Wie Unternehmen das schon heute bewältigen, wollten wir mit einer Befragung in vier Betrieben der Optikindustrie in Thüringen herausfinden.

Es gilt, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten bis zum Renteneintritt zu sichern. Auch ist mit "bunter" werdenden Belegschaften zu rechnen: So müssen Zuwanderer verstärkt in die Arbeitswelt integriert und der Zugang von Frauen zu "klassischen Männerberufen" verbessert werden. Demografiefeste Arbeit beginnt in Bezug auf Altern und Alter bereits im frühen Erwerbsleben. Einen frühzeitigen gesundheitlichen Verschleiß zu vermeiden und Kompetenzen beständig weiter zu entwickeln umfasst

  • den Schutz körperlicher Gesundheit,
  • interessante Arbeitsaufgaben mit ausreichenden Handlungsspielräumen,
  • berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und
  • ein gutes, unterstützendes Sozialklima.

Bestandsaufnahmen in der Optikbranche Thüringens

Um Ansatzpunkte für eine demografiefeste Gestaltung von Arbeit zu ermitteln, hat das RKW Gespräche mit Managern der  Optoelektronikbranche in Thüringen geführt. In der Branche finden sich viele mittelständische Firmen, die sich in den Jahrzehnten nach der Wende in Ostdeutschland erfolgreich auf internationalen Märkten etablieren konnten. Möglich wurde dies durch innovative Erzeugnisse (z. B. optische Systemlösungen, Software) die von hochqualifizierten Facharbeitern und Ingenieuren hergestellt werden.

Gefragt wurden die Manager von vier Unternehmen zu ihrer Fachkräftesituation, zu Leistungsanforderungen und Belastungen für ihre Beschäftigten, zu ihrer Führungspraxis, zum Umgang mit älteren und leistungsgewandelten Mitarbeiter und zum betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Auswertung der Gespräche erbrachte, dass die Firmen gerade in ihrer Betriebskultur über wichtige Ansatzpunkte und Lösungen insbesondere für eine alters- und alternsgerechte Gestaltung der Arbeit verfügen. Auch finden sich gute Beispiele einer systematischen Bearbeitung demografierelevanter Themen.

Standortstärke: hoch qualifizierte Fachkräfte

Die an der Bestandsaufnahme beteiligten Firmen betrachten ihre Fachkräfte und Ingenieure als zentrale Stärke ihres Unternehmens. Das Kompetenzniveau der Facharbeiter und Ingenieure schätzen sie als hoch ein. Die Beschäftigten leisten qualifizierte Arbeit, die ihnen fachliche Gestaltungsspielräume gibt. Angebote zur beruflichen Weiterentwicklung halten die Beschäftigten auf dem neuesten Stand des Wissens und bieten ihnen darüber hinaus berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.

Viele Firmen der Thüringer Optoelektronik konnten im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs in den vergangenen Jahren ihre Beschäftigung erhöhen. In diesem Zusammenhang konnten sie junge Beschäftigte für ihr Unternehmen gewinnen und damit der Alterung ihrer Belegschaft entgegenwirken.

"Produktive Leistungsgemeinschaften"

Viele Unternehmen aus der Optikbranche in Thüringen können als "produktive Leistungsgemeinschaften" charakterisiert werden. Ihre Grundlagen bilden eine hohen Leistungsbereitschaft und Betriebsbindung der Beschäftigten auf der einen, Wertschätzung der Beschäftigten von Seiten der Unternehmensführungen auf der anderen Seite. Kollegialität, Loyalität sowie hohe Dienstleistungs- und Produktqualität bildeten dabei Wertmaßstäbe, auf die sich Beschäftigte und Führungskräfte gemeinsam beziehen können. Diese Normen bilden auch den Rahmen für einen stark ausgeprägten Sozialzusammenhalt in den befragten Unternehmen.

Es besteht eine enge Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Wenn Mitarbeiter Probleme bei der Bearbeitung von Aufträgen haben, erhalten sie von den Vorgesetzten Unterstützung. Es herrscht eine Kultur der "Aufmerksamkeit":

Man könne, so ein Manager, am Blick der Mitarbeiter oder wenn sie "grau" aussehen, erkennen, dass sie Probleme haben. Er frage dann die Projektleiter, wo die Fehler liegen. Dies können Probleme mit Kunden sein. Der, der die Probleme lösen soll, muss pfleglich behandelt werden.

Man darf nicht sagen: "Du hast was falsch gemacht". Das vertiefe nur die Selbstzweifel und motiviere nicht. "Leistung kann man nur mit klarem Kopf erbringen".

Die hohen Leistungsnormen in den Unternehmen bergen gleichwohl Risiken: Es besteht die Gefahr, dass auf die Dauer die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten und Führungskräfte gefährdende Stressoren im Arbeitsalltag (enge Zeitmargen, schwieriger Umgang mit Kundenanforderungen) unterschätzt und als selbstverständlich hingenommen werden. Sie können damit aus dem Blickfeld der Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation geraten.

Die Leistungsfähigkeit alter und junger Mitarbeiter ist gleichwertig

Ein negatives Bild des Alterns, wonach Altern einseitig als biologisch bedingter Abbauprozess der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit betrachtet wird, ist wissenschaftlich längst überholt. Dennoch besteht in vielen Betrieben noch Skepsis hinsichtlich der Produktivität und Innovationsfähigkeit älterer Beschäftigter. Bei den befragten Managern kann kein Defizitbild vom Alter festgestellt werden. Die Manager schätzen insgesamt betrachtet das Leistungsvermögen älterer und jüngerer Kollegen als gleichwertig ein. Als Stärke der Älteren geraten Erfahrungswissen, Urteilsfähigkeit und Motivation ins Blickfeld, die Schwächen wie geringeres Arbeitsgedächtnis und langsamere Informationsverarbeitung zumindest ausgleichen. Originalton eines der befragten Manager:

Mit Ende 50 ist man nicht so schnell an den Tasten, trifft aber die richtigen Tasten".

Auch finden die Firmen pragmatische Lösungen für den Umgang mit alterskritischen Belastungen. Beispielhaft ist ein Dokumententool zu nennen, das Verluste beim Kurzzeitgedächtnis kompensiert, indem erforderliche Arbeitsschritte aufgelistet werden.

Infrastrukturen für eine demografiefeste Arbeit

Betriebe benötigen für eine demografiefeste Gestaltung der Arbeit, eine gute Infrastruktur in Gestalt von personalwirtschaftlichen Daten sowie geregelte Abläufe und Dokumente des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Sie bilden eine wichtige Grundlage dafür, auf Demografie bezogene Probleme rechtzeitig zu erkennen und zu handeln. Ohne dass "Demografiefestigkeit" notwendig als Label genutzt wird, sind die befragten Unternehmen diesbezüglich recht gut aufgestellt. Zu nennen sind insbesondere differenzierte Altersstrukturanalysen, Qualifizierungsmatrizen und die systematische Auswertung gesundheitsbezogener Daten, wie Fehlzeiten. Die Gefährdungsbeurteilung beschränkt sich allerdings mit Ausnahme eines der befragten Unternehmen, das auch die psychosozialen Belastungen erfasst, auf die Ermittlung körperlicher Belastungen am Arbeitsplatz. Diesbezüglich besteht in den betreffenden Firmen Weiterentwicklungsbedarf in Richtung auf eine ganzheitliche, d. h. auch die psychischen Belastungen ermittelnde Gefährdungsbeurteilung. Damit würden sie der wachsenden Bedeutung psychischer Anforderungen bei der Ausführung von Arbeitsaufgaben Rechnung tragen.

Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kürze veröffentlicht.