Betrachtung ausgewählter gründungsbezogener Rahmenbedingungen

In diesem Abschnitt werden vier gründungsbezogene Rahmenbedingungen näher behandelt:

  • Wertschätzung von Innovationen
  • Wissens- und Technologietransfer
  • Schutz geistigen Eigentums
  • Unternehmensbezogene Dienstleistungen

Zudem werden zwei Sonderthemen des diesjährigen Länderberichts dargestellt, die nicht Teil des regulären jährlichen Datensatzes sind:

  • Unternehmensnachfolge
  • Gründungs- und Innovationskompetenz in der deutschen Bevölkerung

6.2.1 Wertschätzung von Innovationen

Der NES beleuchtet die Rahmenbedingung „Wertschätzung von Innovationen“ aus zwei unterschiedlichen Perspektiven. Im ersten Themenblock wird die Bereitschaft von Konsumentinnen und Konsumenten untersucht, sich mit neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen zu befassen. Ähnlich wie 2018 wird dieser Aspekt im Vergleich zu den anderen gründungsbezogenen Rahmenbedingungen in Deutschland von den Gründungsexpertinnen und -experten (n = 66) überwiegend positiv bewertet.

Der zweite Teil des Themenblockes „Wertschätzung von Innovationen“ erfasst die Bereitschaft von Unternehmen, sich mit neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen zu beschäftigen. Insgesamt schätzen 64 % der Expertinnen und Experten, dass die Unternehmen gegenüber neuen Technologien und Denkansätzen aufgeschlossen sind (vgl. Abbildung 19). Die deutsche Wirtschaft ist demnach durch Offenheit gegenüber neuen Technologien gekennzeichnet.

Allerdings sehen 44 % der sowie Befragten Handlungsbedarf bei bestehenden Gesetzen und Regulierungen, da sie junge und wachsende Unternehmen teilweise daran hindern können, neue Technologien und Innovationen in den Markt einzuführen.

Nur ein Teil der etablierten Unternehmen ist bereit, mit neuen und wachsenden Unternehmen zu kooperieren. Bezogen auf eine Zusammenarbeitsform, in der das Start-up die Zulieferung leistet, sehen rund ein Drittel der befragten Expertinnen und Experten eine Offenheit seitens der schon länger bestehenden Betriebe (vgl. Abbildung 20). Andere Studien zeigen auch, dass junge Unternehmen einen bedeutenden Beitrag zur gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung von Innovationen leisten können. Häufig entwickeln junge Unternehmen gemeinsam mit den etablierten Unternehmen neue komplementäre Produkte bzw. Dienstleistungen, um den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden entgegenzukommen. Sie werden dann durch das Start-up mit der neu entwickelten Technologie in bestehende Produkte etablierter Unternehmen integriert (vgl. EFI 2019, S. 52). Zu den anderen Zielen der Kooperationen zwischen jungen und etablierten Unternehmen gehören aus Sicht der Start-ups insbesondere ein verbesserter Kunden- und Markzugang, die Gewinnung von Technologiewissen und -expertise sowie eine höhere Reputation und ein besseres Image.

Start-ups gelten häufig als Impulsgebende für etablierte Unternehmen. Das Gründungspanel von IAB/ ZEW weist darauf hin, dass der Anteil von jungen Unternehmen, die 2017 eine Marktneuheit eingeführt haben, mit 11 % höher ist als der Durchschnitt bei den etablierten Unternehmen (7,5 %) (vgl. IAB/ ZEW-Gründungspanel). Zukunftspotenziale bestehen also in einer weiteren Vertiefung der Kooperationsbereitschaft von etablierten Unternehmen und Neugründungen.

6.2.2 Wissens- und Technologietransfer

Die Rahmenbedingung „Wissens- und Technologietransfer“ beschreibt zentrale Aspekte des Know-how-Transfers von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu Unternehmen sowie den Zugang zu den neuesten Technologien. Insgesamt wird das Niveau des Wissens- und Technologietransfers von den Gründungsexpertinnen und -experten in Deutschland unter allen gründungsbezogenen Rahmenbedingungen im Mittelfeld eingestuft. Lediglich 42 % (n = 66) der Expertinnen und Experten sind der Meinung, dass der Technologie- und Wissenstransfer von Universitäten bzw. öffentlichen Forschungseinrichtungen hin zu neuen und wachsenden Unternehmen effizient ist.

Generell ist die Zahl der Gründungen aus Hochschulen bzw. außeruniversitären Forschungseinrichtungen heraus in Deutschland nach wie vor gering, obwohl das Angebot an Inkubator-Programmen, um Gründungen aus der Wissenschaft zu fördern, zugenommen hat (vgl. EFI 2019, S. 49). Die meisten Gründungsexpertinnen und -experten vertreten hier jedoch die Meinung, dass es angemessene Förderprogramme und -maßnahmen in Deutschland gibt, um die Ausgründung von innovativen neuen Unternehmen aus Hochschulen zu unterstützen.

Auffällig sind nach Einschätzung der befragten Expertinnen und Experten die Unterschiede zwischen neuen und wachsenden sowie großen und etablierten Unternehmen, wenn es um den Zugang zu Forschung und Technologie geht. 67 % der Befragten attestieren hier jungen und wachsenden Unternehmen einen Nachteil (vgl. Abbildung 21). Als möglicher Grund kann angeführt werden, dass viele junge Unternehmen keine eigenen Kapazitäten für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vorsehen. Die Mehrheit der Expertinnen und Experten (58 %) ist der Meinung, dass sich junge und wachsende Unternehmen neueste Technologien aus Kostengründen schlichtweg nicht leisten können (vgl. Abbildung 22). Staatliche Zuschüsse könnten hier Abhilfe schaffen, sind nach Meinung der Befragten jedoch nicht im ausreichenden Maße vorhanden.

Die als ausbaufähig wahrgenommenen Subventionsmöglichkeiten zum Erwerb neuester Technologien eröffnen hier ein Handlungsfeld für die Feinsteuerung existierender bzw. geplanter öffentlicher Unterstützungsleistungen. Lediglich 40 % der Expertinnen und Experten sehen in der gegebenen Wissens- und Technologieinfrastruktur in Deutschland eine ausreichende Qualität, um den Aufbau von Technologieunternehmen auf Weltniveau zu unterstützen.

6.2.3 Schutz geistigen Eigentums

Die Rahmenbedingung Schutz des geistigen Eigentums umfasst den Patent- und Markenzeichenschutz, die Urheberrechtsgesetzgebung sowie die Handhabung und Durchsetzbarkeit von Schutzrechten in der Praxis. Die befragten Gründungsexpertinnen und -experten bewerten diese Aspekte insgesamt positiv. Im Ranking aller 20 gründungsbezogenen Faktoren belegt der Schutz des geistigen Eigentums den zweiten Platz. Lediglich 15 % (n = 65) der Befragten sehen Verbesserungsbedarf, 72 % schätzen die Bedingungen als positiv oder eher positiv ein.

Das Urheberrecht an Werken wie Literatur, Musik, Fotos und Filmen entsteht in Deutschland automatisch mit deren Erstellung. Erfindungen, die einen technischen Charakter besitzen, gewerblich anwendbar, neu sowie eine tatsächliche Erfindung sind, können beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) angemeldet werden. Durch Gebrauchsmuster lassen sich technische Erfindungen mit niedrigerem erfinderischen Wert schützen, die Exklusivität entsteht hier jedoch für eine kürzere Zeitdauer (vgl. BMWi 2020). Marken – hierunter versteht man die Kombinationen von Buchstaben, Wörtern, Zahlen oder auch Farben, Logos und Tonfolgen – sind infolge intensiver Nutzung im Geschäftsverkehr oder durch deren Eintragung beim DPMA geschützt (vgl. Deutsches Patent- und Markenamt 2019). Die vorangehend auszugsweise exemplarisch geschilderte Gesetzeslage zum Schutz des geistigen Eigentums in Deutschland – die für bestehende sowie neugegründete Unternehmen gleichermaßen gilt – wird von 86 % (n = 66) der Gründungsexpertinnen und -experten als zufriedenstellend angesehen (vgl. Abbildung 23).

Gebrauch und Nutzen von Rechten des geistigen Eigentums sind jedoch in hohem Maße branchenabhängig. Eine gemeinsame Studie des Europäischen Patentamts und des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum zeigt, dass 45 % des Bruttoinlandsproduktes der EU (Durchschnittswert der Jahre 2014–2016) in schutzrechtintensiven Wirtschaftszweigen erwirtschaftet werden. Gemessen an Arbeitsplätzen macht dies 39 % der Gesamtbeschäftigung in der EU aus (vgl. Europäisches Patentamt 2019).

Junge und wachsende Unternehmen, für die der Schutz des geistigen Eigentums eine Rolle spielt, können sich in Deutschland in der Praxis weitgehend darauf verlassen, dass ihre Patente, Urheberrechte und Markenzeichen auch tatsächlich von den anderen Marktakteuren geachtet werden. Vier von zehn Gründungsexpertinnen und -experten sehen hier jedoch ein mögliches Problem (n = 65), siehe Abbildung 24. Auch werden in Deutschland die Rechte von Erfindungen mit Bezug auf ihre Inventionen weitestgehend respektiert. Diesbezüglich sieht lediglich eine von zehn befragten Personen (n = 65) mögliche Risiken.

Gründende und Start-ups sind bei der Verletzung ihrer geistigen Eigentumsrechte – und auch bei der Erlangung von Schutzrechten – teilweise jedoch im Vergleich zu bestehenden großen Unternehmen benachteiligt. Da sie oft über geringere finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, ist die gerichtliche Geltendmachung ihrer Rechte aufgrund möglicher hoher Anwaltsund Prozesskosten für sie fordernder. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Erlangung eines Patents. Hiermit sind oft Kosten für Rechtsvertretung sowie ein hoher zeitlicher Aufwand verbunden.

6.2.4 Unternehmensbezogene Dienstleistungen

Die Rahmenbedingung unternehmensbezogene Dienstleistungen bildet ab, in welcher Quantität und Qualität jungen und wachsenden Unternehmen in Deutschland Unternehmensberatungs- und Bankdienstleistungen sowie Liefer- oder Subunternehmen zur Verfügung stehen. Unter allen 20 gründungsunterstützenden Rahmenbedingungen liegt die Rahmenbedingung auf dem fünften Rang. Von je zehn Gründungsexpertinnen und -experten bewerten sechs unternehmensbezogene Dienstleistungen für Gründungen als positiv (n = 65).

In Deutschland können junge und wachsende Unternehmen aus einem großen Pool an Beratungen sowie potenziellen Liefer- und Subunternehmen wählen: 82 % (n = 65) der Befragten sehen die Möglichkeiten als umfassend an. Laut den Industrie- und Handelskammern verbreitet sich auch der Weg der Onlineberatung immer stärker. So nutzten 2018 beispielsweise insgesamt 10.322 Gründungsinteressierte diese Option. Der höchste Wert seit Erfassung der Onlineberatungen durch den DIHK ab 2012 (vgl. DIHK 2019, S. 9). Aufgrund der Bandbreite des Angebots sind die Kosten für die Unternehmen tragbar. Hier sehen lediglich 34 % (n = 65) der Gründungsexpertinnen und -experten Handlungsbedarf (vgl. Abbildung 25).

Die Qualität der zur Verfügung stehenden Beratung sowie der Lieferund Subunternehmen wird von der Hälfte der Befragten (n = 65) als hoch angesehen. Bezogen auf Beratungsdienstleistungen für junge und wachsende Unternehmen besteht dabei auch kaum ein Unterschied zwischen „klassischen“ Themenfeldern wie dem Unternehmensrecht und Rechnungswesen – 49 % (n = 65) der Befragten bewerten diese als qualitativ hochwertig – sowie Zukunftsfeldern wie digitalen Geschäftsmodellen, welche 55 % (n = 65) der Befragten als qualitativ hochwertig bewerten. Auch bei Bankdienstleistungen können neue und wachsende Unternehmen laut der Befragung auf hochwertige Angebote zurückgreifen (vgl. Abbildung 26).

In Deutschland ist es für neue und wachsende Unternehmen relativ einfach, Beratungs- und Bankdienstleistungen sowie professionelle Beratung in Rechtsfragen von hoher Qualität zu erhalten.