Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn existieren in Deutschland im Zeitraum der Jahre von 2022 bis 2026 rund 772.000 übernahmewürdige und rund 190.000 übergabereife Unternehmen. Jedoch gibt es für diese Anzahl der zu übergebenden Unternehmen wesentlich weniger potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger, sodass die ungelöste Nachfolge eines der größten Probleme für die deutsche Volkswirtschaft darstellt. Nur etwa jedes dritte Unternehmen hat laut IfM Bonn einen Nachfolgeplan. Für eine erfolgreiche Nachfolge ist es aber essenziell, die Staffelübergabe rechtzeitig vorzubereiten und zu planen. Dadurch können Probleme vor, während und nach der Nachfolge vermieden und die nötige Transformation rechtzeitig eingeleitet werden. Wenn die Nachfolge weder familienintern gelöst werden kann noch einzelne Mitarbeitende die Verantwortung übernehmen möchten, dann bleibt in der Regel nur die Möglichkeit, das Unternehmen an andere Unternehmen, Finanzinvestierende oder Personen zu verkaufen oder im schlimmsten Fall zu liquidieren.

Relevante Fragen nach der Zukunftsfähigkeit

Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Unternehmen bestmöglich für einen Nachfolge- oder Verkaufsprozess vorbereiten möchten, sollten sich unter anderem folgende Fragen stellen: Hat mein Geschäftsmodell auch in Zukunft eine Chance beziehungsweise wird es wettbewerbsfähig sein? Wird das „Geschäft“ noch genügend Erträge für die Nachfolge ermöglichen? Welche großen Trends werden mein Unternehmen heute und zukünftig beeinflussen? Welchen Innovations- und Technologiestau gilt es noch zu beheben? Wie sehr wurde die Unternehmenskultur von einem eher „autoritären-patriarchalischen“ Führungsstil geprägt? Welche Transformationsprozesse müssten im besten Fall noch vor der Übergabe eingeleitet werden, um das Unternehmen zukunftsresilient aufzustellen?

Nicht die Blaupause zählt, sondern die Lösung

Die Ausgangslagen für die Unternehmensnachfolgen und die Lösungswege sind so individuell wie die Unternehmen selbst, die zur Übergabe anstehen. Aus diesem Grund gibt es keine „optimale“ Blaupause für eine gelungene Nachfolge und keine „optimale“ Anleitung für einen rechtzeitig eingeleiteten Transformationsprozess vor oder nach der Nachfolge. Frei nach dem griechischen Arzt Hippokrates kann man am Ende von einem effektiven Nachfolge- und Transformationsprozess dann sprechen, wenn eine Lösung erfolgte: „Wer heilt, hat recht.“

Innovatives Nachfolge-Mindset entscheidet

Obwohl die Nachfolge in mittelständischen Unternehmen eine komplexe Herausforderung ist, bietet insbesondere eine generationenübergreifende Zusammenarbeit, wenn diese in Aussicht ist, auch eine sehr große Chance für die Weiterentwicklung des Unternehmens. Wenngleich das Mindset am Ende des Tages häufig der entscheidende Faktor ist, wie innovativ ein Unternehmen ist, kann die Unternehmensnachfolge beispielsweise helfen, frischen Wind in die Unternehmensführung zu bringen und so die Innovationskraft des Unternehmens zu steigern und Transformationsprozesse anzustoßen. Schwerpunktthemen sind dabei meist die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, New Work, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wenn keine interne Nachfolge in Aussicht ist, dann gelingt der Unternehmensverkauf am ehesten, wenn notwendige Transformationsprozesse frühzeitig eingeleitet wurden, um das Unternehmen verkaufsfähig zu machen.

Nachfolge neu kombiniert

Damit wirtschaftliche, soziale und nachhaltige Gesichtspunkte bei der Entwicklung einer effektiven Nachfolgelösung nicht zu kurz kommen, ist es zielführend, verschiedene Themen miteinander zu kombinieren. Mögliche Kombinationen (Eigene Abbildung)

Aus der Rekombination könnten sich unter anderem folgende neue Verbindungen ergeben:

  1. Die Geschäftsmodellentwicklung wird mit der Kulturentwicklung verbunden.
  2. Die Nachhaltigkeit wird mit Digitalisierung und Technologie verknüpft.
  3. Durch die Kulturentwicklung werden die Digitalisierungs- und Technologiebestrebungen gemeistert.
  4. Die Geschäftsmodellentwicklung wird mit Nachhaltigkeit sowie Technologie- und Kulturentwicklung verbunden.
  5. Selbstverständlich könnten auch alle Faktoren miteinander kombiniert werden, wenn es beabsichtigt wird und zielführend erscheint

Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihr Unternehmen für die Nachfolge fit machen möchten, sollten nicht nur eine Kombination wählen, die zu ihnen passt, sondern auch neue Wege in der Umsetzung gehen. Die Umsetzung der Nachfolge könnte dann auch über folgende verschiedene Wege erfolgen (und es kann sich lohnen, auch Umwege zu gehen, wenn noch genügend Zeit besteht!):

  1. Kooperation mit Start-ups
  2. Visioning
  3. Pilotprojekt
  4. Ausgründung

Auch in diesem Zusammenhang können wieder verschiedene Ansätze kombiniert werden:

Mögliche Nachfolgeszenarien

Aus der Praxis lässt sich über verschiedene Nachfolgeszenarien in Mittelstands- und Familienunternehmen berichten. Mögliche Szenarien können sein:

Start-ups als Quelle der Inspiration

Über die Zusammenarbeit mit Start-ups kann die oder der Übergebende mit ihren oder seinen Mitarbeitenden zum Beispiel zu einer neuen Zukunftsvision gelangen, wie die Technologien von morgen zu neuen Geschäftsmodellen führen. Durch die Kollaboration mit dem Start-up-Team könnte zudem die Weiterentwicklung der eigenen Unternehmenskultur inspiriert werden. Und sollte das Start-up am Ende nicht funktionieren, so hat man zumindest Zugang zu neuen gewonnen.

Entrepreneurship durch Partizipation und Verantwortung

Wenn die Belegschaft im Prozess der Nachfolge und der damit verbundenen Transformation so eingebunden wird, dass es neue Kräfte für organisationale Veränderungen und individuelle Verantwortungsübernahme freisetzt, dann können auch große Hürden gemeistert und die Organisation zukunftsorientiert ausgerichtet werden. Die Ermöglichung von Partizipation und Verantwortung kann einen solchen Rahmen der Sicherheit und des Vertrauens schaffen, dass sich Mitarbeitende aus der Deckung wagen, um das Unternehmen allein, im Tandem oder im Kreis von mehreren Gesellschafterinnen oder Gesellschaftern fortzuführen.

Nachfolge im geschützten Raum

Veränderungswillige Nachfolgende stoßen in der Organisation und in ihren Familien oft auf eine Reihe von Hürden. Dazu gehören beispielsweise das fehlende Vertrauen in die Leistungsfähigkeit, fehlende Führungserfahrung sowie fehlende Klarheit über die strategischen, operativen Prioritäten und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Durch agiles Heranführen durch die Seniorunternehmerinnen oder -unternehmer kann sich der oder die Nachfolgende im geschützten Raum peu à peu entfalten, kann Erfahrungen sammeln und in die Rolle hineinwachsen. Das Starten mit einem Pilotprojekt oder die Ausgründung eines neuen Unternehmens (häufig im Mittelstand einfach nur als Spin-off oder auch NewCo bezeichnet) kann die neuen Geschäftsideen der Nachfolge Wirklichkeit werden lassen und den Wirkungskreis der Verantwortung erhöhen. Ein Nachfolgecoaching von einer oder einem neutralen Externen kann hierbei auch helfen.

Fazit

Deutschland gibt es viele mittelständische Unternehmen, die mit der Herausforderung konfrontiert sind, eine innovative Nachfolgelösung zu strukturieren und zu implementieren. Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung erfordert auf jeden Fall eine frühzeitige Planung und Vorbereitung. Jede Nachfolgesituation ist individuell und somit gibt es auch kein „einziges richtiges“ Modell oder Beispiel für eine erfolgreiche Nachfolge. In der Strukturierung ist eine ausführliche Analyse der Ausgangssituation und Kreativität gefragt, um das Unternehmen optimal für die Übergabe aufzustellen. Darüber hinaus ist es jedoch wichtig, dass sowohl die Nachfolgenden als auch die Übergebenden offen für große Veränderungen sind und die Bereitschaft zeigen, die notwendigen Schritte zu gehen, um die Dynamik einer Übergabe erfolgreich zu meistern.

Dieser Artikel wurde zuerst in einem RKW Magazin mit dem Schwerpunkt: Unternehmensnachfolge veröffentlicht. Dort haben Sie auch die Möglichkeit unser Magazin zu abonnieren. Alle Magazine finden Sie unter: https://www.rkw-kompetenzzentrum.de/das-rkw/rkw-magazin/

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