodellentwicklung in erster Linie ein kommunikativer Prozess im Entscheiderkreis.

Ziel ist es, ausgehend von einem gemeinsamen Blick aufs Heute, ein geteiltes Bild von der Zukunft zu entwickeln. Dabei geraten Interessenkonflikte, Widersprüche und Risiken, aber auch geteilte Einschätzungen und Möglichkeiten unweigerlich in den Blick und können bearbeitet werden. Dies gelingt häufig gut auf der Grundlage der bestehenden Spielregeln in der Organisation.

Werkzeuge, wie das Geschäftsmodell-Cockpit, können als Kommunikationsplattformen diesen Austauschprozess sinnvoll unterstützen.

Prozessführung

5. Denke ganzheitlich, aber bleib fokussiert!

Ein gelungener Verständigungsprozess ist nicht trivial. Denn die Komplexität des Sachverhalts und zahllose Wechselwirkungen können leicht dazu führen, dass Gespräche immer wieder zu kreisen beginnen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Um diesem Impuls entgegenzuwirken, ist es entscheidend, verschiedene Geschäftsfelder, Optionen, Themen- und Problemfelder zunächst getrennt voneinander zu betrachten. Gelingt es auf der anderen Seite aber nicht, die Teilergebnisse sinnvoll zusammenzuführen, droht mitunter eine Paralyse durch Analyse. Erst in der sinnvollen Kombination aus Entflechten und Verbinden besteht die Chance, von einem Überblick zu einem Durchblick zu gelangen. Zudem verlangt Geschäftsmodellentwicklung nicht nur analytisches, sondern vor allem auch kreatives Denken und Organisationstalent. Entscheidend ist, dass alles zur richtigen Zeit seinen verdienten Raum erhält. Dieses Prinzip ist mitunter schwerer umzusetzen als vielleicht erwartet. Einige Tools, wie das Geschäftsmodell-Cockpit oder die Geschäftsfeldsegmentierung, unterstützen dies. Am Ende geht es jedoch nicht ohne das Bewusstsein, dass es auch dann einer Fokussierung bedarf, wenn klar ist, dass alles mit allem zusammenhängt.

6. Jeder Prozess verläuft anders und unerwartet!

Selbstverständlich ist ein Prozess zur Geschäftsmodellentwicklung kein Selbstzweck, sondern muss sich konsequent an dem orientieren, was der Einzelfall braucht. Situationen sind zu unterschiedlich, als dass ein Standardvorgehen die passenden Antworten liefern könnte. Jeder Prozess muss individuell konfektioniert werden und jederzeit flexibel sein für neue Wendungen und Iterationen. Es scheint deshalb ratsam, vorsichtig oder zumindest bewusst mit scheinbaren Heilsversprechen umzugehen, seien es Branchentrends oder Entwicklungsansätze, die bereits Ausgangspunkt, Richtung und Innovationshöhe zu starr definieren. Denn sie beinhalten gleichzeitig auch immer die Gefahr, Möglichkeiten rechts und links des Weges aus den Augen zu verlieren und dem Rezept den Vorzug vor dem Erfolg des Unternehmens zu geben.

Einheit von Planung und Umsetzung

7. Veränderungen brauchen eine fundierte Bestandsaufnahme & entschiedenes Handeln!

Da organisatorische Muster für Stabilität stehen, sind für ihre Veränderungen entschiedene und synchronisierte Maßnahmen gefragt, die meist auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Für das, was passiert, wenn das eine (Analyse) oder andere (Handeln) fehlt, kennen Organisationen diverse Beschreibungen: „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ oder die berühmte „Sau, die wieder durch das Unternehmen getrieben wird“.

8. Studieren geht Hand in Hand mit Probieren!

Die Crux an jeglicher Planung besteht darin, dass die Zukunft ungewiss ist – mehr noch: Vieles deutet darauf hin, dass sich die Unternehmensumwelten in schnellerer Abfolge verändern, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war. Wer dennoch handlungsfähig bleiben möchte, profitiert davon, Veränderungsprozesse so zu gestalten, dass Planungen und die resultierende Wirklichkeit in kurzen Schleifen reflektiert werden (Stichwort „agil“). Wichtiger als ausgefeilte und detaillierte Pläne scheint ein nachvollziehbares und prägnantes Zukunftsbild zu sein, an dem sich Führungskräfte und Mitarbeiter auch dann orientieren können, wenn sich an der Planung etwas verändert.