Zentrale Ergebnisse in Deutschland

Anstieg der Gründungsquote

Die Total early-stage Entrepreneurial Activity (TEA) in Deutschland befindet sich im Jahr 2019 mit 7,6 % auf einem neuen Höchststand. Dieser Wert ist der höchste, der seit Beginn der GEM-Datenreihe vor 20 Jahren ermittelt wurde. Auch die TEA-Quoten für Männer (9,5 %) und Frauen (5,7 %) sind so hoch wie noch nie zuvor seit 1999.

Trotz dieses Anstiegs belegt Deutschland unter 33 vergleichbaren Ländern mit hohem Einkommen bei einer Gründungsquote von 7,6 % lediglich Rang 28. Auffällig ist der große Rückstand Deutschlands gegenüber Ländern wie den USA, Kanada und Chile, deren Anteil der Gründenden an der 18–64-jährigen Bevölkerung 2019 zwei- bis fünfmal so hoch ist wie jener Deutschlands.

Junge Gründende überwiegen

In Deutschland liegen im Jahre 2019 die beiden jüngsten der im GEM erfassten Altersgruppen mit einer TEA-Quote von 10,1 % (18–24-Jährige) und 11,8 % (25–34-Jährige) deutlich über dem Mittelwert aller 18–64-Jährigen. Die TEA-Quote der beiden genannten Altersgruppen ist zweieinhalbmal so hoch wie jene der 55–64-Jährigen. Auffällig ist, dass die Gründungsaktivitäten insbesondere bei den 35–44-Jährigen (TEA-Quote 7,3 %) im Vergleich zu den Vorjahren in Deutschland zurückgegangen sind.

In Deutschland sind fast die Hälfte der TEA-Gründungen Teamgründungen mit wenigstens zwei Gründungspersonen. 52,9 % entfallen auf Sologründungen, also ohne andere Miteigentümerinnen und Miteigentümer. Im Mittel sind in Deutschland 2,14 Personen an einer Gründung in Form einer Miteigentümerschaft beteiligt.

Migrantinnen und Migranten gründen häufiger

Die TEA-Quote der Migrantinnen und Migranten in Deutschland ist auch 2019 mit 11,8 % deutlich höher als die der einheimischen Bevölkerung (TEA-Quote 7,4 %). Migrantinnen und Migranten gründeten seit deren Erfassung im GEM-Deutschland stets häufiger als einheimische Personen, einzige Ausnahme bildet das Jahr 2018. Migrantinnen und Migranten sind im GEM als nicht in Deutschland geborene Personen definiert.

Mehr als jede zweite migrantische Gründungsperson gründet aus Mangel an Erwerbsalternativen. Lediglich jede vierte migrantische Person gründet aus dem Motiv heraus, einen größeren Wohlstand und ein höheres Einkommen zu erzielen. Bei der einheimischen Bevölkerung ist dieser Wert statistisch signifikant höher.

Zwei Drittel der Migrantinnen und Migranten äußern den Wunsch, mit dem Unternehmen die Welt zu verändern. Im Gegensatz dazu sind nur 42 % der einheimischen Gründenden dieser Meinung.

Zudem zeigen migrantische Gründungspersonen eine wesentlich stärkere internationale Ausrichtung (bezogen auf den Umsatz) ihrer Unternehmungen als die einheimische Vergleichsgruppe. In Bezug auf den Grad der Innovativität sind bei Produkt- und Prozess-Weltneuheiten die Prozentanteile migrantischer Gründungen deutlich niedriger als jene der in Deutschland geborenen Personen.

„Fortführung der Familientradition“ als wichtigstes Gründungsmotiv

Im aktuellen GEM-Länderbericht wird erstmalig zwischen vier Gründungsmotiven unterschieden. Zwei Drittel der TEA-Gründungspersonen in Deutschland geben dem Motiv „Fortführung der Familientradition“ die beiden höchsten Bewertungen der Fünferskala. Das andere nicht direkt ökonomische Motiv, „Verändern der Welt“, kommt auf einen Mittelwert von 44 % Zustimmung. Die Werte für beide ökonomischen Gründungsmotive sind etwas niedriger: 43 % der TEA-Gründungspersonen stimmen dem Gründungsmotiv „Lebensunterhalt verdienen“ zu sowie 32 % dem Gründungsmotiv „Einkommen erhöhen“.

Einstellungen zum Gründungsgeschehen in Deutschland

63 % der Deutschen (68 % der Männer, aber nur 57 % der Frauen) würde die Angst vor dem Scheitern nicht vom Schritt in die Selbstständigkeit abhalten. Deutschland belegt damit Platz 7 in der Rangliste der 33 einkommensstarken Staaten, von denen Südkorea und Norwegen vergleichsweise wenig Angst vor dem unternehmerischen Scheitern haben. 52,2 % der Befragten nehmen die Gründungschancen in der näheren Zukunft und in der Region, in der sie leben, als gut wahr (Rang 15 unter den einkommensstarken GEM-Ländern). Der Anteil der Befragten, die gute Gründungschancen sehen, differiert in Deutschland zwischen Männern (56 %) und Frauen (48 %).

Weiterhin sind 46 % der befragten 18–64-Jährigen der Ansicht, dass sie ausreichende Fähigkeiten und Erfahrungen zur Umsetzung einer Gründung besäßen (Rang 27 unter den 33 Referenzstaaten). Männer sind statistisch signifikant häufiger als Frauen der Überzeugung, die notwendigen Fähigkeiten und Erfahrungen zu besitzen (54 % vs. 37 %).

Technologieintensität: Deutschland im Mittelfeld

Gut ein Viertel der TEA-Gründungen offeriert ein Produkt oder eine Dienstleistung, das/die mindestens für ganz Deutschland neu ist und zusätzlich mindestens bundesweit (und nicht nur lokal oder regional) angeboten wird. Damit liegt Deutschland im Mittelfeld der 33 Länder mit hohem Einkommen.

10,3 % der TEA-Gründenden sind im mittleren und hohen Technologiebereich aktiv. 11 % bieten ein zumindest für Deutschland neuartiges Produkt oder eine neuartige Dienstleistung an. 20,8 % der TEA-Gründenden planten zum Zeitpunkt der Befragung eine besonders (erwartete) wachstumsstarke Gründung oder haben sie seit 2016 verwirklicht.

Räumliche Verteilung von Kundinnen und Kunden und Exportorientierung der TEA-Gründungen

91,4 % der jungen Unternehmen haben Kundinnen und Kunden in der Region der Gründung bzw. erwarten diese für ihre werdende Gründung. 68,1 % der TEA-Gründenden erreichen zusätzlich auch Kundinnen und Kunden „Andernorts in Deutschland“ oder „Außerhalb von Deutschland“ (50,3 %).

Einen Exportanteil am Umsatz generiert nur etwas weniger als die Hälfte der TEA-Gründenden bzw. erwarten diesen zu generieren.

Gründungsbezogene Rahmenbedingungen im Aufwärtstrend

Insgesamt schneiden der Schutz des geistigen Eigentums, die Wertschätzung und Offenheit der deutschen Konsumierenden gegenüber neuen Produkt- und Dienstleistungsangeboten von Gründenden sowie öffentliche Förderprogramme im Zuge der Bewertung durch die GEM-Expertinnen und -Experten (n=66) am besten ab.

Im Vergleich zum Jahr 2018 ist eine leicht positive Veränderung vor allem bei gründungsbezogenen Rahmenbedingungen wie „Gründungskultur“, „Schulische bzw. außerschulische Gründungsausbildung“ sowie „Finanzierung“ zu verzeichnen.

In der internationalen Gegenüberstellung belegt Deutschland den 13. Platz im Vergleich zu den 33 Ländern mit hohem Einkommen. Deutlich besser platziert als Deutschland sind beispielsweise die Schweiz und die Niederlande. Schlechter bewertete Rahmenbedingungen weisen unter anderem Kroatien oder die Slowakei auf.

Unternehmensnachfolge als Gründungsoption ausbaufähig

Bestehende Matching-Formate reichen teilweise noch nicht aus, um die Unternehmensinhabenden mit Übergabeabsicht und potenzielle Übernehmende effektiv zusammenführen. Trotz der umfassenden Angebote bewertet die Hälfte der befragten Gründungsexpertinnen und -experten die Beratung von Neugründenden zur Unternehmensübernahme als steigerungsbedürftig. Zudem wird die Einschätzung des gesellschaftlichen Bekanntheitsgrades der Unternehmensnachfolge als Gründungsoption von fast 60 % der Befragten als ausbaufähig bewertet. Eine stärkere Zusammenführung der Gründerszene mit dem etablierten Mittelstand bietet langfristig auch die Chance, das Thema Nachfolge bei angehenden Gründenden noch besser zu positionieren.

Frühzeitige Förderung digitaler Kompetenzen

Immerhin 26 % der Befragten schätzen ihre digitalen Kompetenzen positiv ein. Etwas mehr als 57 % geben an, dass sie Kreativität und die Fähigkeit, aus Ideen einen wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen, besitzen.

Vonseiten der Gründungsexpertinnen und -experten wird der Bevölkerung in Deutschland eher eine schwache Gründungsund Innovationskompetenz zugeschrieben. Am besten schneiden die technologischen Fähigkeiten zur Schaffung von Innovationen im Bereich Umweltschutz ab.

Die Vermittlung von digitalen Kompetenzen erfordert die Integration neuer Unterrichtsmethoden. Ein wichtiger Ansatz wäre hier ein spezielles Curriculum für alle Studierenden, welches digitale Grundfertigkeiten fächerübergreifend vermittelt.

Die Empfehlungen an die Politik adressieren sechs zentrale Handlungsfelder:

  1.  „Unternehmensnachfolge“
    Bezogen auf die Unternehmensnachfolge bietet sich eine stärkere Verknüpfung der Gründerszene mit dem etablierten Mittelstand an. Hierdurch entstehen neue Kontakte und Handlungsoptionen, sowohl für die Übergeberinnen und Übergeber als auch die potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger.
  2. „Gründungsaktivitäten in ländlichen Regionen“
    Investitionen in die digitale Infrastruktur, wie insbesondere der flächendeckende Ausbau von Gigabitnetzen, können dazu beitragen, ländliche Regionen für Gründende attraktiver zu gestalten.
  3. „Gründungen durch Frauen“
    Durch den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, durch Aktivitäten, die Frauen für MINT-Bildungsbereiche gewinnen, sowie durch die Stärkung der medialen Präsenz von Gründerinnenvorbildern kann die Anzahl Gründungen durch Frauen gesteigert werden.
  4. „Gewerbeanmeldung und Steuerentlastungen“
    Durch Steuersenkungen für junge und wachsende Unternehmen, Entlastungen bei den steuerrechtlichen Berichtspflichten und die Ermöglichung einer unbürokratischen digitalen Gewerbeanmeldung können Unternehmensgründungen begünstigt werden.
  5. „Wissens- und Technologietransfer“
    Der Wissens- und Technologietransfer aus Hochschulen in die Wirtschaft sowie die Ausgründungen aus Hochschulen können dadurch gesteigert werden, dass die Markt- und Einschätzungskompetenz der Kommerzialisierbarkeit von Forschungsergebnissen bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgebaut werden und der regionale Dialog zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft (insbesondere mit KMU) erhöht wird.
  6. Gründungs- und Innovationskompetenzen“
    Durch neue Bildungs- und Lernkonzepte, welche den Umgang von jungen Menschen mit digitalen Medien und Technologien fördern, sowie Grundfähigkeiten, selbst digitale Produkte schaffen zu können, kann die Gründungs- und Innovationskompetenz in Deutschland gestärkt werden.