Krisen, so beängstigend sie auch sein mögen, haben einen positiven Effekt. Sie mobilisieren und fördern den kreativen Geist, schnell neue Lösungen für Probleme zu finden. In den letzten drei Wochen haben mich viele Aussagen und Meinungen zur aktuellen Lage erreicht – unter anderem auch einige zum Thema der betrieblichen Ausbildung. Eine zentrale Botschaft war: So viel Handlungsmöglichkeiten und Autonomie über das eigene Tagesgeschäft und über die eigene Ausbildungsgestaltung zu behalten.

Insbesondere in Krisenzeiten können kleine und mittlere Unternehmen enorm von der Digitalisierung profitieren“, weiß Sebastian Binderberger, Leiter Business Development der Leicher EngineeringGmbH.

Seine Azubis befinden sich gerade mitten in der Projektumsetzung. Gemeinsam haben sie entschieden, das Digiscouts-Projekt möglichst ohne Pausen und Einschränkungen fortzuführen. Wie wichtig eine Förderung digitaler Fähigkeiten bei eigenem Fachkräfte-Nachwuchs und das Lehren eines souveränen Umgangs damit ist, wird in der Aussage von Bianca Schuster von der KOLPING-Bildungswerk Frankfurt gGmbH deutlich:

Ich unterrichte unsere Azubis gerade online via Cloudlösung. Hier zeigt sich auch, wie viel das Digiscouts-Projekt den Azubis gebracht hat. Sie trauen sich sehr viel mehr zu und eine Unterrichtsumstellung ging fast problemlos".

Zwei Aussagen, dieselbe Botschaft: Die Betreuenden der Digiscouts-Projekte wissen um die nachhaltig der Projekte im eigenen Betrieb und das sie vor allem jetzt Bestand haben, in dieser unsicheren Zeit!

Frau Schuster hat vor einem Jahr mit elf Schülerinnen (angehende Fachpraktikerinnen für Hauswirtschaft) am Projekt Digiscouts® teilgenommen. Diese digitalen Erfahrungen haben ihre Azubis nachhaltig geprägt.


Ich wollte mehr über den neuen digitalen Schulalltag von Frau Schuster erfahren und bat Sie um ein kurzes Interview.

Frau Schuster, wie ging es Ihnen dabei, als Sie plötzlich Ihren Unterricht auf E-Learning umstellen mussten?

Trotz unserer Erfahrungen durch das Digiscouts-Projekt war es dennoch eine kleine Herausforderung. Tatsächlich fehlt mir hier einfach der Überblick über das Angebot – welche Plattformen gibt es, wo sind die Unterschiede und welche Möglichkeiten bieten sich, E-Learning zu gestalten. Hier möchte ich gerne mehr lernen und mich weiterbilden, weil es eine gute Möglichkeit bietet, den analogen Unterricht aufzuwerten. Da jetzt alles sehr schnell gehen musste, habe ich mich für eine Cloudlösung entschieden. Hier habe ich Klassenordner mit individuellen „Azubi-Unterordnern“ angelegt. Das heißt, alle Schülerinnen haben für ihren Ordner die Freigabe und verfügen über Bearbeitungsrecht.

Wie haben Ihre Azubis auf diese Umstellung reagiert?

Der Großteil meiner Azubis fand die Umstellung wahnsinnig spannend. Nachdem alle nötigen Apps auf dem Smartphone installiert waren und der erste Test erfolgreich verlief, hatten sie richtig Spaß am neuen digitalen Lernalltag. Besonders große Freude haben meine Azubis aus dem ersten Lehrjahr. Sie kennen das YouTube-Projekt und wollten auch ein eignes digitales Projekt umsetzen. Natalie, eine meiner Auszubildenden aus dem ersten Lehrjahr, teilte mir nach drei Tagen „Homeoffice“ mit, dass das E-Learning eine richtig coole Sache ist und sie damit sehr gut zurechtkomme, selbständig ihren Arbeitstag zu gestalten. Sie fühle sich sogar viel fitter und die Bearbeitung der Aufgaben fiele ihr leichter als zu Schulzeiten, weil sie nun morgens etwas länger schlafen könnte. Sie mache lieber am Abend länger, um alles zu schaffen – Typ Eule, eben.

Wann und wo wurde für Sie als Ausbilderin der Lerneffekt aus dem Digiscouts-Projekt bei Ihren Schülerinnen besonders sichtbar und spürbar?

Die Umstellung auf das E-Learning erfolgte ja quasi über Nacht. Den Azubis musste ich nur sagen, welche Apps sie benötigen. Das Finden, Herunterladen und Installieren dieser war kein Problem und verlief reibungslos. Es gab keine Bedenken oder Ängste, dies allein nicht zu schaffen. Das ist nicht selbstverständlich. Dort, wo dann doch die eine oder andere Frage zum Login kam, wurde sich sofort gegenseitig geholfen. Das hat sogar lehrjahrübergreifend funktioniert! Nach nur einem Probelauf war das Bearbeiten von Arbeitsblättern und das Hochladen von Fotos kein Problem mehr – und das innerhalb von 24 Stunden. Natürlich ist es schwierig zu beurteilen, wie es gelaufen wäre, wenn wir nicht das Digiscoutprojekt gemacht hätten. Aber ich glaube schon, dass die Schülerinnen und ich durch das Projekt vertrauter und sicherer mit den digitalen Möglichkeiten geworden sind. Im Vergleich zu anderen Ausbildungsgruppen fällt mir und auch meine Azubis auf, dass das es da nicht so gut läuft und sie durch das E-Learning einen Vorteil genießen dürfen. Zum Beispiel hat Anna, eine meiner Auszubildenden aus dem dritten Lehrjahr, sich letzte Woche bei mir einfach bedankt. Dafür, dass ich als Ausbilderin solche Dinge ausprobiere und durchziehe, auch wenn es für mich als Ausbilderin erst mal wieder mehr Arbeit bedeutet.

Wie gestalten Sie Ihren Unterricht, was hat sich enorm verändert und wie geht es weiter?

Ich betreue aktuell das erste und dritte Lehrjahr online. Dabei unterscheide ich bei der Aufgabenverteilung: das erste Lehrjahr bekommt Tagesaufgaben für die Fachtheorie und Wochenaufgaben für die Praxis, mit kleinen Videos zu der jeweiligen praktischen Tätigkeit. Die Videos erstelle ich selbst und leite so meine Azubis durch die praktische Umsetzung. Zu Beginn jeder Woche erhalten sie bspw. ein Rezept, das sie mithilfe des Videos nachkochen sollen. Den Tag der Umsetzung können sie frei wählen. Es ist schwierig gemeinsam eine Koch- oder Backaufgabe für einen bestimmten Tag fest zu legen, nicht dass wir nicht z. B. via Skype in der Küche stehen könnten, aber die Azubis bekommen nicht immer alle notwendigen Lebensmittel zusammen. Vieles ist in den Supermärkten vergriffen und ich möchte sie auch nicht unnötig durch die verschiedenen Geschäfte jagen.

Im Gegensatz dazu erhält das dritte Lehrjahr am Anfang der Woche alle Aufgaben für die Theorie und für die Praxis. Die Rezepte, die sie kochen sollen, gebe ich nicht mehr vor. Denn sie besitzen alle eine umfangreiche Rezeptsammlung und sind in der Lage daraus selbst ein Rezept zu wählen und zu kochen. Sie brauchen auch keine Videoanleitung mehr. Natürlich dürfen jederzeit auftretende Fragen gestellt werden, falls die Erinnerung an den Arbeitsablauf verblasst sind. Darüber hinaus stehe ich im engen Austausch mit den Berufsschullehren. Sie senden mir per E-Mail weitere Arbeitsaufträge für die Azubis zu. Diese lade ich mit einem Hinweis an die Azubis im jeweiligen Berufsschulordner in der Cloud hoch.

Die Voraussetzung, dass das E-Learning erfolgreich funktioniert, ist ein großes Vertrauen in meine Azubis – das ich habe! Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, dass ich am Ende des Tages ein Foto vom Ausbildungsnachweis bekomme. Und wenn etwas in der Praxis erarbeitet wurde, gibt es ebenfalls einen Fotoupload in der Cloud. So erhalte ich nun Fotos von gekochten Speisen, eingedeckten Tischen, Vorher- und Nachher-Fotos von gereinigten Kühlschränken, Backöfen und Wasserkochern. Und das klappt richtig gut!

Wenn Sie ein Fazit ziehen müssten, wie würde dieses lauten?

Ich denke, eine Zeit lang kann die Ausbildung, vor allem in der Hauswirtschaft, so überbrückt werden. Es hat den Charakter eines Praktikums im Privathaushalt. Außerdem fördert dieses Lernformat enorm das selbstständige Arbeiten. Meine Azubis, insbesondere die aus dem dritten Lehrjahr, fühlen sich gut unterstützt und für die Abschlussprüfung gut vorbereitet. Sorgen, dass wichtige Ausbildungsinhalte untergehen, gibt es bei uns nicht. Das war mir sehr wichtig. Ich hatte ja vorhin schon angemerkt, dass ich der Meinung bin, dass E-Learning eine gute Ergänzung zum Unterrichten ist. Das heißt aber nicht, dass es die analoge Lehr- und Lernwelt ersetzt.

Wir hoffen, dass es nicht zum dauerhaften Lernalltag wird. Mir und meinen Azubis fehlen der Kontakt und das Zusammenarbeiten. Deshalb freuen wir uns alle auf ein Wiedersehen. Und dann gibt es erstmal eine ganz feste und lange Umarmung!

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