Deutsche gründen wieder mehr
In Deutschland werden wieder mehr Unternehmen gegründet. Im Vorjahresvergleich ist der Gründeranteil leicht um 0,7 Prozentpunkte auf 5,28 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Global Entrepreneurship Monitor hervor, der seit 1999 erfasst wird. Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland jedoch weiterhin unterdurchschnittlich ab. Mehr als 50 Länder, darunter 24 innovationsbasierte Volkswirtschaften, wurden vom RKW Kompetenzzentrum und dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Universität Hannover untersucht.
Estland Spitzenreiter bei Neugründungen
Im Vergleich zu Deutschland ist die sogenannte TEA-Quote, die den Gründeranteil je Land erfasst, in Kanada und bei Spitzenreiter Estland etwa 3,5 mal höher. Damit liegt Deutschland international nur im hinteren Mittelfeld. Lediglich Griechenland, Japan, Italien und Schlusslicht Frankreich weisen eine niedrigere Gründerquote auf. Die TEA-Quote berechnet sich aus allen werdenden und jungen Gründer zwischen 18 und 64 Jahren im Verhältnis zur Gesamtheit aller 18-64-Jährigen der untersuchten Länder.
Männer gründen fast doppelt so viel wie Frauen
Verhältnismäßig viel gründen in Deutschland vor allem die Männer, aber auch Einwanderer. Sechs Prozent aller Migranten machen sich hierzulande mit ihrem eigenen Unternehmen selbstständig. Höher ist nur die Quote unter den männlichen Gründern: Hier liegt der TEA-Wert sogar bei 6,6 Prozent. Ganz anders sieht das bei den Frauen aus, von denen nur 3,9 Prozent ein Unternehmen gründen. Ein Grund für die niedrige Quote ist die negative Wahrnehmung der Frauen hinsichtlich der Gründungschancen in Deutschland. Nur 35 Prozent von ihnen schätzen diese als gut ein, wohingegen fast die Hälfte aller Männer gute Chancen in einer Neugründung sehen.
Fast die Hälfte der Deutschen hält Angst vor Misserfolg von Gründung ab
Gründungshemmnisse wie die Angst vor dem Scheitern oder die Sorge vor unzureichenden Fachkompetenzen halten oft davon ab, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Rund 42 Prozent der Deutschen haben angegeben, dass sie sich aufgrund der Angst vor dem Scheitern nicht selbständig machen. In dieser Statistik landet Deutschland im internationalen Mittelfeld. Die Südkoreaner hält die Angst vor dem unternehmerischen Misserfolg hingegen nur selten von einer Neugründung ab. Rund zwei Drittel der südkoreanischen 18-64-Jährigen geben an, dass sie die Angst vor dem eventuellen Scheitern des Unternehmens nicht an einer Neugründung hindert.
Schulische Grundausbildung in Deutschland besonders schlecht
Aber auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für eine Neugründung spielen in den betrachteten Ländern eine große Rolle, wenn es darum geht, die unterschiedlichen TEA-Quoten einzuordnen. In Deutschland sind diese Rahmenbedingungen laut Experten noch ausbaufähig. Nur vier der zwölf untersuchten Rahmenbedingungen in Deutschland werden im internationalen Vergleich überdurchschnittlich positiv bewertet. Darunter fallen die öffentlichen Förderprogramme sowie die Finanzierungsmöglichkeiten für Neugründer. Die schulische- und außerschulische Grundausbildung und die gesellschaftlichen Werte und Normen in Deutschland werden von den Experten hingegen vergleichsweise negativ bewertet.
Dr. Natalia Gorynia-Pfeffer, Projektleiterin des RKW Kompetenzzentrums, kommentiert die Studienergebnisse:
Die deutsche TEA-Quote liegt im aktuellen Global Entrepreneurship Monitor mit 5,28 Prozent rund 0,7 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Eine solche Entwicklung lässt sich nicht in allen technologiebasierten Ländern feststellen, in Referenzländern wie Polen, Irland oder der Niederlande ist die Gründungsquote gesunken.
Der Vergleich von Migranten mit Nicht-Migranten zeigt, dass die Gruppe der nicht in Deutschland geborenen mit einer TEA-Quote von knapp über 6% im Jahr 2017 etwas häufiger gründet. Dreiviertel der Migranten gründen, weil sie Marktchancen ausnutzen möchten und nicht aus Mangel an Erwerbsalternativen.
Eine Möglichkeit, den Anteil von Gründern konstant zu erhöhen, könnte daher in einer Lockerung des Gründungsprozesses für Migranten durch beispielsweise niedrigere Finanzierungshürden bestehen.”
Prof. Dr. Rolf Sternberg (Leibniz Universität Hannover), Leiter des GEM-Länderteams Deutschland, nennt weitere Möglichkeiten zur Bereicherung der Gründerkultur in Deutschland:
“42 Prozent der deutschen 18 bis 64-Jährigen geben an, dass die Chancen für eine Gründung in Deutschland gut seien, doch genauso viele würde die Angst vor dem Scheitern daran hindern, ein Unternehmen zu gründen. Hier bedarf es eines Umdenkens, in dessen Folge - zwischenzeitliches - Scheitern, z.B. mit einer Gründung, in der Gesellschaft nicht mehr per se als persönlicher und dauerhafter Makel angesehen wird. Vielmehr sollte jungen Menschen im Bildungssystem, z.B. in allgemeinbildenden oder berufsorientierten Schulen, die unternehmerische Selbstständigkeit als gleichwertige Alternative zur abhängigen Erwerbstätigkeit vermittelt und dabei unternehmerisches Scheitern als Teil eines Lernprozesses kommuniziert werden.”
Die Autoren bedanken sich herzlich bei den 57 Gründungsexperten sowie den 4881 Bürgern, die sich in Deutschland zur Mitwirkung an der Experten- und Bevölkerungsbefragung bereit erklärt hatten.
Die Ergebnisse werden am 4. Juni im Rahmen der Veranstaltung „Impulse zur Stärkung der Gründungskultur“ in Berlin präsentiert. Weiterführende Informationen und eine Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
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