Gründungsmotive in Deutschland 2019

Gründungsmotive sind das Ergebnis von Lebens-, Berufs- und Ausbildungserfahrungen der betreffenden Individuen, aber auch von Einflüssen ihrer Peergroups und der Medien (insbesondere Rollenvorbilder, vgl. Wyrwich et al. 2019). Diese Faktoren beeinflussen nicht nur, ob eine Person überhaupt gründen will oder tatsächlich gründet, sondern auch, warum sie das tut – und damit auch, welche ökonomischen Wirkungen eine solche Gründung für die Person selbst und welche Effekte dieser Art Gründung im Aggregat für die Regionaloder Volkswirtschaft insgesamt hat. Gründet jemand beispielsweise primär, um die Welt zu verändern, wird die Erhöhung oder gar Maximierung des individuellen Einkommens eher nicht im Mittelpunkt stehen und das junge Unternehmen auch nicht stark wachsen, denn für die Gründungsperson ist dies gar kein Gründungsmotiv.

Abbildung 10 präsentiert die vier aus der vorherigen Abbildung bekannten Gründungsmotive und stellt dar, wie hoch der Prozentanteil derjenigen TEA-Gründungspersonen ist, die diesen Motiven „zustimmen“ oder „voll zustimmen“, differenziert nach Geschlecht, (Aus-)Bildungsstand sowie Alter.

Frauen stimmen allen vier Motiven stärker zu als Männer. Am eklatantesten ist diese Differenz beim Motiv „Fortführung einer Familientradition“ mit fast 18 Prozentpunkten, am geringsten beim Motiv „größerer Wohlstand und höheres Einkommen“. Das häufigste genannte Gründungsmotiv für Frauen ist die „Fortführung einer Familientradition“; vier Fünftel der TEA-Gründerinnen geben diesem Motiv die beiden höchsten Zustimmungswerte auf der FünferLikert-Skala. Auch für die befragten Männer unter den TEA-Gründenden ist dies im Mittel das wichtigste Motiv. Der Abstand zu den übrigen drei Motiven ist noch größer als bei den Gründungsmotiven der Frauen. Auffallend und für die Autorenschaft des GEM-Deutschland in diesem Ausmaß überraschend: Das klassische Gründungsmotiv „größerer Wohlstand und höheres Einkommen“ spielt in Deutschland für die meisten Frauen (nur 38 % nennen es wichtig) sowie Männer (29 %) keine zentrale Rolle. Überhaupt scheinen außerökonomische Gründe wichtiger als ökonomische. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind diesbezüglich geringer als erwartet.

Bei Betrachtung der Altersstruktur fällt dreierlei auf. Erstens ähneln sich die sehr jungen (18–24 Jahre) und die sehr alten Gründungspersonen (54–64 Jahre) bzgl. ihrer Motivstruktur, nur bei „Lebensunterhalt verdienen“ sind die Werte der Jüngeren deutlich höher als die der Älteren. Aus ökonomischer Not gründen in Deutschland ältere Personen relativ selten, verglichen mit jüngeren. Zweitens sind für die mittlere Altersgruppe (35–44 Jahre), die lange Zeit die gründungsstärkste in Deutschland war, die beiden außerökonomischen Motive absolut und relativ am wichtigsten. Die Werte dieser Altersgruppe liegen teils deutlich vor den anderen vier Altersgruppen. Tendenziell umgekehrt verhalten sich, drittens, die Werte der 18–24-Jährigen: Die ökonomischen Gründungsmotive erzielen in Relation höhere Werte als bei allen anderen Altersgruppen. Insbesondere vergeben gut 40 % der 18–24-Jährigen TEA-Gründungspersonen die beiden höchsten Zustimmungswerte für das hohe Einkommen, der größte Wert aller Altersgruppen. Allerdings ist, nicht überraschend, der Anteil der TEA-Gründenden mit dem Motiv „Verändern der Welt“ (55 %) unter den ganz Jungen so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe.

Auch die Differenzierung nach formalem (Aus-)Bildungsstand ergibt einerseits einige überraschende Befunde und bestätigt andererseits Erwartungen. Zu beachten ist, dass die Indikatoren des Bildungs- bzw. Ausbildungsstandes zu vier Kategorien zusammengefasst wurden, ursprünglich liegen Daten für acht Kategorien vor. Ein Blick auf Abbildung 10 erlaubt drei Schlussfolgerungen. Erstens unterscheiden sich die Motivstrukturen zwischen den vier Bildungskategorien weniger stark, als dies bei Geschlecht und Alter der Fall war, nur beim Motiv „Verändern der Welt“ sind die Differenzen etwas ausgeprägter. Beim Motiv „Fortsetzen einer Familientradition“ gibt es dagegen überhaupt keine (signifikanten) Unterschiede zwischen den vier Bildungskategorien. Zweitens lässt sich keine einfache Beziehung, etwa nach dem Motto je höher (oder niedriger) der Bildungsstand, umso wichtiger ist ein bestimmtes Gründungsmotiv, erkennen. Drittens bewerten die TEA-Gründungspersonen mit einem Hochschuloder Universitätsabschluss die außerökonomischen Gründungsmotive deutlich höher als die ökonomischen Gründe „großer Wohlstand und höheres Einkommen“ sowie „Lebensunterhalt verdienen“.