Unternehmensgründungen sind primär ein regionales Ereignis. Der Schritt, sich selbstständig zu machen, hängt jedoch von einer Reihe verschiedener Faktoren ab. Die tatsächliche Umsetzung wird unter anderem davon beeinflusst, inwiefern Gründungsinteressierte günstige Bedingungen für einen Schritt in die Selbstständigkeit in ihrem regionalen Umfeld vorfinden und wahrnehmen … oder eben nicht.
Der Fokus in diesem Artikel liegt daher auf den regionalen Unterschieden innerhalb des deutschen Gründungsgeschehens, betrachtet auf Ebene der Bundesländer. Die dargestellten Ergebnisse stammen aus dem Global Entrepreneurship Monitor (GEM), den das RKW Kompetenzzentrum für Deutschland gemeinsam mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeografie der Leibniz Universität Hannover durchführt. Bei den vorgestellten Werten pro Bundesland handelt es sich um den Mittelwert der Befragungsjahre 2014-2018, um statistisch belastbare Ergebnisse sicherzustellen.
Die Wahrnehmung von Gründungschancen variiert von Bundesland zu Bundesland erheblich.
Die Einschätzung der Gründungschancen in Deutschland ist – insgesamt betrachtet – in den letzten Jahren optimistischer geworden und erreichte 2017 den höchsten Wert seit Beginn der Erhebungen im Rahmen des GEM: 42,1 Prozent der Befragten sahen zum Befragungszeitpunkt gute Gründungsmöglichkeiten. Diesen sehr erfreulichen Wert bestätigt die ähnlich positive Einschätzung aus dem Jahr 2018 (42 Prozent). Somit hat sich in Deutschland gründungsklimatisch einiges verbessert. Hierzu hat – neben anderen Faktoren – auch die Gründungspolitik von Bund, Ländern und Kommunen mit zahlreichen Programmen und Initiativen einen Beitrag geleistet.
Die individuelle Einschätzung der Gründungschancen differiert jedoch im regionalen Vergleich zugunsten einzelner westdeutscher Bundesländer: So schätzen 57 Prozent der Befragten aus Hamburg, gefolgt von rund 48 Prozent aus Bayern und Baden-Württemberg die Gründungschancen für die nächsten sechs Monate als „gut“ ein, dort ist das Gründungsklima im Bundesvergleich also am günstigsten. Dagegen fällt die Wahrnehmung von Gründungschancen in Sachsen-Anhalt (17 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (23,7 Prozent) und Schleswig-Holstein (29 Prozent) am geringsten aus.
Die Differenzen zwischen den einzelnen Regionen sind also teilweise sehr groß und werden unter anderem auch durch die jeweilige (Wirtschafts-)Struktur der Bundesländer beeinflusst. Die Attraktivität großer Ballungszentren zieht Gründungswillige natürlich grundsätzlich an. Allerdings stehen infrastrukturellen Vorteilen von großen Metropolregionen mit einer guten wirtschaftlichen Lage auch hohe Kosten, geringe Verfügbarkeit von Büroflächen sowie ein Gehaltswettbewerb um leistungsfähige Mitarbeiter gegenüber. In den neuen Bundesländern sind in dieser Hinsicht, insbesondere in ländlich geprägten Regionen, komparative Kostenvorteile zu erzielen. Doch haben es neue Firmen, die Privatkonsumenten ansprechen, hier wegen der im Durchschnitt etwas geringeren Kaufkraft etwas schwerer, genügend Kunden im direkten Umfeld zu gewinnen. Auch kann es für junge Unternehmen eine größere Herausforderung sein, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden oder an den Standort zu binden. Grundsätzlich ist in großen Städten die Gründungsunterstützungslandschaft besser ausgebaut und vielfältiger. Gleichzeitig bestehen jedoch diesbezüglich in vielen Regionen durch eine stärkere Bündelung von Maßnahmen sowie intensive Kooperation zwischen den regionalen Stakeholdern große Chancenpotenziale.
Gründungsquote: Stadtstaaten und Hessen haben die Nase vorn
Und wie stellt sich das tatsächliche Gründungsgeschehen im Bundesländervergleich dar? Besonders häufig wird der Schritt in die berufliche Selbstständigkeit in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sowie in Hessen gewagt. Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bilden die Bundesländergruppe mit der zweithöchsten Gründungsquote. In Rheinland-Pfalz sowie in den neuen Bundesländern (mit Ausnahme von Thüringen) wird hingegen im Bundesvergleich am seltensten gegründet.
Die den Bundesländern entsprechenden Werte der TEA-Quote (Total Early-stage Entrepreneurial Activity) sind in Abbildung 2 dargestellt. Bei der Betrachtung der tatsächlichen Gründungen wird deutlich, dass an der Tabellenspitze in der Regel eine Übereinstimmung mit der Einschätzung der Gründungschancen besteht: Die Regionen mit den meisten Gründungen – Berlin, Hamburg, Bremen sowie Hessen – schneiden bei den wahrgenommenen Gründungschancen ebenfalls überdurchschnittlich ab. Gleichzeitig lässt sich auch am Tabellenende eine gewisse Deckungsgleichheit feststellen: So werden in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg die Gründungschancen als eher negativ bewertet und die Anzahl an tatsächlichen Gründungen ist ebenfalls gering. Es gibt jedoch auch vereinzelte Bundesländer, in denen beide Werte auseinanderliegen. So wird in Thüringen etwas häufiger gegründet, als es die Bewertung der Gründungschancen vermuten lassen würde.
Die Einschätzung der Gründungsfähigkeiten ist gleich(-mäßiger) verteilt
Bei der Analyse der Einschätzung der Gründungsfähigkeiten sind, anders als bei der vorangegangenen Betrachtung der Gründungschancen, die Unterschiede zwischen den Befragten aus den einzelnen Bundesländern deutlich geringer. Hier schätzen 40 Prozent der Befragten aus dem Saarland und knapp 40 Prozent aus Hessen, Bayern sowie Baden-Württemberg, dass sie über das nötige Wissen, die Fähigkeiten und die Erfahrung zur Unternehmensgründung verfügen. Dahingegen besteht in Sachsen-Anhalt (28,3 Prozent), Sachsen (31,8 Prozent), Brandenburg (33,4 Prozent) sowie in Thüringen (34,4 Prozent) noch ein größerer Qualifizierungsbedarf. Das Saarland (Platz 1 im Ranking) unterscheidet sich nur um knapp 12 Prozentpunkte von Sachsen-Anhalt (16. Platz im Ranking). Zwischen dem 1. und dem 16. Platz im Ranking der Wahrnehmung der Gründungschancen lagen hingegen rund 40 Prozentpunkte. Dieser deutliche Unterschied in der Wahrnehmung der externen Faktoren gegenüber den eigenen Fähigkeiten deutet darauf hin, dass in den Bundesländern mit einer geringeren Gründungsquote ein noch nicht ausgeschöpftes Gründungspotenzial vorhanden ist.
Die TEA-Quote (Total Early-stage Entrepreneurial Activity) bezeichnet den Prozentanteil derjenigen 18- bis 64-Jährigen, die während der letzten 3,5 Jahre ein Unternehmen gegründet haben und/oder gerade dabei sind, ein Unternehmen zu gründen.
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