Der Gründungsstandort Deutschland im internationalen Vergleich

Der im GEM-Länderbericht Deutschland 2017/18 eingeführte National Entrepreneurship Context Index (NECI) wird im vorliegenden Bericht fortgeführt. Der Index setzt sich aus den Ergebnissen von zwölf in allen GEM-Ländern untersuchten gründungsbezogenen Rahmenbedingungen und deren Gewichtung durch die Befragten zusammen und stellt die Rahmenbedingungen je Land in einem Index dar. Der NECI-Index dient als weiteres Instrument zur Identifizierung von Stärken und Schwächen bezogen auf die gründungsbezogenen Rahmenbedingungen der einzelnen GEM-Länder im internationalen Vergleich.

Für die Erstellung des Index wurden die Rahmenbedingungen entsprechend ihrer zugeteilten Bedeutung, basierend auf den Urteilen der Befragten, gewichtet. Je höher der Indexwert, desto besser werden die gründungsbezogenen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land insgesamt eingeschätzt.

Der Durchschnitt des NECI für alle 34 Länder in der Gruppe mit hohem Einkommen, zu der auch Deutschland gehört, beträgt 4,84 (vgl. Abbildung 29), bezogen auf eine Skala von 0 bis 10.

Deutschland erreicht 2019 einen NECI-Wert von 5,04 und hat sich somit im Vergleich zum Jahr 2018 geringfügig verschlechtert (2018: 5,36). Der Wert des Indexes ist 2019 auch fast in allen anderen Ländern mit hohem Einkommen, die im Ranking vor Deutschland liegen, leicht gesunken (um ca. 0,50). Dazu gehören beispielsweise die Niederlande, die USA oder Luxemburg. Gleichzeitig sind diese drei Länder durch signifikant höhere Gründungsaktivitäten gekennzeichnet. Der Zusammenhang zwischen den gründungsbezogenen Rahmenbedingungen und dem Gründungsgeschehen muss aber in jedem Land individuell betrachtet werden. So nehmen beispielsweise einzelne Länder, in denen die TEA-Quote über 10 % beträgt (zum Beispiel Puerto Rico, Kroatien oder die Slowakei) die letzten Plätze bei der Bewertung des NECI-Wertes ein.

Betrachtet man in der Abbildung 29 nur die Länder aus Europa befindet sich Deutschland beim NECI-Indikator in der Spitzengruppe (sechster Rang). Auf dem ersten Platz steht die Schweiz, wo der Wert des Index im Vergleich zu 2018 leicht gestiegen ist (um ca. 0,30). Ähnlich wie im letzten Jahr liegen die Niederlande bei diesem Indikator wieder weit vorne (6,51; Rang 2).

Die Herausforderungen zur Stärkung des Gründungsstandortes Deutschland beziehen sich auf eine Reihe von Faktoren, die sich in den vergangenen Jahren im Rahmen der GEM-Befragung als besonders persistent herauskristallisiert haben. Dazu gehören insbesondere die schulische Vorbereitung auf die unternehmerische Selbstständigkeit sowie der für sich genommen starke Arbeitsmarkt.

Im Vergleich zum Jahr 2018 kann bei diesen Rahmenbedingungen eine leicht positive Veränderung festgestellt werden. Beispielsweise wurde die schulische Gründungsausbildung von insgesamt 68 % der Befragten 2019 negativ eingeschätzt. 2018 waren es noch 81 %, die diesem Themenfeld ein negatives Urteil ausgestellt haben. Gleichzeitig schreiben die Gründungsexpertinnen und -experten diesem Themenfeld einen hohen Stellenwert zu. Deswegen besteht ähnlich wie in den letzten Jahren hier weiterhin Handlungsbedarf.

Die gute konjunkturelle Lage und die damit verbundenen attraktiven Angebote auf dem Arbeitsmarkt sind nur einige von vielen Ursachen, warum sich verhältnismäßig wenige Personen dazu entscheiden, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Zudem stehen viele Gründende, aber auch etablierte Unternehmen, in Deutschland vor der Herausforderung, qualifizierte Fachkräfte zu finden.

Die Mehrheit der Befragten schätzt die Suche nach und Einstellung von qualifizierten Arbeitskräften als besonders schwierig ein. Diese Erkenntnis überrascht nicht und wird auch in anderen Studien bestätigt (vgl. DIHK-Gründerreport 2019). Laut des KfW-Gründungsmonitors 2019 gab es bei jeder zehnten Neugründung Probleme, die angestrebte Zahl an Mitarbeitenden zu erreichen (vgl. KfW-Gründungsmonitor 2019).

Der Bitcom-Mittelstandsbericht 2019 weist auf 82.000 unbesetzte Stellen von IT-Fachkräften in Deutschland hin (vgl. IT-Mittelstandsbericht 2019). Aufgrund der digitalen Transformation fast aller Branchen in Deutschland ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach IT-Fachkräften weiter steigen wird.

Der demografische Wandel wird auch dazu führen, dass sich die Engpässe voraussichtlich noch verschärfen werden – wenn die „Baby-Boomer“-Generationen, also die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre, in den nächsten Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden.

Deutschland liegt mit einem NECI-Wert von 5,0 über dem NECI-Durchschnittswert von 4,8 für alle 34 Länder mit hohem Einkommen. Im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern belegt Deutschland den sechsten Platz.