Widersprüchlichkeiten, Zwickmühlen oder Dilemmata können regelrecht lähmen, Druck erzeugen und zu (Ziel-)Konflikten führen. Daher wird der gekonnte Umgang mit Ambiguität gerade für Menschen immer wichtiger, die in anspruchsvollen Arbeitsumgebungen entscheiden, handeln und umsetzen müssen. Diese Fähigkeit bezeichnet man als Ambiguitätstoleranz.
Ambiguitätstoleranz meint die Fähigkeit, mehrdeutige, unsichere, schwer zu verstehende oder vielleicht sogar zunächst inakzeptabel erscheinende Informationen zur Kenntnis zu nehmen, aushalten und damit produktiv umgehen zu können. Dies fällt nicht jedem Menschen gleich leicht. Ambiguitätstoleranz kann aber bis zu einem gewissen Maße trainiert und erworben werden:
- Eine Grundvoraussetzung um Ambiguitätstoleranz zu entwickeln ist, ungewisse Situationen im beruflichen oder privaten Umfeld akzeptieren zu lernen.
- Auf dem Weg dorthin kann es helfen, sich mit dem eigenen Umgang mit unsicheren Situationen besser vertraut zu machen und dafür auch die eigene Komfortzone zu verlassen.
- Auch der Einsatz von Tools und Methoden kann dabei unterstützen, in bestimmten Arbeitsbereichen Unsicherheiten gekonnt zu managen.
All dies hilft, eine veränderte Haltung zu unsicheren Entscheidungssituationen zu entwickeln. Anstatt in Angst, Ohnmacht oder Aktionismus zu verfallen, können Sie lernen, situationsgerecht und souverän zu handeln. Schritt für Schritt erarbeiten Sie sich auf diesem Weg mehr und mehr Ambiguitätstoleranz.
Ambiguitätstoleranz schulen: Sieben Übungen
Einige erprobte Methoden und Übungen, um Ambiguitätstoleranz zu entwickeln, haben wir für Sie im folgenden Abschnitt zusammengestellt.
Ambiguitätstoleranz beobachten: Das Tool „Muster-Tagebuch“ unterstützt Sie dabei, Ihren erlernten Verhaltensweisen auf die Spur zu kommen.
Wir alle reagieren auf Reize auf bestimmte, oft unbewusste Weise. Gerade in Situationen, die von Ambiguität oder Unsicherheit gekennzeichnet sind, neigen wir dazu, auf diese zurückzugreifen. Manche dieser Reaktionsmuster sind uns bewusst, andere nicht. Einige sind förderlich, während andere uns vielleicht nicht weiterhelfen.
Im Alltag können wir uns selbst dabei beobachten, wie wir auf unterschiedliche Situationen reagieren und wie unsere typischen Reaktionen unter unsicheren oder vagen Umständen aussehen. Eine Möglichkeit sich selber auf die Schliche zu kommen besteht darin, diese Reaktionsmuster und Gedankenstrukturen in einem Tagebuch zu notieren, um besser zu verstehen, wie sich unser Verhalten in ambigen Situationen entwickelt. Das ist der erste Schritt, um für uns selbst die Wahlfreiheit zu erlangen, flexibel und angemessen auf unsichere, unklare oder komplexe Situationen zu reagieren.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung und das Formular zum Mustertagebuch herunter.
Ambiguitätstoleranz erleben: Die Übung „Fokussieren und De-fokussieren“ unterstützt beim Erweitern der Handlungsfähigkeit in schwierigen Entscheidungssituationen.
Die Übung zielt darauf ab, die eigene Wahrnehmung bewusst zu verändern und dabei mit Ambiguität und Unsicherheit zu arbeiten. Sie erleben, dass unsere Wahrnehmung einen direkten Einfluss auf unseren Umgang mit Herausforderungen hat. Damit hilft diese Übung Ihnen dabei, Ihre Wahrnehmung von unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten und damit Ihre Ambiguitätstoleranz bewusst zu steigern.
Indem Sie sich auf einen Gegenstand konzentrieren – der stellvertretend für ein Gefühl, ein Problem oder eine Ablehnung steht – und diesen Fokus wieder auflösen, erleben Sie Ihre eigenen Einflussmöglichkeiten auf die eigene Flexibilität und Kreativität in unklaren Situationen.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zur Übung: „Fokussieren und De-fokussieren“ herunter.
In unsicheren Situationen intuitiv handeln: Die Übung „Intuitionstraining“ ist ein Werkzeug, um die Ambiguitätstoleranz gezielt zu stärken.
Um in unklaren Situationen schnell Entscheidungen treffen zu können, müssen wir uns häufig auf unsere Intuition verlassen. Sie kann uns ermöglichen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und Handlungsoptionen zu entwickeln. Intuition wird in vielen Unternehmenskontexten unterschätzt oder gar abgelehnt. Doch wo Zahlen und Fakten fehlen, kommt es auf den gekonnten Umgang mit ihr an.
Ziel dieser Übung ist es, die eigene Intuition bewusst wahrnehmen und gezielt einsetzen zu lernen. Dies stärkt das Vertrauen in die eigenen Wahrnehmungen und Entscheidungen.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zur Übung: „Intuitionstraining“ herunter.
Ambiguität im Team reduzieren: Das Tool „Verantwortungssystem“ hilft durch klare Rollen und Zuständigkeiten Ambiguität in Teams vorzubeugen.
Eine häufige Ursache für Ineffizienz und Konflikte in Unternehmen ist eine unklare Verteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten. Wenn sich Anforderungen und Aufgabenbereiche schnell ändern, kann es leicht zu sogenannten „Verantwortungslecks“ kommen, bei denen Zuständigkeiten nicht klar geregelt sind. Dies kann die Leistungsfähigkeit eines Teams oder sogar des gesamten Unternehmens beeinträchtigen.
Das Verantwortungssystem von Schmid und Messmer (2004) ist ein effektives Werkzeug, um solche Lecks zu identifizieren und geeignete Maßnahmen abzuleiten. Durch die Anwendung des Verantwortungssystems können Führungskräfte sicherstellen, dass alle relevanten Aufgaben und Zuständigkeiten klar verteilt sind. Ein klar strukturiertes Verantwortungssystem unterstützt die Agilität des Unternehmens, da es ermöglicht, Aufgaben und Rollen flexibel an neue Anforderungen anzupassen, ohne dass es zu Unklarheiten oder Konflikten kommt.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zur Methode: „Verantwortungssystem“ herunter.
Ambiguität als Chance wahrnehmen: Die PMI Methode hilft, unklare Situationen zu bewerten und nützliche Aspekte wahrzunehmen.
Laterales Denken ist eine seit den 1960-iger Jahre etablierte Denkmethode. Laterales Denken zielt darauf ab, aus dem üblicherweise linearen Alltagsdenken auszusteigen und bewusst „um die Ecke“ zu denken. Eine sehr grundlegende Wahrnehmungsübung wird als PMI bezeichnet und steht für plus, minus und interessant. PMI schult, die Aufmerksamkeit bewusst und getrennt auf diese drei Aspekte zu lenken.
Vorschnelle (unbewusste) Bewertungen sollen so unterbrochen werden, um Situationen intensiver und lösungsoffen ausleuchten und dadurch neue Wege und Aspekte entdecken zu können. Nach und nach wird dieser Blick auf Situationen immer selbstverständlicherer Teil der eigenen Wahrnehmung und hilft, in uneindeutigen Entscheidungssituationen und Umfeldern ungewöhnliche Handlungsoptionen und Chancen zu erkennen.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zur Methode: „PMI“ herunter.
Außergewöhnliche Lösungen finden unter Ambiguität: Innovative Lösungen entwickeln mit der Methode Design Thinking.
Design-Thinking-Projekte versuchen, in unklaren Anforderungssituationen hoch innovative Lösungen zu entwickeln. Dazu leitet die Methode an, noch unbekannte Nutzer- oder Kundenbedarfe zu identifizieren und für diese in einem iterativen Verfahren möglichst innovative Lösungen zu entwickeln.
Dabei werden Kreativitätstechniken mit einer fehlerfreundlichen Kultur, einer intensiven Kundenanalyse und schnellen Prototypentests kombiniert, um sich Schritt für Schritt an die optimale Lösung anzunähern.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zur Methode: „Design Thinking“ herunter.
Paradoxe Situationen meistern: Flexibilität in der Entscheidungsfindung gewinnen mit dem Tool Werte- und Entwicklungsquadrat.
Dieses Tool unterstützt dabei, Ambiguitätstoleranz speziell im Umgang mit paradoxen Situationen zu fördern. Es basiert auf dem von Paul Helwig entwickelten Werteviereck, das von Friedemann Schulz von Thun zum Werte- und Entwicklungsquadrat weiterentwickelt wurde. Es eignet sich besonders für Fragestellungen, die keine einfachen „richtig/falsch“-Antworten haben und hilft dabei, sowohl negative als auch positive Aspekte von Polaritäten systematisch zu bearbeiten. So wird ein tieferes Verständnis für komplexe sowie widersprüchliche Situationen ermöglicht und die Flexibilität in der Entscheidungsfindung gefördert.
Laden Sie hier die ausführliche Anleitung zum Tool: „Werte- und Entwicklungsquadrat“ herunter.
Die Übungen zum Aufbau von Ambiguitätstoleranz sind Teil unseres Angebots "Kompetenzen der Zukunft". Hier finden Sie alle Zukunftskompetenzen als PDF zum Download im Überblick:
- Basiskompetenz Achtsamkeit - Entwicklung der Wahrnehmungs-, Handlungs- und Leistungsfähigkeit
- Komplexitätskompetenz - Planen, Probleme lösen und Organisieren
- Beziehungskompetenz - Erfolgreiche Kooperation, starke Kulturen und Leistungsfähigkeit entwickeln
- Paradoxiekompetenz - Gut entscheiden und Konflikte lösen
- Generative Kompetenz - Das Neue finden und Veränderungen gestalten
- Emotionskompetenz - Selbstführung und Krisenresilienz stärken
- © tiero / iStock.com – Paradoxiekompetenz_gespiegelt.jpg