Die Einschätzung der Gründungschancen in den einkommensstarken Ländern

Das Entstehen und die Umsetzung von Gründungsideen werden auf der individuellen Ebene stark von der grundsätzlichen Einstellung der Person gegenüber unternehmerischer Selbstständigkeit beeinflusst. Die Angst zu scheitern, die Einschätzung der Gründungschancen im regionalen Umfeld während der nächsten Monate sowie die Beurteilung der eigenen Gründungsfähigkeiten (vgl. zu Letzteren S. 34f.) sind wichtige im GEM berücksichtigte Determinanten der Gründungsentscheidung.

In Deutschland würden 38,31 % der Befragten aus Angst vor dem Scheitern eine Gründung unterlassen. Dieser Wert lag in den meisten GEM-Jahren deutlich höher, sodass hier eine positive Entwicklung in Deutschland zu konstatieren ist. Umgekehrt: Bei knapp 62 % der Befragten in Deutschland (67 % der Männer, aber nur 55 % der Frauen) wäre dies kein Grund, von einer Gründung abzusehen. Deutschland belegt damit Platz 13 in der Rangliste der 31 einkommensstarken Staaten, die Panama (nur 21 % der Befragten würde die Angst vor dem Scheitern von einer Gründung abhalten) mit der am wenigsten ängstlichen Bevölkerung an der Spitze sieht.

Bezieht man die vorgenannte Frage nach der Angst vor dem Scheitern nur auf jene 18–64-Jährige, die gute Gründungschancen sehen, dann erhöht sich der Anteil derjeniger, die die Angst nicht vom Gründen abhalten würde, von 62 % auf 65 %.

Die Sorge um die negativen Folgen eines Scheiterns mit einer Gründung verhindert also unter Umständen dann den Schritt in die Selbstständigkeit nicht, wenn die Person die Gründungschancen in der Region, in der sie lebt, als sehr günstig wahrnimmt. Die Wahrnehmung ist in Deutschland in den letzten Jahren tendenziell optimistischer geworden und hatte 2017 den höchsten Wert seit Beginn des GEM erreicht: 41,96 % der Befragten sahen damals gute Gründungschancen. Dieser sehr erfreuliche Wert wird nahezu exakt auch im Jahre 2018 erreicht (42,11 %, vgl. Abb. 9).

Mit dem genannten Wert belegt Deutschland 2018 Rang 19 unter den 31 einkommensstarken GEM-Ländern, denn auch in vielen der Referenzländer ist die Einschätzung jüngst optimistischer geworden.

Die diesbezüglichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind allerdings erheblich, wenn auch seit 2017 wieder etwas zurückgegangen: 45,66 % der Männer, aber nur 38,26 % der Frauen nehmen in Deutschland die Gründungschancen als positiv wahr. Selbstverständlich erlauben die Daten zur individuellen Einschätzung der Gründungschancen keine Aussagen über den Realitätsgehalt dieser Einschätzungen, denn potentielle Gründerpersonen können die Chancen auch positiver oder negativer einschätzen, als sie tatsächlich sind. Da für die Gründungsentscheidung aber die Wahrnehmung der Umfeldbedingungen durch die potentiell Gründenden eine große Rolle spielt – und nicht die tatsächlichen Umfeldbedingungen, sind die genannten Werte, gerade im Vergleich über die Zeit, aussagekräftige Indikatoren des gesellschaftlichen Gründungsklimas.