Das Prozessmodell

Der möglichst erfolgreiche Weg vom Heute ins Morgen, das heißt vom bestehenden Geschäftsmodell zu einem anderen ist nicht zuletzt eine Frage der sinnvollen Prozessgestalltung. Mit unserem Prozessmodell beschreiben wir also einen idealtypischen Weg, die Stragegieentwicklung und -umsetzung zu gestalten. Er ist zu einem Standard geworden, ohne dass wir dies beabsichtigt hätten: Ausgehend von der Annahme, dass jeder Strategie- oder Geschäftsmodellentwicklungsprozess unternehmensindividuell anzlegen ist, hat sich in neun von zehn Unternehmen im weitesten Sinne diese Struktur gebildet. Daher nutzen wir diesen Ablauf als Rahmen, der individuell anpassbar bleiben muss.

2: Der geneigte Leser mag feststellen, dass die hier gewählten Stationen nicht deckungsgleich mit dem später darzustellenden idealtypischen Porzess sind. Dies ist keine Nachlässigkeit unsererseits, sondern darin begründet, dass hier Schwerpunkte benannt werden, während sich die Darstellung des idealtypischen Prozesses am grundlegenden Ablauf und möglicherweise einzusetzenden Tools orientiert. Mit dieser Unterscheidung betonen wir außerdem die lockere Kopplung von Prozessmodell und einsetzbaren Tools.

Auf einen Blick: Geschäftsmodellentwicklung in fünf Akten(Im Fokus unseres Prozesses steht zunächst einmal die Sachebene. Davon ausgehend bearbeiten wir (wie oben bereits angedeutet) auch immer die soziale Ebene, also individuelle Ängste, Interessen und Muster mit - dort wo notwendig und dann wenn sie eine Bedeutung für den Prozess bekommt.)

  1. Den Boden bereiten – In einem ersten Schritt führt der Weg vom Anliegen zum Fokus, der Veränderungsimpuls wird also aufgegriffen und eingeordnet. Nur selten ist der erste Schmerz, der zu dem Impuls eines Geschäftsmodellentwicklungsprozesses führt, bereits hinreichend plausibel und stimmig. Dabei ist es unerheblich, ob der Impuls aus dem Inneren des Unternehmens („strategische Not“) oder aus der Umwelt (beispielsweise aus den Interessenlagen der Gesellschafter) kommt. Daneben sind die Grundlagen für einen erfolgversprechenden Prozess zu schaffen, beispielsweise indem Geschäftsfelder sauber segmentiert werden.
  2. Das Bestehende aufnehmen und würdigen – Die Bestandsaufnahme nimmt erfahrungsgemäß einen breiten Raum ein. Eine gewisse Gründlichkeit beim Blick auf Kunden, Alleinstellungsmerkmale, Kernkompetenzen und so weiter lohnt sich meist, zum einen weil die heutige Notwendigkeit eines Strategieprozesses nicht selten auf strategische Versäumnisse der Vergangenheit hinweisen, die bei einer solchen Vorgehensweise aufgeklärt werden können. Mit dem Identifizieren von Verbesserungspotenzialen ist der Sinn dieser Phase nicht hinreichend ausgeschöpft. Vielmehr geht es hier ebenfalls darum, dass nicht „das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird“, also erfolgsrelevante Faktoren beschädigt oder vernachlässigt werden. Und es geht darum, eine gemeinsame Ausgangsbasis zu schaffen, von der aus sich die Zukunft denken und gestalten lässt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein geteilter und würdigender Blick auf das, was ist, zu einer geteilten Orientierung auf eine bestimmte Zukunft überleitet, ohne dass darüber explizit hätte gesprochen werden müssen.
  3. Öffnen und Hinterfragen – Die Öffnung beginnt in der Regel mit einer kurzen Trendanalyse und buchstabiert im Anschluss die bestehenden strategischen Optionen aus. Hier zeigt sich auch, welche Informationen noch fehlen, damit der Entscheiderkreis auch guten Gewissens Entscheidungen treffen kann. Wir haben diesen Prozessschritt ohne Ausnahme als offen und kreativ erlebt, Vieles kann hier ausgesprochen werden - ein wesentlicher Wirkfaktor für eine nachhaltige Veränderung. Schließlich kann diese Phase sinnvollerweise dazu genutzt werden, die erarbeiteten Optionen prägnanter werden zu lassen.
  4. Schließen und Entscheiden – Ohne Entscheidung hält der Prozess nicht, was er versprochen hat. Sind alle möglichen Optionen bis zu diesem Punkt deutlich herausgearbeitet, lässt sich für die eigentliche Entscheidung zumindest auf inhaltlicher Ebene keine weitere Hilfestellung anbieten.
  5. Konsolidieren und Umsetzung vorbereiten – Die Entscheidung zur Umsetzung einer Option auf Geschäftsfeldebene bleibt ohne Blick auf das gesamte Unternehmen vorläufig. Das Formulieren erster Schritte oder veränderungsleitender Prinzipien kann dabei helfen, strategische Überlegungen in die Lebenswirklichkeit des Unternehmens zu bringen.

Zu einer knappen Erläuterung des Prozessmodells selbst:

  • Vier Quadranten: Der Geschäftsmodellentwicklungsprozess selbst läuft auf eine Entscheidung hinaus, bei der sich der oder die Entscheider auf der Grundlage der vorhandenen Informationen auf eine wünschenswerte Zukunft festlegen, darum läuft der Prozess vom Gestern ins Morgen. Diese Unterscheidung ist auch deshalb relevant, weil häufig das Neue neben dem Alten gedeihen muss und in kleinen und mittleren Unternehmen selten etwas auf der "grünen Wiese" entsteht, das Neue also in der Regel auf dem Alten aufbaut. Daneben zielt der Prozess darauf ab, das Innen und Außen in Verbindung zu bringen und so möglichen Fixierungen oder Blockaden auf die Spur zu kommen, warum sich das Unternehmen nicht ohne einen solchen Prozess an die sich verändernde Umwelt anpasst. Daneben sprechen einige Indizien dafür, dass eine starke Passung zwischen Innen und Außen, also den Kernkompetenzen und Kundenerwartungen einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor darstellt (vgl. Große-Oetringhaus 1996).
  • Fünf Phasen: Typischerweise läuft der Gesamtprozess in mehreren mehr oder weniger klar voneinander abgegrenzten Phasen ab. Innerhalb dieser Phasen verdichtet sich sukzessive ein gemeinsam getragenes Bild, wie das Geschäftsmodell von morgen aussehen soll. Dafür werden gezielt - getrennt voneinander aber aufeinander bezogen - verschiedene Perspektiven eingenommen: Analytische Elemente wechseln beispielsweise mit kreativen, öffnende mit schließenden oder ganzheitliche mit detaillierten Betrachtungen. Eine genauere Beschreibung der Phasen finden Sie in dem Kasten auf Seite 9.
  • Zehn Elemente: Die dargestellten Elemente sind als Schwerpunkte zu verstehen. Sie werden im Rahmen des Kapitels 3 "Ein idealtypischer Ablauf" anhand ausgewählter Tools und unserer jeweiligen Erfahrungswerte im Detail dargestellt. Innerhalb eines Workshop-Tages werden typischerweise mehrere dieser Elemente, mitunter sogar mehrere Phasen, bearbeitet.