Künstliche Intelligenz beschäftigt zunehmend den Arbeits- und Gesundheitsschutz – sowohl in den Betrieben selbst als auch in den Unfall- und Krankenkassen. Aber wie genau kann KI zu einer Verbesserung der Arbeit beitragen und worauf sollte speziell bei der Einführung geachtet werden, damit alle davon profitieren?
Zwei unterschiedliche Blickwinkel
Künstliche Intelligenz (KI) hält in Gesellschaft und Unternehmen immer stärkeren Einzug. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Übernahme bestimmter Funktionen durch die KI wahrscheinlicher ist als ein gravierender Stellenabbau. Denn der Mensch ist nicht (gänzlich) durch Technik zu ersetzen: Er muss die Technologie beherrschen und kontrollieren können. Des Weiteren bleiben die Entscheidungshoheit sowie kreative und komplexe anwendungsbereichsübergreifende Tätigkeiten „in Menschenhand“.
Durch die stärkere Nutzung spielt KI auch im Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS) eine immer wichtigere Rolle. Akteure und Verantwortliche im AGS müssen sich dabei mit zwei Aspekten – unter Beachtung der jeweiligen Einsatzbereiche – befassen:
- Worauf müssen wir beim Einsatz von KI achten, damit die Arbeit gesundheitsgerechter und nicht belastender wird?
- Wie kann KI eingesetzt werden, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz selbst zu verbessern?
Worauf bei der Einführung von KI zu achten ist
Bei der Einführung von KI kann auf die Erkenntnisse zur Einführung digitaler Systeme zurückgegriffen werden (APRODI-Projekt). Hier lohnt sich ein Blick auf den soziotechnischen Ansatz der Arbeitssystemgestaltung, der im Wesentlichen drei Elemente berücksichtigt (siehe Literaturangabe unten):
- das Denken in vernetzten Systemen,
- die Vorstellung einer integrierten Gestaltung und Optimierung dieser Systeme und
- die grundsätzliche Orientierung der Gestaltung an der Qualität der Arbeit bzw. des Arbeitslebens in leistungsfähigen Arbeitssystemen.
Sinnvoller Einsatz von KI → gute und gesunde Arbeit
Wie bei jeder anderen Technik auch – ob digital oder analog, Hard- oder Software – gilt es, bestimmte Aspekte zu prüfen. Um abzuschätzen, wie sich die Arbeit mit KI zum Dienste des Menschen verändern kann, lohnt ein Blick auf fördernde sowie belastende oder gar krankmachende Faktoren von Arbeit:
Zu den negativen Belastungen gehören vorrangig schwere körperliche Arbeit, Monotonie, aber auch hoher Zeitdruck. Überwachungsfunktionen beispielsweise erfordern eine enorme Aufmerksamkeit ohne Entspannungsphasen (sofern kein Tätigkeitswechsel vorgesehen ist). Positive Elemente bilden zum Beispiel die Sinnhaftigkeit der Arbeit sowie Handlungs- und Entscheidungsspielräume.
All diese (und weitere) Belastungsfaktoren können sich kurz-, mittel- und langfristig auf die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten auswirken. Über die Art und Intensität der Auswirkungen entscheiden auch die individuellen Faktoren – sei es als Puffer gegen eine hohe Belastung oder als Hemmer positiver Faktoren. Deswegen werden Investitionen in eine gute Arbeitsorganisation, die Befähigung im Umgang mit neuen technischen Systemen und die Erhöhung der Gesundheitskompetenz ein wichtiger Schlüssel zur Gesunderhaltung der Beschäftigten sein.
Gefährdungsbeurteilung ist ein wichtiger Baustein für das Gelingen von KI-Lösungen
Eine sorgfältig durchgeführte Gefährdungsbeurteilung körperlicher und vor allem auch psychischer Belastungen bietet die Grundlage dafür, den Arbeits- und Gesundheitsschutz beim Einsatz von KI systematisch und umfassend in den Fokus zu stellen. Fragen können dabei sein:
- Gibt es einen größeren Arbeitsdruck oder entlastet die KI von anstrengenden Aufgaben?
- Bietet die KI einen guten Informationsservice oder „gängelt“ sie bei der Arbeit?
- Sind Qualifikationen entwertet oder sind die fachlichen Anforderungen gestiegen?
- Werden die Beschäftigten des Betriebs bei der Umstellung gut unterstützt?
- Wie sieht es mit dem Teamgeist aus?
- Gibt es noch genügend soziale Kontakte?
Die Gefährdungsbeurteilung ist somit weit mehr als eine gesetzliche Pflichtaufgabe: Sie bietet die Gelegenheit, die produktive Nutzung von KI-Anwendungen unter Beteiligung der Beschäftigten voranzubringen.
Praktische Einsatzmöglichkeiten von KI für die betriebliche Gesundheit
Es gibt bereits einige Einsatzmöglichkeiten von KI für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Dazu gehören zum Beispiel:
- Übersetzung von Sicherheitsanweisungen in die jeweilige Muttersprache oder Unterstützung beim Schreiben in leichter oder einfacher Sprache;
- Überwachung von Maschinen durch Sensoren, bevor sicherheitsrelevante Ereignisse eintreten;
- Modellierung von Prognosen zur Unfallverhütung (insbesondere für Unfallversicherungsträger oder Großunternehmen).
Die speziellen Hürden von KI im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Gerade bei Prognosen zur Unfallvermeidung muss das meist komplexe „Problem“ zunächst genau bewertet und verstanden werden, bevor KI zuverlässig entwickelt und eingesetzt werden kann. Dies bedarf viel Analysearbeit im Vorfeld. Des Weiteren muss KI vertrauenswürdig sein, insbesondere wenn sensible Daten erfasst und ausgewertet werden. Bei Datenschutz und -sicherheit müssen deshalb höchste Standards gesetzt und die Überwachung Einzelner ausgeschlossen werden.
Fazit
Beim Einsatz von KI sollte stark auf ein menschenorientiertes Vorgehen geachtet werden. Werden die wichtigen Akteure und vor allem die Beschäftigten/Nutzenden des Systems beteiligt, können von vornherein kritische Elemente vermieden und die Vorteile auch kommuniziert werden. Dies erhöht die Akzeptanz und das Vertrauen in das System – und am Ende steht ein produktives wie menschengerechtes System mit verbesserten Arbeitsbedingungen.
Literatur:
Latniak, E. & Bendel, A. (2021): Digitalisierungsprozesse erfolgreich umsetzen. Soziotechnische Gestaltungsansätze, Werkzeuge und Nutzungserfahrungen aus dem APRODI-Projekt. IAQ-Report Bd. 2021, H. 08. Zur PDF
Hinweis:
Dieser Artikel ist zuerst erschienen im RKW Magazin 01/2024: (R)EVOLUTION!?
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