Warum Wissen "managen"?

Warum Wissen "managen"?

Wissen lässt sich zwar nicht im herkömmlichen Sinn "managen", jedoch kann jedes Unternehmen den bewussten Umgang mit den betriebsspezifischen Wissensressourcen mehr oder weniger professionell gestalten. Insgesamt hat die Bedeutung des professionellen Umgangs mit Wissen für den Geschäftserfolg in den vergangenen Jahren im Allgemeinen zugenommen. Dies wird verständlich, wenn in Erinnerung gerufen wird, dass …

  • … die Erzeugung und Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen immer komplexer werden und immer mehr Wissen abfordern.
  • … ein Großteil des Wissens rascher "veraltet" und somit an Wert verliert, was die Integration neuer aber auch die Trennung von alten Wissensbeständen erfordert.
  • … heute in gut geführten Unternehmen Verbesserungen durch Automatisierung und Rationalisierung zunehmend an ihre Grenzen stoßen und der Wettbewerb künftig weniger über effizientere Maschinen und Anlagen als vielmehr durch das Management immaterieller Erfolgsfaktoren – wie beispielsweise Wissen – entschieden wird.

Aber nicht nur die zunehmende Komplexität erfordert einen professionellen Umgang mit den betrieblichen Wissensressourcen. Der demografische Wandel und die …

  • … in Kürze beginnende große Verrentungswelle der Baby-Boomer-Generation, werden in den nächsten Jahren für viele Betriebe zu einer echten Herausforderung. Im großen Maßstab werden die gut ausgebildeten Fachkräfte mit ihrem Know-how aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Vielen Unternehmen droht dadurch der Verlust von geschäftsrelevantem Wissen.

Diese generellen Entwicklungen werden jedes Unternehmen anders betreffen. Der jeweilige praktische betriebliche Umgang mit dem potenziellen Wissensverlust hat jedoch sehr konkrete Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit. Davon können sowohl das operative Geschäft als auch die Umsetzung strategischer Unternehmensziele betroffen sein.

Sämtliche Vorhaben zum Wissensmanagement (WM) müssen daher einen Beitrag zur Aufrechterhaltung und/ oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel haben.

Geschäftsrelevantes Wissen

Die Identifizierung geschäftsrelevanten Wissens ist wichtig und stellt den ersten Schritt dar, damit die Bemühungen der Wissenssicherung an den "richtigen Hebeln" im Unternehmen ansetzen. Es leuchtet ein, dass Wissen und Fähigkeiten Faxgeräte zu bedienen und zu reparieren oder der kompetente Umgang mit aktueller Bürosoftware nicht gesichert werden müssen. Beim ersten Beispiel handelt es sich um eine überholte Technologie und beim zweiten besteht kein Exklusivitätsanspruch, da heute (beinahe) jeder die Software bedienen kann.

Somit muss die Identifikation von bedeutsamem Wissen allen weiteren Aktivitäten notwendig vorausgehen. Fehlt dieser Schritt, können noch so professionell geführte Wissenstransferinterviews, perfekte Mentorentandems auf den Weg gebracht oder intelligent strukturierte Wissensdatenbanken angelegt werden: Die beabsichtigte Wirkung wird ausbleiben, da so unbekannt bleibt, welches Wissen geschäftsrelevant ist oder möglicherweise aufwendig Wissen gesichert wird, das nicht geschäftsrelevant ist.

Eine wichtige Voraussetzung ist daher die Unterscheidung zwischen Wissen mit einer hohen Bedeutsamkeit für das Geschäft und Wissen mit geringer Bedeutsamkeit. Nur auf dieser Grundlage lassen sich überhaupt sinnvoll Maßnahmen zur Wissenssicherung und -verteilung einleiten. Dies ist nicht immer so einfach wie es sich anhören mag, da in keiner Bilanz, in keiner Gewinn- und Verlustrechnung, in keinem Bericht oder Handbuch zu finden ist, wer konkret über welches geschäftsrelevante Wissen verfügt oder wann ein Mitarbeiter genau das Unternehmen verlassen wird. Umso wichtiger ist es daher, sich über die Risiken des Wissensverlustes ausscheidender Fachkräfte rechtzeitig bewusst zu werden und diese zu beurteilen. Ein Beispiel verdeutlicht wie "unsichtbar" geschäftsrelevantes Wissen für die Geschäftsleitung sein kann.

Demnach ist Wissen immer dann geschäftsrelevant, wenn es einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts und/oder zur Umsetzung strategischer Unternehmensziele leistet. Wo befindet sich das geschäftsrelevante Wissen überhaupt?

Ein Beispiel…

… Wenn drei Top-Entwickler aus Unzufriedenheit vor kurzem das Unternehmen verlassen haben, steht das nicht in der Bilanz. Dass dadurch der Wert des Unternehmens oder künftig anstehende Produktentwicklungen beeinträchtigt werden, liegt auf der Hand. Die "Zahlen" des Unternehmens können zwar immer noch hervorragend wirken, jedoch kann das Unternehmen wichtige Erfolgspotenziale durch den Verlust der drei Mitarbeiter verlieren. Erst in Zukunft, wenn es zu schlechteren, teuren und verzögerten Entwicklungen kommt und dadurch der Verkaufserfolg ausbleibt, wird es auch in der Bilanz des Unternehmens – und damit für die Geschäftsführer – sichtbar. Nun ist es jedoch für ein Gegensteuern bereits zu spät, da kein adäquater Ersatz für die drei Top-Entwickler beschafft bzw. aufgebaut wurde. An diesem Beispiel wird auch die fundamentale Bedeutung des Faktors Zeit sichtbar. Soll dieser Faktor beherrschbar gemacht und berücksichtigt werden, ist eine strategische Betrachtung der vorhandenen und benötigten Wissensressourcen notwendig.

Geschäftsrelevantes Wissen findet sich beispielsweise in intelligenten Arbeitsabläufen und Prozessen, in den Betriebs- und Arbeitsmitteln (z. B. in effizienteren Maschinen) oder auch in einer besonderen Unternehmenskultur wieder. Dieses organisationale Wissen stellt ein Wissen dar, welches Unternehmen unabhängig von ihren Mitarbeitern "haben". Das heißt, wenn ein Experte das Unternehmen verlässt, bleiben beispielsweise die Prozesse dem Unternehmen erhalten. Daher steht die Wissenssicherung für dieses organisationale Wissen weniger im Vordergrund. Anders sieht es hingegen mit dem Wissen, den Erfahrungen und den Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter aus. Verfügen sie über geschäftsrelevantes Wissen, werden sie in vielen Fällen zu Schlüsselkräften. Verlassen diese Mitarbeiter das Unternehmen, geht meist auch das Wissen verloren.

Hinzu kommt, dass heute Produkte und Dienstleistungen immer schneller kopiert werden können. Die gezielte Sicherung und Verteilung geschäftsrelevanten Wissens sichert somit die bestehenden Wettbewerbsvorteile ab. Warum? Weil diese von der Konkurrenz nur schwer zu imitieren sind.