Resümee: gut aufgestellt bei demografiefester Arbeit, aber noch Gestaltungsbedarf bei psychischen Belastungen

Resümee: gut aufgestellt bei demografiefester Arbeit, aber noch Gestaltungsbedarf bei psychischen Belastungen

Die befragten Unternehmen sind – so der Eindruck auf Basis der Gespräche in den Unternehmen – in Punkto "Demografiefester Arbeit" bereits recht gut aufgestellt. Dies schließt Verbesserungen und Nachjustierungen nicht aus. Im Gegenteil: Unternehmen, die personal- und arbeitswirtschaftlich auf einem guten Stand bleiben wollen, sind beständig aktiv, um Handlungs- und Gestaltungsbedarf rechtzeitig zu erkennen und Lösungen zu erarbeiten, bevor sich größere Probleme und Engpässe zeigen. In diesem Sinne spielt der Gesichtspunkt der Prävention eine bedeutende Rolle. Im Einzelnen sollen folgende Ergebnisse festgehalten werden:

Standortstärke hoch qualifizierte Fachkräfte: Die Branche ist – auch über die befragten Unternehmen hinaus – durch starke und tragfähige beruflich-fachliche Traditionen geprägt. Die Beschäftigten leisten qualifizierte Arbeit, die ihnen fachliche Gestaltungsspielräume gibt. Angebote zur beruflichen Weiterentwicklung halten die Beschäftigten auf dem neuesten Stand des Wissens und bieten den Beschäftigten darüber hinaus berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.

"Produktive Leistungsgemeinschaften": In den Jahren nach der Wende ist in vielen erfolgreichen Unternehmen ein starker Sozialzusammenhalt in den Betrieben gewachsen, der auf einer hohen Leistungsbereitschaft der Beschäftigten auf der einen und Wertschätzung sowie Rücksichtnahme auf die Beschäftigtenbelange auf der anderen Seite fußt. Dies schafft, wie die Betriebsfälle zeigen, organisationale und moralische Ressourcen für die Bewältigung der Herausforderung alternder Belegschaften und kommt zugleich der Produktivität zugute. Kennzeichen sind:

  • Ein flexibles Reagieren der betrieblichen Organisation zum Beispiel auf gesundheitliche Belange der Beschäftigten.
  • Soziale Unterstützung durch Vorgesetzte insbesondere bei hohen Leistungsanforderungen wirkt gesundheitlichen Gefährdungen entgegen.
  • Hohe Leistungsbereitschaft, da Anerkennung und Wertschätzung motivieren und Stress entgegenwirken.

Die hohen Leistungsnormen haben aber möglicherweise eine Kehrseite: Hohe und auf die Dauer die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten und Führungskräfte gefährdende Anforderungen und Stressoren im Arbeitsalltag (enge Zeitmargen, schwieriger Umgang mit Kundenanforderungen) werden als selbstverständlich hingenommen. Sie können damit aus dem Blickfeld der Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation geraten:

Lücke bei der Beurteilung psychischer Belastungen: Der kleine Mikrooptikhersteller erfasst bei der Gefährdungsbeurteilung neben den körperlichen auch psychosoziale Belastungen an den Arbeitsplätzen. Die anderen Betriebe beschränken sich demgegenüber weitgehend auf die Beurteilung körperlicher Belastungen und Gefährdungen. Diese Betriebe sollten daher, gemäß der seit Oktober 2013 gültigen Rechtslage, Ihre Gefährdungsbeurteilungen auf psychosoziale Faktoren erweitern. Damit würden sie nicht nur rechtliche Vorgaben erfüllen, sondern auch der wachsenden Bedeutung psychischer Anforderungen bei der Ausführung von Arbeitsaufgaben Rechnung tragen. So ist Stress nicht nur ein Modethema, sondern hat seine Grundlagen in Veränderungen bei Organisation und Technik in Gestalt von straffen Organisationsabläufen, tendenziell steigenden kognitiven Anforderungen und speziell auch Kommunikationsanforderungen (z.B. mit Kunden).

Es gibt Hinweise darauf, dass gerade bei vielen älteren, hochqualifizierten Führungsund Fachkräften psychische Belastungsgrenzen erreicht sind: Behr und Hänel haben Befragungen von älteren Führungskräften im Raum Jena – darunter viele aus der Optikbranche – ausgewertet. Danach sieht sich eine Mehrheit bei der Arbeit mit zunehmender Hetze und Stress konfrontiert. Auch konstatieren viele, dass ihnen die Arbeit nicht mehr so leicht von der Hand gehe wie in jüngeren Jahren und ein immer höherer Kraftaufwand zur Erbringung der geforderten Leistung nötig sei. Mehrheitlich planen die befragten Angestellten, deutlich vor dem gesetzlichen Rentenalter in Rente zu gehen (Behr /Hänel 2013). Solche Befunde geben Anlass, die psychische Belastungssituation bei der Zielgruppe der Älteren sowie – aus Präventionsgesichtspunkten – auch bereits bei jüngeren Beschäftigten zu ermitteln und gegebenenfalls gestalterisch zu intervenieren. Die Beurteilung nicht nur der körperlichen sondern auch der psychischen Belastungen bietet dafür einen geeigneten und noch dazu gesetzlichen Ansatzpunkt. Nicht zuletzt kann ein Projekt zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement, wie es beim Elektronikentwickler geplant ist, Informationen und Handlungsanregungen auf diesem Gebiet bringen.

Gut strukturiert mit gemeinschaftlichen Bindungen: Insgesamt besteht gleichwohl der Eindruck, dass die Unternehmen über wirksame Ressourcen verfügen, die Herausforderungen des demografischen Wandels und speziell auch alternder Belegschaften zu bewältigen. Ohne dass Demografiefestigkeit notwendig als Label genutzt wird, verfügen die Betriebe über wichtige Ansatzpunkte für eine demografiefeste Gestaltung der Arbeit. Wichtige demografierelevante Daten und Instrumente sind in den Betrieben vorhanden. Sie verweisen auf ein für KMU nicht selbstverständliches Maß an Systematik bei der Gestaltung der Arbeit und ihres Umfelds: Zu nennen sind insbesondere differenzierte Altersstrukturanalysen, Qualifizierungsmatrizen und gesundheitsbezogene Daten, wie Fehlzeiten und zumindest die körperliche Gefährdungsbeurteilung. Sie bilden eine wichtige Grundlage dafür, auf Demografie bezogene Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu handeln. Dies schließt einen Anpassungsund Weiterentwicklungsbedarf auf der Ebene der Instrumente nicht aus. Zielführend ist überdies die Bereitschaft der Firmen, mit externer fachlicher Unterstützung das eigene Handlungsrepertoire auf dem Gebiet "gesunder Arbeit"“ zu erweitern. Ihre gut ausgebauten Strukturen der Informationsgewinnung und -nutzung können die Unternehmen mit den typischen Stärken erfolgreicher kleiner und mittlerer Unternehmen verbinden: Auf dem Gebiet der sozialen Beziehungen sind dies gemeinschaftliche Beziehungen, die stark von Wertschätzung und "Achtsamkeit" geprägt sind. Sie schlagen sich in der Organisation in Form von kurzen Entscheidungswegen, Flexibilität und Bedarfsgerechtigkeit bei der Lösungssuche nieder.